Integration in Deutschland 1/2005, 21.Jg., 31. März 2005
PROJEKTE |
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Frankfurter Eintracht - multikultturellGute Erfahrungen mit Sprach- und Orientierungskursen |
Von Ende 2000 bis 2004 führte das Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AmkA) der Stadt Frankfurt am Main das Pilotprojekt "Sprach- und Orientierungskurse für neu zuziehende Ausländerinnen und Ausländer" durch. Das Projekt stand im unmittelbaren Kontext zu dem seinerzeit in der Diskussion befindlichen Bundeszuwanderungsgesetz und den darin vorgesehenen Integrationsmaßnahmen. An dem Frankfurter Gesamtprojekt nahmen insgesamt ca. 3.000 Neuzuwanderer teil. Es stand zugleich in der Kontinuität der seit Jahrzehnten in Frankfurt am Main mit Erfolg betriebenen Integrationspolitik. Die Stadt Frankfurt am Main, als Kommune mit einem der höchsten Bevölkerungsanteile nichtdeutscher Bürgerinnen und Bürger in der Bundesrepublik, wollte auf diesem Wege umfangreiche Erfahrungen für auf Bundesebene absehbare Regelungen und Kursangebote sammeln und innovative Impulse setzen. Zentrale Bestandteile des Frankfurter Projektes waren: die Entwicklung neuer Ansprachewege, um MigrantInnen zur Kursteilnahme zu motivieren, die Einrichtung und Erprobung einer Steuerungsgruppe aus Trägervertreter/innen und Verwaltung auf kommunaler Ebene, schließlich das Integrationskursangebot selber, d.h. herkunftssprachlich durchgeführte Orientierungskurse und sich daran anschließende Deutschkurse im Umfang von bis zu 600 Stunden. Wesentliche Rahmenbedingung war darüber hinaus, dass das Projekt - in Abgrenzung zur bis dahin vorherrschenden kursorientierten Förderung - auf eine teilnehmerbezogene Förderung ausgerichtet war. Die teilnehmenden Neuzugewanderten erhielten im Verlauf Gutscheine, die zum Sprachkursbesuch bei verschiedenen kooperierenden Frankfurter Sprachkursträgern berechtigten. Während der Besuch des Orientierungskurses kostenlos war, zahlten die Teilnehmer/innen für den Sprachkurs einen Eigenbeitrag von 0,50 Euro je Stunde. Teilnahmeberechtigt waren Personen ab einem Mindestalter von 16 Jahren, mit längerfristiger Aufenthaltsperspektive (Aufenthaltserlaubnis), festem Wohnsitz in Frankfurt am Main, die vor maximal zwei Jahren zugewandert waren. Kompetenzprofil Orientierungskurstrainer/innen Umfang und Organisation der KurseDie Orientierungskurse wurden in den Sprachen Arabisch, Bosnisch, Dari, Englisch, Farsi, Italienisch, Kroatisch, Russisch, Serbisch, Spanisch und Türkisch durchgeführt. Die Teilnehmerzahl je Kurs lag zwischen acht und maximal fünfzehn. Die Kurse fanden als Intensivkurs in der Regel werktags oder als Wochenendkurs statt. Der zeitliche Umfang betrug in der Regel 40 Unterrichtsstunden. Die Kurse boten den Teilnehmer/innen erste Informationen über Frankfurt, über die wichtigsten städtischen Institutionen und öffentliche Einrichtungen. Ziel war es, die Teilnehmenden mit erstem Basiswissen beim Einstieg ins Alltagsleben zu unterstützen und ihnen zugleich Gelegenheit zum gemeinsamen Austausch über ihre Ankommenserfahrungen zu geben. Die Kurse vermittelten erst in zweiter Linie Basiskenntnisse über das Rechtssystem und die Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Drittens dienten sie zur Aushändigung der Gutscheine für Sprachkurse und der Unterweisung im Umgang mit entsprechenden Unterlagen zur Auswahl von Deutschkursanbietern. Im Jahr 2002 nahmen 669 Personen an insgesamt 54 Orientierungskursen teil, 2003 waren es 542 Personen in 35 Kursen (Stand: 31.7.2003). Eine Überprüfung des Lernerfolges in Gestalt von Tests fand nicht statt. Solches erschien im Zusammenhang mit Orientierungskursen und den heterogenen Bedürfnissen und Lernvoraussetzungen von Neuzuwandernden als schwierig. Angesichts der Qualität, der Komplexität und der Dauer individuell unterschiedlich verlaufender Integrationsprozesse ist es fraglich, ob mittels Standardtestverfahren diesbezüglich aussagekräftige Angaben gewonnen werden können. Wahrnehmung und Akzeptanz durch die KursteilnehmendenDie Auswertung des Projektes zeigt, dass die teilnehmenden MigrantInnen von dem Angebot der Stadt Frankfurt sehr positiv angetan waren. Dies wird auch im Detail in Schilderungen der persönlichen Lernerfahrungen deutlich, die der Bericht der wissenschaftlichen Begleitung wiedergibt. Hervorzuheben ist dabei die Erfahrung, mit diesem Angebot in der Selbständigkeit gefördert zu werden, sich den Schwierigkeiten in der Fremde zu stellen. Die meisten Befragten betonten, dass aus ihrer Sicht Orientierung und Sprache gemeinsam wichtige Bausteine der ersten Schritte zur Integration darstellen. Auch das didaktische Konzept des Projektes ging auf: Insbesondere der auf Exkursionen basierende handlungsorientierte Ansatz, der zudem alltagsweltlich und lokal ausgerichtet ist, wurde besonders positiv beurteilt. Das Projekt wurde mit Landes- und Bundesmitteln gefördert und fand bundes- und europaweit viel Beachtung. So weist bspw. das im November 2004 von der EU-Kommission herausgegebene Handbook on integration for policy-makers and practitioners den Frankfurter Orientierungskursansatz als best practice-Beispiel aus. AusblickMit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes liegt die Zuständigkeit für Integrationskurse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Für Frankfurt bedeutete dies zugleich das Auslaufen des Pilotprojektes. Zwischen der Konzeption der Frankfurter Orientierungskurse und dem Bundeskonzept bestehen einige Unterschiede. Hauptunterschied ist sicherlich, dass die Orientierungskurse des Bundes in Deutsch durchgeführt werden sollen. Darüber hinaus sind zu nennen: eine Verpflichtung zur Teilnahme am Kursbesuch, ein etwas geringerer Umfang des Orientierungskurses (30 Stunden) und dass dieser erst im Anschluss an die Sprachkursmodule stattfinden soll, d.h. am Ende steht. Erwähnenswert ist zudem, dass auch für den Orientierungskurs ein Abschlusstests geplant ist. Ob und inwieweit sich dieses Konzept bewährt, muss die Praxis zeigen. Es wird spannend sein, zu verfolgen, welche Erfahrungen mit der konkreten Ausgestaltung der Integrationskurse, wie sie das Zuwanderungsgesetzes vorsieht, gesammelt werden. Es handelt sich insofern nur um einen ersten Schritt in einem gerade erst begonnenen Umsetzungsprozess. Es bleibt darüber hinaus zu hoffen, dass entsprechende Spielräume zur Entwicklung weiterer, ergänzender Integrationsangebote, für die das Gesetz Raum bietet, ausgeschöpft werden. |
Autor: Dr. Thomas Kunz, Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik e. V., Frankfurt/M. Literaturhinweis: |
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