Integration in Deutschland 2/2005, 21.Jg., 15. Juni 2005

MEDIEN

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


"Hinsehen, wo es gut läuft"

9. SWR-Medienforum "Migranten bei uns"

"50 Jahre Einwanderungsland Deutschland". Damit hat sich das "9. Medienforum Migranten bei uns" des Südwestrundfunks - mit rund 150 Teilnehmern die größte Fachkonferenz zum Thema Medien und Migration im deutschsprachigen Raum - auseinandergesetzt. Anlass war das 1955 geschlossene Anwerbeabkommen zwischen Deutschland und Italien. Organisiert wurde das Medienforum vom Team der Redaktion SWR International rund um den Initiator des Medienforums, Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun.


Vor 25 Jahren, am 5.8.1970, wird der Kroate Zvonimir Kanijir als 500.000 "Gastarbeiter" Baden-Württembergs am Stuttgarter Hauptbahnhof begrüßt

Prof. Dr. Michael Bommes, Vorsitzender des Rates für Migration, zog eine überwiegend positive Bilanz eines halben Jahrhunderts Migration. Bommes nannte aber auch Defizite. Die erste Generation der Arbeitsmigranten sei "gar nicht so schlecht integriert". Hauptproblem seien heute Fragen der Integration der zweiten und dritten Generation. Bildung spiele hier eine ganz zentrale Rolle, erklärte Michael Bommes. Während Teile der nachfolgenden Generationen in diesem Bereich relativ erfolgreich seien - spanische Einwanderer und Migranten aus dem ehemaligen Jugoslawien - hätten türkisch- und italienischstämmige Jugendliche teilweise erhebliche Problem. Eine der Ursachen, so Bommes, sei von der Pisastudie aufgezeigt worden. "Kaum ein anderes Bildungssystem schafft es mit so hoher Stabilität, soziale Ungleichheitsverhältnisse zu reproduzieren." Laut Bommes liegt der Anteil der arbeitslosen Migranten im Vergleich zum Schnitt mehr als doppelt so hoch. Diese Zahlen seien aber im Vergleich zu den Niederlanden und Frankreich immer noch ein niedrigerer Wert. "Diesbezüglich sieht Deutschland gar nicht so schlecht aus", sagte Bommes. Bei dem Problem der Verarmung von Stadtteilen können außerdem noch keineswegs von ethnischer Segmentation gesprochen werden, sagte der Soziologe mit Blick auf aktuelle Diskussionen. Bommes forderte, von einem Bildungssystem wegzukommen, das Migration lediglich als Ausnahmezustand betrachte.

Auch die ehemalige Ausländerbeauftragte von Berlin, Barbara John, unterstrich die Bedeutung der Bildung und forderte eine größere Zahl an Ganztagsschulen. John warnte vor den Auswirkungen der Arbeitslosigkeit auf den Integrationsprozess. Arbeit sei wie Bildung ein zentraler Integrationsfaktor. "Integration durch Arbeitslosigkeit muss scheitern. Es ist so, als wolle man ohne Kerosin fliegen."

Während die Bundesrepublik auf 50 Jahre Einwanderung aus Italien zurückblickt, hat sich inzwischen auch dieses ehemalige Entsendeland - wie viele andere - selbst zum Einwanderungsland entwickelt. Dr. Paolo Cuttitta von der Universität Palermo nannte auf der Tagung einige Zahlen. Danach hat Italien in den letzten 25 Jahren knapp 1,5 Millionen illegale Zuwanderer legalisiert. Fast 90 % der registrierten Ausländer im Land hätten sich früher illegal im Land aufgehalten. Cuttittas Fazit: "Das heißt, man kann nicht legal nach Italien einwandern." Derzeit, so schätze man, lebten rund 300.000 Illegale in Italien. Inzwischen gibt das Land rund 115 Millionen Euro für den Grenzschutz aus, davon 14 Millionen Euro allein für Abschiebung und lediglich 29 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen, so Cuttitta.

Natürlich ging es im Jahr Eins des neuen Zuwanderungsgesetzes auch um eine erste Zwischenbilanz. Das System sei gut angelaufen, sagte Dr. Michael Griesbeck, Abteilungspräsident beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Entscheidend sei, dass es mit dem Gesetz zu einer Bündelung und stärkeren Verzahnung der Angebote und Integrationsmaßnahmen gekommen sei. Erstmals gebe es auch einen Anspruch auf Sprach- beziehungsweise Integrationskurse. "Sprache ist der Schlüssel. Ohne Sprache gibt es auch keine berufliche Integration. Wir müssen endlich raus aus diesem Teufelskreis, der da heißt: sprachlos, chancenlos, arbeitslos. Das geht so nicht weiter", mahnte Griesbeck.

Richtig sei daher auch das System von Fördern und Fordern. Der Abteilungspräsident zeigte sich erfreut darüber, dass das Interesse der bereits längere Zeit in Deutschland lebenden Migranten "sehr, sehr groß" sei. Für sie seien bereits 51.000 Berechtigungen zum Besuch von Integrationskursen ausgestellt worden. Man werde dieses unerwartet große Interesse an die Politik herantragen, so Griesbeck. "Wir werden deutlich machen, dass sich hier ein Bedarf zeigt, mit dem man ursprünglich bei diesem Gesetz nicht gerechnet hat." Die aktuelle Zahl der insgesamt ausgestellten Berechtigungen zum Besuch von Integrationskursen bezifferte Griesbeck auf rund 87.000. Derzeit liefen bundesweit bereits 2.445 Kurse, mehr als 1600 Träger an über 5000 Standorten seien inzwischen zugelassen worden. "Das zeigt, das wir die Flächendeckung erreicht haben, die das Gesetz vorsieht", erklärte Griesbeck.

Als erfolgreich bezeichnete er den Umstieg von der Ausländersozialberatung auf ein allein bundesfinanziertes System der Migrationserstberatung. Die 500 Stellen in diesem Bereich reichten allerdings noch nicht aus. Ein Problem speziell für ländliche Regionen stellt die Mindestteilnehmerzahl von 25 für die Integrationskurse dar. Dies berichtete Antonella Serio vom Deutschen Caritasverband. Insgesamt wertete Serio das Zuwanderungsgesetz als ein positives Signal nicht nur an die Migranten, sondern auch an die Mehrheitsgesellschaft. Allerdings richteten sich die Forderungen, die das neue Recht erhebe, einseitig nur an die Migranten und nicht an die Mehrheitsgesellschaft. Ein Manko, so Serio. Die Gesellschaft müsse sich interkulturell öffnen und lernen, mit Vielfalt umzugehen, lautete Antonella Serios Forderung. Dr. Michael Griesbeck betonte noch einmal als eines der wichtigsten Ziele, die schnelle Integration der Zuwanderer in den Arbeitsmarkt: "Das bedeute, dass schon während der Aufbausprachkurse Wert darauf legt wird, dass Kontakte zu potenziellen Arbeitgebern geknüpft werden können." Entscheidend sei, deutlich zu machen, dass die Migranten mit Ressourcen kämen, dass Integration auch zu einer "Win-Win-Situation" führen könne. Dies müsse noch wesentlich stärker durch Netzwerke gefördert werden. Die Regionalkoordinatoren des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge seien bereit, an Netzwerken im Bereich Integration mitzuwirken, erklärte Griesbeck. Integration funktioniere umso besser, je stärker die vorhandenen Netzwerke seien.

Beleuchtet wurde beim 9. Medienforum - einer Gemeinschaftsveranstaltung des SWR und der ZFP (Zentrale Fortbildung Programm-Mitarbeiter ARD-ZDF), der Bundeszentrale für Politische Bildung und der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen (DGVN) Landesverband Baden-Württemberg auch die Rolle der Medien. Antonella Serio vom Caritasverband begrüßte die "inzwischen flächendeckend differenziertere Berichterstattung" trotz mancher Skandalisierungstendenzen, die es in den Medien immer noch gebe. Der Jesuit und Migrationssoziologe Professor Jörg Alt freute sich über das verstärkte Interesse der Medien am Schicksal der Illegalen im Land, die er auf 500.000 bis eine Million schätzte.

Nachdenklich stimmten auf der Tagung die Ergebnisse einer repräsentativen Untersuchung von 285 Nachrichten-Meldungen vier großer Fernsehsender. In zwei Drittel der Beiträge über Ausländer ging es, so das Ergebnis, um die Themen Terrorismus und Kriminalität. Prof. Dr. Georg Ruhrmann und Denise Sommer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena, die die Untersuchung erstellt haben, zeigten aber auch positive Entwicklungen auf: Während 1987 Ausländer in den Medien praktisch nie selbst zu Wort gekommen seien, konnten sich im Jahr 2003 in 16 Prozent der TV-Meldungen auch Zuwanderer äußern. Professor Bommes bezeichnete es als äußerst wichtig, dass Migranten als "Durchschnittsbestandteile" des Fernsehens, vom Schauspieler bis zum Nachrichtensprecher vorkämen. Dr. Michael Griesbeck wünschte sich noch mehr Beispiele erfolgreicher Integration in den Medien. "Es ist ganz wichtig, darzustellen, dass hier auch Potenziale und Ressourcen liegen. Wir müssen auch bei den Medien wegkommen, von einem Defizitansatz, der den Fokus nur darauf lenkt, was schief gelaufen ist. Griesbeck forderte auch dort hinzusehen, "wo es gut läuft".

Ein multimediales Highlight der Tagung war die Präsentation zum Thema HipHop als einem wichtigen Ausdrucksmittel der Nachkommen der ersten Migranten. "Fear of a Kanak Plantet - HipHop zwischen Weltkultur und Nazi-Rap", lautete der Titel der Präsentation von Hannes Loh und Murat Güngör.

Ergänzt wurden die Vorträge und Diskussionen durch die Ausstellung "Gesucht-Gefunden: Gastarbeiterkoffer". Sie zeigte Zeitzeugnisse von den Reisedokumenten, Arbeitsverträgen und Lohnstreifen der "Gastarbeiter" über ihre Briefe in die Heimat und Wimpeln der ersten Heimatvereine bis hin zu ihren Reisekoffern.

Auf der Tagung dankte der Justizminister und Ausländerbeauftragte von Baden-Württemberg, Prof. Dr. Ulrich Goll, dem Leiter der Redaktion SWR International und Initiator des Medienforums, Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun, sowie SWR-Hörfunkdirektor Bernhard Hermann und Chefredakteur Wolfgang Pohl für die Veranstaltung. Justizminister Prof. Dr. Ulrich Goll. "Es geht um Themen, bei denen wir die Medien dringend brauchen. Die Diskussion um die Integration droht immer wieder in das Vorurteil abzugleiten und dann brauchen wir die Medien als Helfer für eine sachliche Darstellung." Die Ausländerbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz, Marie Weber, bezeichnete die Redaktion SWR-International als "einen unverzichtbaren Wegbegleiter der Integrationspolitik und Integrationspraxis". Weber betonte, dass der ehemalige Süddeutsche Rundfunk die erste Rundfunkanstalt in Deutschland gewesen sei, die Anfang der 1990er Jahre eine Stelle des Ausländerbeauftragten eingerichtet habe. Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun äußerte die Hoffnung, dass das Medienforum trotz des großen Spardrucks, dem die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten ausgesetzt seien, in zwei Jahren sein zehntes Jubiläum feiern könne. Ziel sei es dann, Rückschau auf 20 Jahre Medienforum zu halten und eine Bilanz der Medienberichterstattung zur Migration zu ziehen.

Info: www.swr.de/international/de/medienforum


Autor: Utku Pazarkaya, SWR

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Brücke im Internet

 

Wir müssen ein Zeichen setzen, in Kontakt kommen - und sei es nur über das Internet, dachten sich führende Köpfe im Auswärtigen Amt nach dem 11. September 2001. Weil aber die Kontaktaufnahme mit den Muslimen und der islamischen Welt nicht so einfach sein würde, holte man vier weitere Partner mit ins Boot: das Goethe-Institut, die Deutsche Welle, die Bundeszentrale für politische Bildung und das Institut für Auslandsbeziehungen. Herauskam ein Internetportal namens Qantara, zu Deutsch Brücke. Doch es dauerte rund zwei Jahre, bis Qantara wurde, was es jetzt ist: Ein Dialogportal mit der islamischen Welt. "Wir informieren nicht über aktuelle Brotpreise. Aber die Demokratisierung und Modernisierung der islamischen Welt durch eine ausgewogene Berichterstattung voranzutreiben, gehört schon zu unserem Auftrag", erzählt Redaktionsleiterin Mona Naggar.


Von links nach rechts: Mona Naggar (Red.leitung); Lewis Gropp; Arian Fariborz und Larissa Bender

Und in der Tat bietet Qantara, das kürzlich zwei Jahre alt wurde, eine ausgewogene Berichterstattung. Mit Hintergrundberichten, Analysen, Interviews und Dossiers zu Themen wie Menschenrechte, Kopftuch oder Islamismus bietet das Portal Informationen, die nicht dem Mainstream entsprechen. So wurden zum Beispiel, als der Golf-Krieg anfing, nicht die europäischen Islamwissenschaftler und Pseudo-Aufklärer gefragt. Stattdessen kamen Schriftsteller aus der islamischen Welt zu Wort. Überhaupt ist dem Vierer-Team aus Islamwissenschaftlern und Politologen wichtig, dass die Themen nicht aus der eurozentristischen Position vorgegeben werden. "Es ist eine Gratwanderung, die sich bei dem Diskurs über den Islam auch hier in Deutschland durchsetzen muss, damit die islamische Welt als Kultur- und nicht als Religionsraum wahrgenommen wird", resümiert Lewis Gropp selbstkritisch.

Ob es öffentliche Institutionen, Medien wie Spiegel Online oder Al-Jazeera sind: Als Referenz wird Qantara gerne angegeben. Zudem erscheinen jede Woche auf Deutsch, Englisch und Arabisch neue Artikel und mit über 30.000 täglichen Klicks informieren sie nicht nur. "Wir machen auch Werbung für den Dialog mit dem Islam, denn es sind ja keine Islamisten" erzählt Arian Fariborz in seiner ruhigen Art und wird sogleich von der 46-jährigen Arabisch-Lehrerin Larissa Bender korrigiert: " Es muss heißen Dialog MIT der islamischen Welt und nicht NUR Islam. Sonst bleibt wieder nur Religionsportal hängen."

Fest steht, die meisten Links kommen momentan aus Saudi Arabien, gefolgt von Marokko. Ziel ist es aber auch und gerade Jugendliche zu erreichen. Das entsprechende Jugend-Dossier ist im Aufbau. Doch das Vierer-Team, bestehend aus zwei Männern und zwei Frauen, freut sich auch darüber, dass sie der in Qatar ansässige Hartliner Islam-Online als Link aufführt. Ein Internetportal, das zwar mit Al-Jazeera zusammenhängt, jedoch der Muslimbrüderschaft gehört. "Die können uns aber nicht als Feigenblatt benutzen, weil sich unsere Inhalte und Artikel nicht missbrauchen lassen", betont Lewis Gropp, der für die englischen Inhalte zuständig ist. Hierdurch erreichen sie die richtigen Leser, sprich junge und konservative Leser, mit denen sie eine weitere Brücke zur islamischen Welt schlagen können.

Doch auch wenn sich die Geldgeber alle mit dem gelungenen Informationsportal über, zum und mit der islamischen Welt rühmen. Das Budget wird jährlich neu bewilligt. So gibt es für die unabhängige Redaktion, die in Bonn in Räumen der DW sitzt, nicht mal genügend Raum, geschweige denn einen Computer für die Praktikantin. Umso mehr verdient das Engagement dieser vier freiberuflichen Journalisten Respekt und Planungssicherheit - zum Beispiel mit festen Stellen -, damit nicht aus dem Dialog wieder ein Monolog wird.

Infos unter: www.qantara.de, kontakt@qantara.de


Autorin: Semiran Kaya

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Massenmedien und Integration

 

Gegenwärtig findet in Deutschland ein sozialer Umbruch statt: Der Anteil der Migranten an der Bevölkerung ist stark gewachsen und er wird noch weiter wachsen. Die Gesellschaft steht vor der Herausforderung, diese ethnischen Minderheiten zu integrieren. Massenmedien, die sich aufgrund ihrer Ausdifferenzierung ebenfalls in einem Umbruch befinden, spielen bei diesem Integrationsprozess eine wichtige Rolle. Im März 2005 haben Rainer Geißler und Horst Pöttker die Studie "Massenmedien und die Integration ethnischer Minderheiten in Deutschland" herausgegeben. Der Band klärt das umstrittene Konzept der Integration durch Massenmedien, gibt einen Überblick über den Forschungsstand und enthält eine auf Vollständigkeit angelegte Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur zum Thema Medien und Integration von Migranten. Die 546-seitige Publikation erschien beim Verlag transcript (ISBN: 3-89942-280-5) und kostet 32,80 €Euro. (M-B)

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"gutenMORGEN deutschLAND"

 

Ludwigshafen/Mannheim. Seit fünf Jahren bietet die Lesereihe "gutenMORGEN deutschLAND" spannende und hochwertige Literaturabende mit Autoren, deren Migrationshintergrund zwar Einladungskriterium ist, deren Texte aber nicht zwingend von Migrationserfahrung dominiert sind. Die Lesereihe wurde im Winter 2000 vom Kulturamt Mannheim, dem Kulturbüro Ludwigshafen, Kultur Rhein-Neckar e.V. und KulturQuer - QuerKultur Mannheim e.V. gemeinsam gestartet. Seitdem werden in jedem Winterhalbjahr vier Lesungen mit Autorinnen und Autoren angeboten, deren erste Sprache nicht Deutsch ist, die aber in deutscher Sprache schreiben. Bei den Abenden in entspannter "Kaffeehausatmosphäre" lasen im Winter 2004/2005 Hussain Al-Mozany, Zsuzsa Bank, Zehra Cirak und Catalin Dorian Florescu. Angeregt wurde die Reihe nicht zuletzt durch die Anthologie "Morgen Land", eine von Jamal Tuschick im Herbst 2000 beim Fischer-Verlag erschienene Sammlung "neuester deutscher Literatur". Interessant ist hierbei nicht die Verarbeitung der Migrationserfahrungen, betonen die Veranstalter, sondern die durch diese Literatur vermittelte "Erfahrung und Erkenntnis von Entwurzelung als universelles Daseinsmerkmal entwickelter Industriegesellschaften". Hierbei wolle man dem "Verführungspotenzial einer Ethno- oder Migrationsliteratur widerstehen", hieß es. (esf)

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Zwischen Heimatfunk und Sprachrohr

 

Selten stehen iranische Migranten in den Medien im Blickfeld der Öffentlichkeit. Für den Bürgerfunk in Niedersachsen schließt eine Studie der Universität Hannover zu iranischen Migranten im Lokalfunk diese Lücke. Damit können Aussagen zur Integration und Medien nicht nur für das Lokalradio gemacht werden.

Fast ständig läutet das Telefon in dem kleinen Radiostudio in Hannover. Für Marjan ist es die erste Live-Sendung. Schnell hat sich die Iranerin an das Mikrophon gewöhnt. Das anfängliche Lampenfieber ist weggeblasen. Die Moderation ist souverän und in persisch - ihrer Muttersprache. "Vielleicht lassen sich so weitere Frauen begeistern, mit zu machen", sagt Marjan nach ihrer Premiere. Die iranische Sendung Awa ("Die Stimme") - Sprachrohr für diejenigen die weder bei ARD noch ZDF in der ersten Reihe sitzen - sendet jeden Sonntag eine Stunde auf der Welle von Radio Flora. Sendestart war vor acht Jahren. Von Anfang an dabei waren Ökonomen und Physiotherapeuten aus dem Iran. Sie alle leben als politische Flüchtlinge seit der Islamischen Revolution im deutschen Exil.

Berichte aus der alten Heimat - das ist es, was die Exilanten glauben, was ihre Landsleute hören wollen. Lokales und Sport fehlen völlig. Statt Orientierung über den deutschen Alltag gibt es Heimatfunk, so die Kernaussage der Studie "Iranische Migranten im Lokalfunk" an der Universität Hannover. Zusätzlich bietet die Untersuchung muttersprachlichen Sendungen das passende Rüstzeug, um ihr Programm attraktiver zu gestalten.

Die iranische Zielgruppe weiß genau was sie im Äther hören will. "Die Sendung könnte dazu beitragen", so Sadegh "dass sich Iraner und Deutsche besser verstehen." Allerdings: Politik dominiert das Programm. Das geht vor allem jugendlichen Hörern "auf den Sender", so wurde in der Studie festgestellt. Sie wollen mehr Spaß im Programm. Iranische Politik kommt nicht an. Gefragt sind Musik und coole Sprüche. Kritik hagelt es nicht nur von den Landsleuten, sondern auch von deutschen Radiokollegen. Für einige sind diese Sendungen nur "Quotenkiller". Die iranischen Zuhörer halten dagegen. Beim Arbeitsamt belächelt, von den Medien ignoriert, erfahren die Migranten hier, dass die persische Sprache kein Makel sein muss. Trotz aller Kritik zeigt die Studie, dass sich viele Iraner durch ein muttersprachliches Programm im Gastland in ihrer kulturellen Identität bestärkt fühlen.


Autor: Reza Salimi-Asl

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Max Ophüls Preis

 

Der renommierte Max-Ophüls-Preis für den deutschsprachigen Filmnachwuchs geht in diesem Jahr an Lars Jessen. Der 1969 in Kiel geborene Filmemacher wurde am 23. Januar 2005 zum Abschluß des Max-Ophüls-Festivals in Saarbrücken für seinen Film "Am Tag als Bobby Ewing starb" ausgezeichnet. Der satirische Film spießt das Leben einer Landkommune am Rande der Baustelle des Atomkraftwerks Brokdorf 1986 auf. Der Max-Ophüls-Preis ist mit 18 000 Euro plus Verleihförderung in gleicher Höhe dotiert. Im Spielfilm-Wettbewerb waren diesmal 15 Filme aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vertreten - wie im Vorjahr auch wieder viele mit Migrationsthemen.

Der Publikumspreis des Festivals, ebenfalls mit 3000 Euro dotiert, ging an die Regisseurin Buket Alakus für ihren Spielfilm "Eine andere Liga" (Redaktion: Burkhard Althoff). Die Geschichte des fußballbegeisterten deutsch-türkischen Mädchens Hayat, dem nach einer Krebserkrankung eine Brust entfernt werden muss, begeisterte das Publikum und erhielt die meisten Zuschauerstimmen. Die 20-jährige Hayat gerät durch die plötzliche Konfrontation mit dem Tod ins Abseits. Ihr wurde eine Brust amputiert - Diagnose: Krebs. Aus dem Krankenhaus entlassen, versucht sie, wieder an ihren vorherigen Alltag anzuknüpfen: Ihre Gesellenprüfung als Goldschmiedin steht an, und als leidenschaftliche Fußballerin fiebert sie dem Kicken entgegen. Allerdings hat der deutsche Vater, mit dem sie seit dem frühen Tod der Mutter alleine lebt, sie eigenmächtig bei ihrem früheren Club abgemeldet. Für Hayat steht jedoch fest, dass ihr Weg zurück ins Leben auch über den Bolzplatz führt. Notgedrungen steigt sie heimlich bei einem anderen Frauenteam ein, dem bunt zusammen gewürfelten FC Schanze. Hier begegnet Hayat nicht nur neun eigenwilligen und liebenswerten, aber - was ihre fußballerischen Leistungen angeht - völlig unambitionierten jungen Frauen, sondern auch dem in die Damenmannschaft strafversetzten Trainer Toni, der bemüht ist, die Saison ohne großen Energieaufwand hinter sich zu bringen. Hayat bringt frischen Wind in die Truppe. Die Situation gerät außer Kontrolle, als Toni sich in die Neue verguckt.

Eine lobende Erwähnung der Interfilm-Jury und der Schüler-Jury erhielt der Film "Adil geht" von Esther Gronenborn. Adil, Jonni, Elvis und Idris, alle um die 17 Jahre alt, sind mit ihren Familien einst aus Jugoslawien geflohen. Als geduldete Flüchtlinge in Deutschland führen sie ein Leben auf Abruf - und trainieren dennoch hartnäckig für einen großen Breakdance-Wettbewerb. Die Nachricht von Adils bevorstehender Ausweisung schockiert alle; Idris beschließt, dem Freund zur Erinnerung einen Videofilm mit der Clique zu widmen. Doch dann verliebt sich Idris ausgerechnet in jenes Mädchen, das er ursprünglich mit Adil zusammenbringen wollte - eine harte Belastung ihrer Freundschaft. Der Film entstand in Rahmen von OSTWIND, der gemeinsamen Programmwerkstatt von RBB und ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Die Schüler-Jury faszinierte an dem Film seine Natürlichkeit: "Die Schauspieler haben keine professionelle Ausbildung durchlaufen und sie erlebten selbst ähnliche Schicksale wie die dargestellten Charaktere. Die Akteure identifizieren sich aus diesem Grund sehr mit ihren Rollen, das verleiht dem Film einen fast dokumentarischen Charakter. Atemberaubende Tanzeinlagen fesseln den Zuschauer ebenso wie die ergreifenden Einzelschicksale. Ein Muss, nicht nur für HipHop-Fans."

Über den Gewinn des Kurzfilmpreises kann sich Holger Ernst für seinen Film "Rain is falling" (Produktion: Idealfilm Holger Ernst / HFF "Konrad Wolf") freuen. Der Film spielt fernab der Zivilisation im marokkanischen Süden: Ein kleines Mädchen müht sich mit schweren Wasserkrügen, die sie für die krank daheim liegende Mutter schleppt. Vor dem eindringenden Regen schützt das Töchterchen die Mama, indem sie ein Glas über den Kopf der Kranken hält. Doch was tun, wenn das Glas voll ist? Durch sorgsame Reduktion der Mittel, so die Jury, entwickelt der Film "eine poetische Kraft, die keine Worte braucht. Hier wurde genau Maß gehalten und - im wahrsten Sinne des Wortes 'kein Tropfen verschwendet'".

Ein weiterer interessanter Film ist "Kombat Sechzehn" von Mirko Borscht mit dem 16-jährigen Georg in der Hauptrolle. Der Beruf von Georgs Vater erfordert es, dass auch der Filius von Frankfurt/Main mit nach Frankfurt/Oder umziehen muss. Für Georg heißt es, Abschied zu nehmen von der Freundin, den Freunden und der sich abzeichnenden Anwärterschaft auf einen hessischen Landesmeistertitel im Taekwondo. An der neuen Schule fällt der Westler bald Thomas auf, der eine rechtsradikale Bande leitet. Trotz anfänglicher Skepsis freundet Georg sich mit Thomas an, wird er in dessen Clique integriert. Irgendwann heißt es jedoch, Farbe zu bekennen.

Weniger ernst, dafür höchst amüsant daher kommt "Kebab Connection" von Anno Saul. Sein Hauptdarsteller Ibo träumt davon, den ersten deutschen Kung-Fu-Film zu drehen. Als Übung versucht der 21-Jährige sich vorab an einem Werbespot für den Dönerladen seines Onkels Ahmet und wird über Nacht zum Star seines Viertels. Doch dann eröffnet ihm seine Freundin, dass sie schwanger ist, was sowohl in ihrer als auch in seiner Familie für Komplikationen sorgt. Obendrein gerät Ibos Filmkarriere in Schieflage, nachdem der Jungfilmer sich dazu überreden lässt, einen Spot für einen mit Onkel Ahmet verfeindeten griechischen Tavernen-Besitzer zu drehen. Die Filmkomödie ist filmerisch sehr gut gemacht und zeigt - abgesehen von klamaukigen Übertreibungen - durchaus die Realität der Hamburger Multikultiszene.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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Die Spaghetti-Bande

 

Ludwigshafen. (Fast) alle Kinder lieben Spaghetti, haben Freunde, die italienisch sprechen, gehen Eis essen "beim Italiener". Aber nicht nur in den Küchen, in der gesamten Stadt Ludwigshafen finden sich 50 Jahre nach dem Anwerbeabkommen von 1955 Spuren der italienischen Einwanderung. Der Ludwigshafener Verein Kultur Rhein-Neckar wollte mehr wissen. Es fand sich eine Gruppe von fünf Kindern im Alter von 12 und 13 Jahren - die "Spaghettibande" - die von November 2004 bis Januar 2005 gemeinsam Spuren der italienischen Einwanderung suchte. Der Film, den sie gedreht haben, war dieses Frühjahr an drei Terminen im Offenen Kanal Ludwigshafen zu sehen.

Nach diesem guten und erfolgreichen Beispiel der Spurensuche hat der Verein einen Preis ausgeschrieben. Gesucht werden Forschergruppen in den 7. - 10. Klassen der Stadt, die mit verschiedenen Methoden und Medien bis Ende Juli 2005 mehr über Einwanderungszusammenhänge forschen und dies auch vermitteln soll. Träger des Projektes ist Kultur Rhein-Neckar e.V., unterstützt vom Bildungszentrum BürgerMedien und dem Offenen Kanal Ludwigshafen. Das Projekt wird von der Beauftragten für Ausländerfragen des Landes Rheinland-Pfalz, Frau Maria Weber, gefördert und von der SAP AG unterstützt. (esf)

Kontakt: Kultur Rhein-Neckar e.V., Geschäftsstelle Eleonore Hefner, Brucknerstr. 13, 67061 Ludwigshafen, Tel.: 0621/5877648 oder 0621/567266 oder 0179/9131261, Fax: 0621/562970, www.KulturRheinNeckar.de 

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Tageszeitung für Kinder

Düsseldorf. "Ich sehe das bei jeder Familie, dass die Kinder auch die Zeitung von den Eltern lesen oder, besser gesagt, versuchen zu lesen und sich bemühen, das zu verstehen", sagt Turgay Yagan. "Und deswegen habe ich auch gedacht, eine Tageszeitung für Kinder kann sich umsetzen". Er selber habe sich schon als 5-jähriger eine Kinderzeitung gewünscht. Als Erwachsener hat er das nun umgesetzt: Seit März 2005 erscheint "Meine Zeitung" als erste überregionale Tageszeitung für Kinder in Deutschland. Yagan ist Herausgeber, Chefredakteur und Inhaber der Fame Company - Medien und Veranstaltungs GmbH in Düsseldorf. Das 12-seitige Blatt bietet kindgerecht aufbereitete Nachrichten aus den klassischen Ressorts Politik, Gesellschaft, Vermischtes und Sport, dazu eine doppelseitige "Spielwiese" mit Rätseln und Spielen, ein TV-Programm, das nur Kindersendungen enthält, Horoskope für Kinder und eine Witzeseite. In kurzen Texten wird tagesaktuell erklärt, was es mit den Neuwahlen auf sich hat, wer Lafontaine ist, wie eine Kakerlakenplage entsteht und wie komplizierte Dinge aus der Technik funktionieren. Dazu gibt es ein Glossar, in dem zum Beispiel erklärt wird, was ein Außenminister zu tun hat. Es herrscht ein lockerer Umgangston, die Seiten sind bunt und unterhaltsam. Turgay Yagan, der unter anderem in Tübingen Betriebswirtschaftslehre studierte und auch Verlage in Holland und der Türkei besitzt, betont, dass Eltern und Kinder hier keine verwirrende oder beängstigende Texte, Fotos oder Werbeseiten befürchten müssen. Aber ob das Konzept genügend acht- bis dreizehnjährige Leserinnen und Leser ( bzw. deren Eltern) findet, die täglich 40 cent und eine halbe Stunde Zeit erübrigen wollen, erscheint fraglich. Zumal Kinder Nachrichten schon im Fernsehen kindgerecht vermittelt bekommen - zum Beispiel im Kinderkanal. (esf)

Bezug: Meine Zeitung, Fame Company - Medien und Veranstaltungs GmbH, Emanuel-Lentze-Str. 21, 40547 Düsseldorf, Tel.: 0211-520650, info@fame-company.de, www.mzeitung.de

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