Integration in Deutschland 2/2005, 21.Jg., 15. Juni 2005

RECHT

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Rückein-
bürgerungen

Doppelstaatlern droht Ausbürgerung

Vor der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wurde das Wählerverzeichnis korrigiert: Mehrere hundert türkischstämmige Personen mussten von der Wahl ausgeschlossen werden. Wie kam es dazu?

Das Innenministerium von Nordrhein- Westfalen (NRW) hat im April 2005 eine Briefaktion der Meldebehörden für seit 2000 in NRW eingebürgerte volljährige Türken durchführen lassen. Diese fand nach Angaben des Ministeriums eine breite Resonanz: Mehrere hundert betroffene Menschen gaben an, dass sie nach ihrer Einbürgerung wieder die türkische Staatsangehörigkeit angenommen haben. Nach dem am 1. Januar 2000 geänderten Staatsangehörigkeitsrecht ist dies nicht zulässig. Nach aktuellem Recht, nach dem doppelte Staatsbürgerschaften möglichst vermieden werden sollen, müssen ansässige Türken, die die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen, ihre türkische Staatsbürgerschaft endgültig aufgeben. Wenn sie anschließend ihre türkische Staatsangehörigkeit zurück erlangen, wird ihre deutsche Staatsbürgerschaft automatisch unwirksam, sie verlieren die mit der Einbürgerung verbundenen Rechte, unter anderem das Wahlrecht – so auch für die Landtagswahl am 22. Mai.

Bundesinnenminister Otto Schily sagte Mitte April, heimliche Rückeinbürgerungen seien schon deswegen „nicht hinnehmbar“, weil sie unter Umständen in Deutschland Wahlergebnisse beeinflussen könnten. Schily erinnerte zudem daran, dass mit dem Verlust der Staatsbürgerschaft auch der Verlust des Aufenthaltsrechts in Deutschland verbunden sei. Allerdings sollten in den Fällen, in denen deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft ihre deutsche Staatsangehörigkeit unwissentlich ungültig gemacht hätten, bei der Ausstellung neuer Aufenthaltsberechtigungen Härten vermieden werden.

Schon im Februar haben die Türkischen Sozialdemokraten in Berlin und die SPD eine schnelle gesetzliche Regelung für schätzungsweise 50.000 eingebürgerte Türken gefordert, denen der Entzug der deutschen Staatsbürgerschaft droht oder die bereits ausgebürgert wurden. Deutlich über 10.000 von ihnen leben in NRW. Sobald die deutschen Behörden von der türkischen Staatsbürgerschaft erfahren, verlieren die Einwanderer automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft. Wenn sie diese wieder erhalten wollen, müssen sie das gesamte Einbürgerungsverfahren neu durchlaufen. Bis zur erneuten Einbürgerung müssen sie eine Aufenthaltserlaubnis beantragen.

Bis 2000 war es rechtlich möglich, nach der Einbürgerung auch wieder die türkische Staatsbürgerschaft zu beantragen und zu erhalten, ohne in Deutschland automatisch ausgebürgert zu werden. Zahlreiche Einwanderer hatten diese Regelung genutzt. Aufgrund der Bearbeitungszeit der türkischen Behörden haben sie die türkische Staatsbürgerschaft allerdings erst nach 2000 erhalten und damit gegen das deutsche Staatsbürgerschaftsrecht verstoßen.

„Wer die deutsche Staatsangehörigkeit verloren hat, kann auf die örtlichen Ausländer- und Einbürgerungsbehörden zählen“, sagte der damalige NRW-Innenminister Dr. Fritz Behrens. Schon Anfang Februar hatte er die kommunalen Behörden aufgefordert, in solchen Fällen wohlwollend über eine Wiedereinbürgerung oder wenigstens einen rechtmäßigen Aufenthalt zu entscheiden. Nach dem neuen Zuwanderungsrecht wird ehemaligen Deutschen ein Aufenthaltsrecht unter vereinfachten Voraussetzungen gewährt. Allerdings müssen sie innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Kenntnis vom Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit einen entsprechenden Antrag stellen. „Im Idealfall ist sogar eine rasche Wiedereinbürgerung denkbar“, sagte Behrens. Über die Möglichkeiten im Einzelfall geben die örtlich zuständigen Behörden genaue Auskunft.

Auch mehrere tausend Aussiedler aus dem Gebiet der früheren Sowjetunion sind von den Problemen betroffen, die etwa durch die Verlängerung eines russischen Passes nach dem neuen deutschen Staatsbürgerschaftsrecht automatisch als ausgebürgert gelten.

Die Türkei hat sich bereit erklärt, bei einer Rückeinbürgerung einstiger türkischer Staatsangehöriger, die unterdessen die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen haben, künftig die deutschen Behörden zu verständigen. Der türkische Innenminister Aksu kündigte nach einer Unterredung mit Bundesinnenminister Schily Mitte April 2005 in Berlin an, ein solches Informationsverfahren solle in einem bilateralen Abkommen zwischen Deutschland und der Türkei geregelt werden. Schily verlangte neben einer Regelung für die Zukunft auch eine Namensliste jener Fälle, in denen Rückeinbürgerungen stattgefunden haben. Der türkische Innenminister ließ hierzu eine Bestätigung offen. (esf/fe)

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Hamburg beginnt mit Abschiebung afghanischer Flüchtlinge

 

Hamburg. Als erstes Bundesland hat Hamburg Mitte Mai 2005 versucht, mit der Rückführung afghanischer Flüchtlinge zu beginnen. Zunächst sollten 500 allein stehende Männer zwischen 18 und 60 Jahren „zur freiwilligen Ausreise bewegt“ oder abgeschoben werden, teilte die Hamburger Innenbehörde mit. Notfalls sollen Flüchtlinge aber auch zwangsweise in ihr Heimatland zurückgeführt werden. Der von der Innenministerkonferenz beschlossene Abschiebestopp für Afghanen war am 30. April ausgelaufen. Nach Ansicht von Innensenator Udo Nagel (parteilos), der sich während einer Dienstreise in Kabul gegenüber der Deutschen Presseagentur äußerte, können Afghanen in ihr Herkunftsland zurückkehren. Sein bisheriger Eindruck nach Gesprächen mit Regierungsvertretern und Hilfsorganisationen sei „positiv“, sagte er. Der erste Versuch, ausreisepflichtige Afghanen in ihr Heimatland zurück zu fliegen, scheiterte jedoch Mitte Mai.

In Hamburg leben etwa 15.000 Afghanen. Laut Innenbehörde haben nur rund 10.000 ein Bleiberecht, 3.000 aber leben hier ohne gesicherten Aufenthalt. Hinzu kämen etwa 2.000 Menschen, deren Asylanträge noch liefen, in der Mehrzahl aber nicht anerkannt würden, so Behördensprecher Marco Haase: „Die Bewilligungsquote liegt bei zehn Prozent.“ Das Auswärtige Amt in Berlin warnt indes „dringend“ vor Reisen in das mittelasiatische Bürgerkriegsland. Dort drohten „Terroranschläge, Schießereien und Überfälle“. Die afghanische Regierung sei nicht „in der Lage, landesweite Ruhe und Ordnung zu gewährleisten“. Auch bestehe in „weiten Landesteilen keine medizinische Versorgung“. (esf)

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EUGH dringt auf Gesetz gegen Diskriminierung

 

Luxemburg. Der europäische Gerichtshof hat Deutschland verurteilt, weil es eine EU-Richtlinie gegen Diskriminierung noch nicht in geltendes Recht umgesetzt hat. Der am 28. April 2005 verkündete Richterspruch (Ratsdokument 14438/04) erging auf eine Klage der Europäischen Kommission hin. Die Umsetzungsfrist endete im Juli 2003 (vgl. AiD 1/04 und 1/05). Die Bundesregierung hatte sich vergeblich darauf berufen, dass sie mittlerweile einen Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz (ADG) verabschiedet hat. Für die Richter in Luxemburg war jedoch maßgeblich, dass bei Einreichung der Klage noch kein Gesetz verabschiedet und nach Brüssel gemeldet worden war. Seit Jahren streitet die Regierungskoalition unter anderem mit der Wirtschaft, Kirchen und der Opposition im Bundestag um das Gesetz. (esf)

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BGH-Urteil: Schily kündigt Gesetzesänderung an

 

Berlin. Der Bundesgerichtshof hat am 28. April 2005 ein Urteil des Landgerichts Darmstadt gegen einen wegen Schleusung verurteilten Angeklagten teilweise aufgehoben. „Obwohl im Zuwanderungsgesetz im Unterschied zum früheren Ausländergesetz die entsprechende Vorschrift geändert worden war, hat der Bundesgerichtshof eine Strafbarkeitslücke angenommen“, hieß es hierzu seitens des Bundesministeriums des Innern (BMI). Das Urteil wird vom BMI und dem Bundesministerium der Justiz nach Vorliegen der Urteilsgründe sorgfältig geprüft werden, hieß es weiter. „Auch wenn die Rechtsauffassung des BGH durchaus umstritten ist, wird die vom BGH angenommene Strafbarkeitslücke durch eine rasche gesetzgeberische Maßnahme geschlossen werden, damit es weder Rechtsunsicherheit noch ein Defizit bei der Bekämpfung der Schleusungskriminalität gibt,“ kündigte das Ministerium in einer Pressemitteilung an. (fe)

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Teezeremonie in Deutschland keine Kunst

 

Kassel. Eine japanische Teemeisterin darf nach einem Urteil des Bundessozialgerichts nicht in die Künstlersozialversicherung aufgenommen werden, eine sozialen Absicherung für freischaffende Künstler. Obwohl die Ausübung der Teezeremonie in Japan als Kunst gelte und eine lange Ausbildung erfordere, sei die Zeremonie nach den Kriterien der Versicherung „lediglich exotisches Brauchtum“, entschied das Kasseler Gericht am 20. Mai 2005. Die Klägerin lebt seit zehn Jahren in Deutschland und führt die Teezeremonie im Auftrag der Stadt Hannover in einem japanischen Teehaus vor. (esf)

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Die Verfassung gefährdende Aktivitäten nahmen 2004 zu

 

Berlin. Am 17. Mai 2005 hat Bundesinnenminister Otto Schily den Verfassungsschutzbericht 2004 vorgestellt (siehe auch nachfolgende Meldung). Dieser ist eine gute Quelle, um sich über den Umfang verfassungsfeindlicher Entwicklungen sowie über Ziele und Aktivitäten von wesentlichen Organisationen und Gruppierungen zu informieren. Hierzu gehören auch Gruppierungen von Migranten. Im Folgenden werden Auszüge aus der Kurzfassung des Berichtes vorgestellt.

Politisch motivierte Straf- und Gewalttaten

Das Bundeskriminalamt (BKA) registrierte für das Jahr 2004 insgesamt 21.178 (2003: 20.477) politisch motivierte Straftaten. In dieser Zahl sind 11.860 (56 %) Propagandadelikte enthalten (2003: 10.669 Delikte = 52 %). 1.800 Delikte (8,5 %) sind der politisch motivierten Gewaltkriminalität zuzuordnen (2003: 1.870 = 9,1 %). 14.183 Straftaten (67 %) wurden als extremistisch eingestuft (2003: 13.903 = 67,9 %).

Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - rechts" wurden 12.051 (2003: 10.792) Straftaten mit extremistischem Hintergrund, darunter 776 (2003: 759) Gewalttaten, erfasst. Damit stieg die Zahl der rechtsextremistischen Straftaten um 11,7 %, die der Gewalttaten um 2,2 %. Der Anteil der rechtsextremistischen Gewalttaten an der Gesamtzahl der rechtsextremistischen Straftaten beträgt 6,4 % (2003: 7 %). Bei 86,3 % (2003: 86,1 %) aller rechtsextremistischen Straftaten handelte es sich entweder um Propagandadelikte (8.337 Taten, 2003: 7.551) oder um Fälle von Volksverhetzung (2.065 Taten, 2003: 1.744). Insgesamt wurden 199 Delikte (2003: 141) im Themenfeld "Gewalttaten gegen Linksextremisten oder vermeintliche Linksextremisten" und 67 Delikte (2003: 70) im Themenfeld "Gewalttaten gegen sonstige politische Gegner" ausgewiesen.

Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Kriminalität - links" wurden 1.440 (2003: 1.459) extremistische Straftaten, darunter 521 (2003: 483) Gewalttaten, erfasst. Von den linksextremistischen Gewalttaten wurden u.a. 273 (2003: 226) Delikte im Themenfeld "Gewalttaten gegen Rechtsextremisten oder vermeintliche Rechtsextremisten" ausgewiesen.

Im Phänomenbereich "Politisch motivierte Ausländerkriminalität" wurden 461 (2003: 1.473) extremistische Straftaten, darunter 61 (2003: 88) Gewalttaten, ausgewiesen.

Rechtsextremistische Bestrebungen

Die Verfassungsschutzbehörden registrierten einen geringen Rückgang des rechtsextremistischen Personenpotenzials auf rund 40.700 (2003: 41.500). Diese Entwicklung beruht insbesondere auf Mitgliederverlusten bei der DVU und den REP. Gegenläufig war der Trend im Neonazismus. Das neonazistische Personenpotenzial ist auf rund 3.800 (2003: 3.000) Personen angewachsen. Die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten hat sich mit 10.000 auf dem Vorjahresniveau stabilisiert.

Viele Jugendliche finden den Einstieg in die gewaltorientierte rechtsextremistische Szene über die Skinheadmusik. Die Zahl der rechtsextremistischen Skinheadbands ist mit 106 (2003: 95) gegenüber dem Vorjahr angestiegen. Eine Zunahme war auch bei den rechtsextremistischen Skinheadkonzerten zu verzeichnen. 2004 fanden 137 (2003: 119) Konzerte statt. Der regionale Schwerpunkt lag mit 80 Konzerten in Ostdeutschland.

Die Neonaziszene wirkt durch ihre auf Aktionismus ausgerichtete Strategie, eine Vielzahl von Demonstrationen zu organisieren, zunehmend auf junge Leute attraktiv. Schwerpunkt der neonazistischen Agitation waren die Proteste gegen die Sozialreformen der Bundesregierung. Seit Anfang 2004 zeichnete sich eine Annäherung zwischen der NPD und Teilen der Neonaziszene ab. Führende Neonazis haben sich von der Partei organisatorisch einbinden lassen.

Der Antisemitismus spielt innerhalb des Rechtsextremismus unverändert eine bedeutende Rolle. Neben der offenen Agitation und Hetze gegen Juden hat ein "Antisemitismus der Andeutungen" zugenommen.

Die Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Homepages blieb 2004 mit 950 auf dem hohen Niveau der Vorjahre. Neben Homepages nutzen Rechtsextremisten verstärkt interaktive Dienste des Internet, um sich zu informieren oder zu diskutieren.

Sicherheitsgefährdende und extremistische Bestrebungen von Ausländern

Auch 2004 gefährdeten extremistische und terroristische Ausländergruppierungen die innere Sicherheit Deutschlands. Die größte Gefahr ging wie im Vorjahr von islamistischen Terrorgruppierungen aus, die sich dem weltweiten „Jihad" verpflichtet fühlen.

Das Mitgliederpotenzial aller 71 (2003: 70) extremistischen Ausländerorganisationen stieg leicht auf rund 57.520 (2003: 57.300) Personen an. Den 24 (2003: 24) islamistischen Organisationen haben sich rund 31.800 (2003: 30.950), d.h. ca. 1 % der über drei Millionen im Bundesgebiet lebenden Muslime angeschlossen. Der Anstieg dieses Potenzials ist auf zunehmende Aktivitäten zentralasiatischer Gruppierungen (aus Pakistan und Tschetschenien) zurückzuführen. Die Anhänger türkischer islamistischer Organisationen bildeten mit rund 27.250 (2003: 27.300) unverändert das größte Potenzial. Hiervon entfallen allein auf die türkische islamistische Organisation "Islamische Gemeinschaft Milli Görüs e.V." (IGMG) etwa 26.500 (2003: 26.500) Mitglieder. Das Personenpotenzial islamistischer Organisationen aus dem arabischen Raum ging leicht auf etwa 3.250 (2003: 3.300) zurück. Das Personenpotenzial der linksextremistischen oder linksextremistisch geprägten Ausländergruppierungen ging auf rund 17.290 (2003: 17.470), das der nationalistischen Ausländergruppierungen auf etwa 8.430 (2003: 8.880) zurück.

Die internationalen "Mujahedin"- Netzwerke in Deutschland sind nicht quantifizierbar; gleichwohl ist von entsprechenden Strukturen auszugehen. Die Anschläge von Istanbul (November 2003) und Madrid (März 2004) zeigen, dass "Al-Qaida" und "Mujahedin"-Gruppierungen Europa auch als Operationsgebiet betrachten. Auch die Bundesrepublik Deutschland ist als Teil eines weltweiten Gefahrenraumes anzusehen. Daher liegen auch deutsche Interessen und Einrichtungen im Zielspektrum islamistischer Terroristen. Diese Gefährdung ist allerdings im Vergleich zu der unverändert hohen Gefährdung, der amerikanische, israelische und jüdische sowie britische Interessen und Einrichtungen auch in Deutschland ausgesetzt sind, als nachrangig zu bewerten. Nach wie vor müssen zudem Einrichtungen anderer westlicher Alliierter der USA oder Russlands (Tschetschenienkonflikt) sowie prowestlich ausgerichteter muslimischer Staaten als gefährdet angesehen werden.

Der Irak blieb Kristallisationspunkt des aktuellen internationalen "Jihad". Die dortige Situation hatte und hat für Islamisten, insbesondere aber für "Al-Qaida" und die "Mujahedin", eine erhebliche Mobilisierungswirkung. In Afghanistan hielten die terroristischen Aktivitäten der Taliban und mit ihr verbündeter "Mujahedin" an. Am 26. November wurde eine deutsche ISAF-Patrouille Ziel eines Anschlags; drei Bundeswehr-Soldaten erlitten Verletzungen.

Die in Deutschland lebenden Anhänger der libanesischen "Hizb Allah" und der palästinensischen "Islamischen Widerstandsbewegung" (HAMAS) - beide Organisationen wenden sich gegen die Existenz des Staates Israel - hielten sich weitgehend mit öffentlichen Aktivitäten zurück.

Unter denjenigen islamistischen Gruppierungen, die auf eine langfristige Strategie der politischen Einflussnahme und gezielten Öffentlichkeitsarbeit setzen, ist die IGMG von besonderer Bedeutung. Sie unterhält nach wie vor Verbindungen zu der türkischen "Partei der Glückseligkeit" (SP), die ebenso wie die Vorgängerparteien unter erheblichem Einfluss von Necmettin Erbakan steht. Die IGMG setzte ihre islamische Bildungsarbeit fort, die sich schwerpunktmäßig an türkische Kinder und Jugendliche richtet, um diese vor einer vermeintlichen Assimilation an die deutsche Gesellschaft zu bewahren. Bildungsarbeit ist auch bei der „Islamischen Gemeinschaft in Deutschland e.V." (IGD), der in Deutschland mitgliederstärksten Organisation von Anhängern der islamistischen „Muslimbruderschaft" (MB), und den ihr angeschlossenen "Islamischen Zentren" Aktivitätsschwerpunkt.

Die antiimperialistische Agitation der türkischen linksextremistischen Organisationen richtete sich weiterhin insbesondere gegen USA und NATO. Für die "Revolutionäre Volksbefreiungspartei-Front" (DHKP-C) war darüber hinaus das Todesfasten "politischer Gefangener" in türkischen Haftanstalten ein wichtiges Agitationsthema.

Die verbotene „Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK), die derzeit als „Volkskongress Kurdistans" (KONGRA GEL) auftritt, hat den auf eine friedliche Lösung der Kurdenfrage gerichteten politischen Kurs in Europa fortgesetzt. Im Juni erklärten die „Volksverteidigungskräfte" (HPG), der militärische Arm des KONGRA GEL, den seit fünf Jahren bestehenden "einseitigen Waffenstillstand" gegenüber der Türkei allerdings für beendet, woraufhin es dort verstärkt zu Kampfhandlungen kam. Vor dem Hintergrund der Debatte über die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen zwischen der Europäischen Union und der Türkei führte der KONGRA GEL europaweit eine Kampagne durch, in der die Türkei aufgefordert wurde, ihre militärischen Operationen gegen die HPG einzustellen und die "Isolationshaft" Abdullah Öcalans zu beenden.

Ziel extremistischer iranischer Oppositionsgruppen ist nach wie vor eine grundlegende Änderung der in der Islamischen Republik Iran bestehenden Herrschaftsverhältnisse. Anhänger des „Nationalen Widerstandsrates Iran" (NWRI), des politischen Arms der "Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK), zielten primär darauf ab, eine Streichung der MEK von der EU-Liste terroristischer Organisationen zu erreichen.

Separatistische Organisationen aus Südasien, in erster Linie die „Liberation Tigers of Tamil Eelam" (LTTE) aus Sri Lanka, waren insbesondere darum bemüht, durch das Sammeln von Spendengeldern in Deutschland ihre finanzielle Basis zu stärken.

Der 291-seitige Bericht kann beim BMI bestellt oder im Internet eingesehen und heruntergeladen werden. (esf/BMI)

Bezug: Bundesministerium des Innern,
Alt-Moabit 101D, 11014 Berlin, 
Tel.: 01888 681-0, Fax: -2926,
poststelle@bmi.bund.de, http://www.bmi.bund.de/Internet/Content/
Broschueren/2005/V
erfassungsschutzbericht__2004__de.html
 

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Schily: Bekämpfung von Extremismus bleibt Kernaufgabe

 

Berlin. Der Verfassungsschutzbericht 2004 zeigt nach Auffassung von Bundesinnenminister Otto Schily, dass Deutschland Teil eines weltweiten terroristischen Gefahrenraumes ist. Eine besondere Gefährdung bestehe danach derzeit für amerikanische, britische, israelische und jüdische Einrichtungen. Aufklärung im Vorfeld und vorbeugende Abwehr seien deshalb die wichtigsten Waffen gegen Extremismus und Terrorismus, sagte Schily bei der Vorstellung des Berichts. Ihm zufolge haben sich vereinsrechtliche Organisations- und Betätigungsverbote „als besonders wirkungsvoll erwiesen". Ein wichtiger Beitrag sei das im Dezember 2004 durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigte Verbot des „Al-Aqsa e.V.". Der Verein hatte Gewalt und Terror im Nahen Osten unterstützt, indem er von ihm gesammelte Spenden an Sozialvereine weiterleitete, die der palästinensisch-islamistischen Terrororganisation Hamas zuzuordnen sind. Ein weiteres Beispiel sei das Verbot der „Yeni Akit GmbH", die die anti-jüdische und anti-westliche Hetze verbreitende Zeitung „Anadoluda Vakit" vertrieben hatte. Zu den Erfolgen deutscher Sicherheitsbehörden zählte laut Schily auch die Aufdeckung eines möglichen Anschlags auf den irakischen Ministerpräsident Allawi bei seinem Deutschland-Besuch im Dezember 2004 durch Mitglieder von „Ansar al Islam" und die Verhaftung zweier Personen, die verdächtigt werden, Selbstmordanschläge geplant zu haben.

Wie der Verfassungsschutzbericht 2004 deutlich mache, sei mit der Einrichtung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums, in dem rund 160 Spezialisten der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zusammenarbeiten, „eine neue Qualität der Terrorismusbekämpfung erreicht worden“, sagte Schily und betonte: „Die Weiterentwicklung des Instrumentariums zur Terrorismusbekämpfung bleibt eine ständige Verpflichtung." Darunter fällt auch, den Informationsaustausch durch gemeinsame Projektdateien und eine gemeinsame Indexdatei von Polizeidienststellen und Nachrichtendiensten zu optimieren.

Das am 1. Januar 2005 in Kraft getretene Aufenthaltsgesetz habe bereits Erleichterungen für die Ausweisung ausländischer Leiter verbotener Vereine, deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richtet, und geistige Brandstifter gebracht. Überlange Rechtsstreitigkeiten, wie gegen den in die Türkei abgeschobenen Führer des verbotenen „Kalifatsstaates", Metin Kaplan, würden ihm zufolge damit der Vergangenheit angehören.

Ein weiteres wesentliches Aufgabengebiet der Sicherheitsbehörden sei auch die Bekämpfung des Rechtsextremismus. Schily: „Nicht zuletzt das skandalöse Auftreten von gewählten Repräsentanten der NPD im Sächsischen Landtag hat deutlich gemacht, dass es keine Toleranz für diese Feinde der Verfassung geben kann." Der Verfassungsschutzbericht mache deutlich, dass es den Sicherheitsbehörden gelungen ist, das in der rechtsextremistischen Szene groß angekündigte „Projekt Schulhof", mit dem durch die kostenlose Verteilung von ca. 50.000 CDs mit rechtsextremistischer Musik Schülerinnen und Schüler für die Ideen der Rechtsextremisten gewonnen werden sollten, nicht zur Ausführung kommen zu lassen. Der Bundesinnenminister betonte, dass „der Grundstein für die Vermittlung unserer demokratischen Werte und die Ächtung rechtsextremistischen Gedankenguts ... vor allem in Elternhaus und Schule gelegt werden" müsse. (esf)

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BGH bestätigt Freispruch für Mzoudi

 

Karlsruhe. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat den Freispruch für Abdelghani Mzoudi, einen angeblichen Helfer der Hamburger Attentäter des 11. September 2001, bestätigt. Das Karlsruher Gericht verwarf am 8. Juni 2005 die Revision der Bundesanwaltschaft. Damit ist erstmals ein Urteil wegen der Terroranschläge in den USA rechtskräftig. Die Ankläger hatten eine Neuauflage des Prozesses gegen den unter anderem wegen Beihilfe zum Mord in mehr als 3.000 Fällen angeklagten 32-jährigen Mzoudi durchsetzen wollen. Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) hatte den Marokkaner im Februar 2004 freigesprochen.

Die Bundesanwaltschaft warf Mzoudi vor, seit dem Frühsommer 1999 zur Hamburger Terrorzelle um den Todespiloten Mohammed Atta gehört zu haben und die Gruppe bei der Vorbereitung der Anschläge unterstützt zu haben. Unter anderem soll er finanzielle Angelegenheiten der Attentäter geregelt und ihnen eine Wohnung besorgt haben. Laut OLG wurde die Tat jedoch nicht im Frühsommer 1999 in Hamburg, sondern erst Ende desselben Jahres in Afghanistan geplant. Dass Mzoudi danach in die Pläne eingeweiht worden sei, hielt das Gericht nicht für erwiesen. Der Senatsvorsitzende Klaus Tolksdorf sagte zur Begründung, der BGH habe sich nach sorgfältiger Abwägung des Für und Wider nicht dazu durchringen können, den Argumenten der Bundesanwaltschaft zu folgen. Er verdeutlichte, dass die Beweiswürdigung des erstinstanzlichen Gerichts im Revisionsverfahren beim BGH nur eingeschränkt überprüfbar sei. Nach den Maßstäben des Gerichts weise die Würdigung der Beweise durch das OLG keine Rechtsfehler auf. 

Mzoudi kehrte im Juni 2005 nach Marokko zurück und kündigte an, dagegen zu klagen, dass er in Hamburg sein Studium nicht fortsetzen darf. (esf)

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Bundesgericht hebt OVG-Urteil zum Islam-Unterricht auf

 

Leipzig. Die Entscheidung über islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen ist weiter offen. Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) in Leipzig hob am 23. Februar 2005 das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster (OVG) auf, das keinen Anspruch auf einen solchen Unterricht in Nordrhein-Westfalen vorsah. Gleichzeitig verwiesen die obersten Richter den Fall zurück nach Münster, weil ihnen die Urteilsbegründung des OVG nicht stichhaltig genug erschien. Eine inhaltliche Bewertung nahm das BVG nicht vor. Nun hat das OVG noch einmal zu entscheiden, ob die beiden klagenden Verbände - der Zentralrat der Muslime sowie der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland - als Religionsgemeinschaften anzusehen sind. Beide hatten gegen das Land Nordrhein-Westfalen geklagt. Das OVG hatte die Verbände in seinem Urteil von Dezember 2003 nicht als Religionsgemeinschaften eingestuft. Bei ihnen finde keine Pflege religiöser Angelegenheiten statt. Die Dachverbände würden keine identitätsprägend religiösen Funktionen übernehmen. Außerdem hätten sie keine natürlichen Mitglieder.

Diese Auffassung wurde von den Leipziger Richtern zurückgewiesen. Laut Grundgesetz haben Religionsgemeinschaften einen Rechtsanspruch gegen den Staat auf Einrichtung von Religionsunterricht. Auch Dachverbände könnten die Voraussetzungen für Religionsgemeinschaften bilden, wenn Gläubige auf lokaler Ebene die unentbehrliche Grundlage bildeten. Die Richter in Münster müssen nun die Struktur der einzelnen Dachverbände genau untersuchen. Religiöse Aufgaben müssten bei ihnen im Mittelpunkt stehen. Das OVG habe nun zu prüfen, ob Dachverbände nicht durch Mitgliedsorganisationen mit sozialen, kulturellen oder beruflichen Schwerpunkten geprägt würden. Ferner haben die Münsteraner Richter nach Auffassung des BVG zu überprüfen, ob die beiden klagenden Dachverbände über die bloße Interessenvertretung hinaus auch gemeinsame religiöse Überzeugungen selbstständig gestalten. Dies habe das OVG versäumt, urteilten die Leipziger Richter. Sollte das OVG zu der Entscheidung kommen, dass es sich um Religionsgemeinschaften handelt, müsse es in einem weiteren Schritt prüfen, ob die Verbände als Partner des Staates für den Religionsunterricht auftreten können oder ob es unter dem Gesichtspunkt der Verfassungstreue Bedenken gibt.

In einer ersten Reaktion sprach der Vertreter der Kläger, Janbernd Oebbecke, von einem „zwei Drittel Erfolg“. Man sei zufrieden, auch wenn kein endgültiger Durchbruch erreicht worden sei, sagte er. Beide Seiten, das Land Nordrhein-Westfalen und die Kläger, müssten nun ihre Schlüsse ziehen. So gelte es für die muslimischen Verbände, ihre Mitgliederstruktur genau zu überprüfen. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland begrüßt das Urteil und sieht sich in seiner Rechtsauffassung bestätigt, wonach auch Dachverbände Religionsgemeinschaften sein können. Man sei „der festen Überzeugung, dass die Vermittlung ethischer Inhalte des Islam durch einen deutschsprachigen Religionsunterricht und im Rahmen des Grundgesetzes unabdingbar für die Integration der muslimischen Kinder und Jugendlichen in NRW ist", hieß es in einer ersten Stellungnahme. (esf)

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Erst Sprachprüfung, dann Familiennachzug

 

Hannover. Das Land Niedersachsen will den Nachzug ausländischer Ehepartner nach Deutschland erschweren. Künftig sollten eine Sprachprüfung und ein Mindestalter von 21 Jahren im Aufenthaltsgesetz zur Vorbedingung gemacht werden, forderte Innenminister Schünemann am 09. Mai 2005. Es sei inakzeptabel und trage zur Entwicklung von Parallelgesellschaften bei, wenn hier lebende Ausländer über so genannte „Importhochzeiten wenig emanzipierte, häufig minderjährige Ehefrauen“ ohne Deutschkenntnisse nach Deutschland holten. Entsprechende Änderungen will Schünemann Innenminister Schily vorschlagen. (esf)

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