Integration in Deutschland 2/2005, 21.Jg., 15. Juni 2005

RELIGION

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Das Alevitentum als Schulfach

 

Das Ministerium für Schule, Wissenschaft und Forschung in NRW hat den Antrag der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF) zur Einführung eines alevitischen Religionsunterrichts angenommen. Nach Berlin haben damit die Bundesländer NRW, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg das Alevitentum als eine eigenständige Glaubenslehre anerkannt. In Hamburger Schulen werden seit 1998 alevitische Themen im Rahmen des interreligiösen Religionsunterrichts für alle behandelt.

Die Kultusministerien dieser Länder hatten Prof. Ursula Spuler-Stegemann damit beauftragt, über das Alevitentum ein religionswissenschaftliches Gutachten zu erstellen. Zudem sollte Prof. Stefan Muckel von der Kölner Universität feststellen, ob die AABF eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7, Abs. 3 Grundgesetzes ist. Diese Bestätigung verstärkt das Selbstbewusstsein der Aleviten und ihre Integrationsbereitschaft in die hiesige Gesellschaft.

„Beide Gutachter sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die AABF als eine Religionsgemeinschaft alle Voraussetzungen für die Einführung des alevitischen Religionsunterrichts nach Art. 7.3 erfüllt“, sagt Ismail Kaplan, der als Bildungsbeauftragter der AABF tätig ist. Weiterhin fügt er hinzu: „Unter den Aleviten besteht ein Glaubenskonsens und die Alevitische Gemeinde Deutschland (AABF) ist als eine Religionsgemeinschaft mit klarer Mitgliederstruktur tätig.“

Nach dieser Grundsatzentscheidung müssen schulorganisatorische und unterrichtsbezogene Vorbereitungen getroffen werden. In einem Zeitraum von zwei Jahren werden auf der Grundlage des alevitischen Lehrplans Lehrkräfte für diesen Unterricht fortgebildet bzw. ausgebildet.

„Allein in NRW besuchen schätzungsweise ca. 70.000 alevitische Schülerinnen und Schüler die Schulen“, sagt Ismail Kaplan. Die genaue Zahl der alevitischen Schüler müsste jedoch im nächsten Schuljahr durch die Schulstatistik erfasst werden. „Durch diese Entscheidung werde der Nachteil der alevitischen Schüler gegenüber ihren sunnitischen Mitschülern aufgehoben“, erklärt der AABF-Vorsitzende Turgut Öker. Bisher bietet die Landesregierung in den Schulen NRW seit 1999 islamische Unterweisung an, die keine alevitische Inhalte vermittelt.

„Aus der Notwendigkeit einer in der Bundesrepublik entstandenen multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft erscheint es folgerichtig, auch für die nicht unerhebliche Zahl alevitischer Kinder die Möglichkeit zu schaffen, eine Unterweisung in ihrem Glauben und seinen Traditionen zu erhalten“, antwortet der Bildungsbeauftragte Kaplan auf die Frage, warum das Alevitentum in den Schulen unterrichtet werden sollte und fügt hinzu: „Unabhängig von einem alevitischen Religionsunterricht enthält das alevitische Glaubensgebäude gerade im Hinblick auf die in ihm geforderte Gewaltfreiheit und Toleranz wertvolle Elemente, die im Rahmen eines allgemeinen Unterrichts über Ethik und vergleichende Religionswissenschaft vermittelt werden sollten.“

Selbst die türkische Regierung kann diese Tatsache nicht mehr ignorieren. Sie versucht jetzt, die alevitischen Elemente in die Religionskunde aufzunehmen, ohne eine einzige alevitische Organisation mit einzubeziehen. Ein alevitischer Religionsunterricht, der bei den Aleviten eine Unterstützung finden soll, müsste jedoch unter Beteiligung alevitischer Organisationen konzipiert werden.


Autor: Ali Sirin

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Moscheen aktiv für Berufsausbildung

 

Köln. Die Vorbeter von 750 Moscheen in Deutschland wollen türkische Jugendliche zu einer beruflichen Ausbildung motivieren. Nur 27 % der Jugendlichen mit einem türkischen Migrationshintergrund entscheiden sich in Deutschland für eine Berufsausbildung - bei den deutschen Altersgenossen sind es doppelt so viele. Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bildungsministerium, Ulrich Kasparick, zu Beginn einer Ende 2004 in Köln gestarteten Aktion. Grund dafür sei häufig Unkenntnis, eine verpasste Chance für Integration sei die Folge.

Unter dem Motto „Moscheen aktiv für Berufsausbildung“ wollen Vorbeter nach einer gezielten Schulung türkischstämmige Jugendliche ansprechen. Der an der Kampagne beteiligte Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) erklärte, die Kompetenz der Moscheen für die Werbung gerade bei der türkischstämmigen Jugend sei bedeutend. Die Organisation sehe sich als Mittler, sagte ein Vertreter der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB) als größter islamischer Verband bundesweit: „Imame und die Vorsitzenden könne hier eine Brücke schlagen“. Die Schulungsaktion soll 2005 in Städten mit hohem türkischem Bevölkerungsanteil wie Berlin, Dortmund, Frankfurt oder Hamburg weitergeführt werden. (esf)

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Christlich-islamischer Dialog

 

Berlin. Das von der Beauftragten der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration sowie REMID e.V. (Religionswissenschaftlicher Medieninformationsdienst) initiierte Netzwerk Migration und Religion will Anstöße zur Kooperation und zur Vernetzung in Arbeitsbereichen geben, die mit Religionsfragen im Zusammenhang mit Migration und Integration befasst sind. Im Februar 2005 hat das Netzwerk eine Homepage www.migration-religion.net  freigeschaltet, auf der Nutzer/innen Zugriff auf Online-Publikationen und Literaturhinweise erhalten. Ferner bietet die Webseite eine ausführliche Projektliste. (esf)

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Werteunterricht in Berlin

 

Berlin/Köln. Am 9. April 2005 haben die Delegierten des Bildungsparteitags der regierenden Berliner SPD beschlossen, im kommenden Schuljahr das Schulfach „Werteunterricht“ für alle Berliner Schülerinnen und Schüler einzuführen. Ab der siebten Klasse sollen sie in diesem religiös und weltanschaulich neutralen Pflichtfach über Lebensgestaltung, Normen und kulturell-religiöse Traditionen unterrichtet werden und sich über wesentliche Grundlagen des Zusammenlebens austauschen. Das Fach kann nicht zugunsten eines Religionsunterrichts abgewählt werden. Das Fach Religion wird es weiterhin als freiwilliges Zusatzangebot geben. Seitens der Kirchen, der Oppositionsparteien und auch einiger SPD-Politiker, unter anderem des Bundeskanzlers, gab es scharfe Kritik zu diesem - schon im Land Brandenburg lange diskutierten Thema. Unternehmensberater Michael Stuber dagegen bezeichnete die Diskussion als „grotesk“. Ihm zufolge brauche ein “multikulturelles Land wie Deutschland ... ein Verständnis der BürgerInnen für unterschiedliche Lebensformen und religiöse Hintergründe“. Das Wissen über die Eigenheiten und Traditionen anderer Kulturen helfe, „Konflikte zu vermeiden und die Akzeptanz gegenüber anderen zu erhöhen“. Die Einführung eines Werteunterrichts mit interkulturellen Elementen sei die richtige Antwort auf gesellschaftliche Veränderungen. Die „einseitige Vermittlung christlicher Werte“ würde dagegen der Vielfalt der Menschen hierzulande widersprechen. Der Charakter des Wahlfaches passe dagegen besonders gut zu dem Konzept eines „selbstbestimmten“ Lebens, argumentierte Stuber in der Mai-Ausgabe des von ihm herausgegebenen Newsletters „Ungleich besser“. (esf)

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Begegnungstage in Flensburger Moschee

 


Foto: v.l.n.r.: Nobert Schug (Stadtteilmanagement Flensburg Neustadt), Kai Schröder (Leiter des Jugendzentrums; „Projektgruppe Ausländische Arbeiterkinder e.V.“ in Flensburg), Hasan Tastan (1. Vorsitzende der DITIB Fatih-Moschee in Flensburg), Dr. Wolfgang Wodarg (SPD-MdB sowie Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates), Ali Baylan (Projektleiter Heran an die Zukunft in Flensburg), Hasan Kadiz (Imam der Türkischen Republik bei der DITIB Fatih-Moschee in Flensburg)

Flensburg. Unter dem Motto: „Tage, die nicht wie die anderen sind“, hat die Flensburger DITIB Fatih-Moschee vom 10. bis 12. Juni 2005 Tage der Begegnungen durchgeführt. In der Moschee wurden türkische Spezialitäten, Handarbeiten, Informationen über die Angebote der Moschee sowie Einblicke in den Islam und das Leben der islamischen Gemeinde in Flensburg gegeben. Hierbei ließ sich unter anderem der Bundestagsabgeordnete Dr. Wolfgang Wodarg von den Stadtteilakteuren der Flensburger Neustadt und dem Vorstand der Fatih-Moschee über ihre Zusammenarbeit berichten. Die Begegnungstage wurden begleitet durch eine Ausstellung des Projektes „Heran an die Zukunft, Berufsorientierung für türkische Jugendliche in Flensburg“. (esf)

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Garten der Religionen in Osnabrücker Gymnasium

 

Osnabrück. Die Idee war Schülern und Lehrern nach den Anschlägen des 11. September 2001 gekommen. So beteiligten sich auch alle bei der Umsetzung der „Gärten der Weltreligionen“: Schüler, Lehrer und Eltern des Osnabrücker Gymnasiums 'In der Wüste'. Tagelang legten sie sich ins Zeug, um bei der Bepflanzung der neu gestalteten Innenhöfe der Schule zu helfen. In den Monaten zuvor waren die Fachleute aktiv, haben Pflaster gelegt, Brunnen gebaut und eine Pergola errichtet. Diese Mühe zahlt sich aus: Keine sechs Monate nach der Unterzeichnung eines Fördervertrags, der dem Projekt 70.000 Euro von der Allianz Umweltstiftung zusprach, wurden die Gärten feierlich eröffnet, wie die Islamische Zeitung am 10. Juni 2005 berichtete. Die zuvor sanierungsbedürftigen Innenhöfe der Schule präsentieren sich in neuem Gewand: Ein jüdisch-christliche „Paradiesgarten“, ein fernöstlicher und ein maurischer Garten stehen nun nicht nur den Schülern des Gymnasiums, sondern auch anderen Gruppen als Orte der Begegnung sowie interreligiösen und interkulturellen Lernens offen.

Lutz Spandau, Vorstand der Allianz Umweltstiftung, freut sich über die vollendeten Gärten: „Bereits mit dem Islamischen Garten in Berlin hat die Allianz Umweltstiftung versucht, dem Auseinanderdriften der Kulturen etwas entgegen zu setzen. Da mit den Gärten der Weltreligionen der gleiche Ansatz verfolgt wird, hat sich die Stiftung gerne in Osnabrück engagiert. Besonders angetan waren wir von dem großen Engagement aller Beteiligten.“ Spandau ist zuversichtlich, dass das Projekt auch langfristig wirken kann und ein bleibender Beitrag zum besseren Verständnis anderer Kulturen und Religionen geleistet werden kann. (esf)

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Islamforen

 

70 % der repräsentativ befragten Deutschen halten Muslime für gefährlich. Gleichzeitig ziehen sich Muslime zunehmend in Nebengesellschaften zurück, islamistische Tendenzen verstärken sich bei einigen Gruppierungen. Um diesen gefährlichen Kreislauf zu durchbrechen, haben der Interkulturelle Rat, der Rat der Türkeistämmigen Staatsbürger sowie die Groeben-Stiftung nach dem 11. September 2001 angefangen, Islamforen aufzubauen. Dort können kritische Fragen des Zusammenlebens offen und kontrovers erörtert werden. Inzwischen gibt es solche Islamforen auf Bundesebene, in Hessen, Niedersachen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, in den neuen Ländern sowie in Düren (NRW) und Darmstadt-Dieburg (Hessen). Weitere Foren sind in Vorbereitung. Die Arbeit der Foren wird in der von Jürgen Micksch erstellten Publikation "Islamforen in Deutschland: Dialoge mit Muslimen" dokumentiert und bilanziert. Die 141-seitige Publikation ist über den Buchhandel zum Preis von 9,80 Euro zu bestellen. (VF)

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Kult-Touren in Berlin

 

Berlin. Die Geschichte Berlins sowie die (Schau-)Plätze der entstehenden Metropole sind an vielen Orten mit Religion und Religionen verwoben. „Heiliges“ der unterschiedlichsten Religionen kann besucht und in Begegnungen vor Ort kennen gelernt werden. Aber auch scheinbar Säkulares fordert dazu heraus, dahinter „Kult“, Symbole und Riten zu entdecken. Daher bietet die Werkstatt Religionen und Weltanschauungen geführte Stadttouren zu Orten an, die mit Religion und Religionen verwoben sind. Dazu gehören „Religion(en) mittenmang“ durch Berlin-Mitte, „Kreuz-U-quer“ zu Religionen entlang der U 1 in Kreuzberg und die Tour „Islam zum Anfassen“. (esf)

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