Integration in Deutschland 3/2005, 21.Jg., 20. September 2005

BUNDESTAGSWAHL 2005

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Das Patt von Berlin

„Der Wähler“ scheut die klare Entscheidung

Berlin. Am Tag nach der Wahl zum 16. Deutschen Bundestag 2005 steht noch nicht fest, wer Deutschland künftig regieren wird. Laut dem vorläufigen amtlichen Endergebnis, das bis Redaktionsschluss (19. September 2005) vorlag, verteilen sich die Stimmen wie folgt: Die Union kommt auf 35,2 Prozent, die SPD auf 34,3 Prozent der Stimmen. Die FDP erreicht 9,8 Prozent, die Grünen 8,1 und die Linke.PDS 8,7.

Nach den derzeitigen Zahlen wird die Union mit 225 Mandaten die stärkste Kraft im Bundestag, die SPD erreicht 222 Sitze. Das Endergebnis wird jedoch erst Anfang Oktober mit der Nachwahl in Dresden feststehen, wo über drei weitere Mandate entschieden wird. Die Wahlbeteiligung lag bundesweit bei 77,7 Prozent und damit etwas niedriger als 2002 (79,1 Prozent).

Migranten als Wähler

Insgesamt waren 61,9 Mio. Bürger zur Wahl aufgerufen. Unklar ist allerdings, wie viele eingebürgerte Personen sich darunter befinden. Seit 1967 liegt die Zahl der eingebürgerten Migranten bei rund 4 Millionen – Todesfälle oder mögliche Abwanderungen sind hier jedoch nicht eingerechnet. Schätzungen zufolge lag die Zahl wahlberechtigter türkischstämmiger Personen bei rund 600.000. Auf sie hatte Gerhard Schröder im Wahlkampf ein besonderes Augenmerk gerichtet. Noch in der letzten Wahlkampfwoche besuchte er die in Deutschland größte türkische Mediengruppe Dogan in Hessen und sicherte sich dadurch womöglich weitere Stimmen. In seiner Rede betonte er, wie wichtig ihm die Aufnahme der Türkei in die EU sei.

Über das tatsächliche Wahlverhalten von Migranten liegen so gut wie keine gesicherten Angaben vor: „Was wir an Zahlen haben, ist uralt. Beim tatsächlichen Wahlverhalten der Eingebürgerten tappen alle im Dunkeln.“, so Dirk Halm vom Essener Zentrum für Türkeistudien. Laut FAZ vom 15.9.2005 gehen Analytiker davon aus, dass mindestens 80 Prozent der türkischstämmigen Wähler zur SPD und den Grünen neigen. Laut Zeitungsberichten wählten bei der letzten Bundestagswahl 2002 60 Prozent der Türkischstämmigen die SPD und nur 12 Prozent die Union.

Miriam Gebert, isoplan

[ Seitenanfang ]


Wer gehört zum "Wahlvolk"?

 

Dass das Wahlrecht zu den grundlegenden Rechten der Demokratie gehört, ist eine Binsenweisheit. Mit ihm bestimmt das Volk als Souverän, welchen Personen und Parteien es auf befristete Zeit die Regierungsmacht anvertraut. Doch wer gehört überhaupt zum Wahlvolk? Zunächst besitzen nur deutsche Staatsangehörige sowohl das aktive auch als das passive Wahlrecht. Für Nichtdeutsche gibt es nur sehr eingeschränkte Möglichkeiten, sich über Wahlen an den Entscheidungen zu beteiligen.

Die erleichterte Einbürgerung durch das Inkraftreten des neuen Zuwanderungsgesetzes im Januar 2005 führte immerhin zu einer größeren politischen Partizipationsmöglichkeit. Durch den direkten Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft werden den Eingebürgerten umgehend alle Wahlrechte in Deutschland anerkannt.

Das EU-Recht lässt bei bestimmten Wahlen zumindest die Unionsbürger beim Urnengang zu. Seit den Verträgen von Maastricht 1992 besitzen EU-Bürger das kommunale Wahlrecht. Laut Grundgesetz sind seitdem bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden Staatsangehörige eines EU-Landes wahlberechtigt und wählbar. Darüber hinaus können sich EU-Bürger an der Wahl des Europäischen Parlaments beteiligen.

Drittstaatsangehörige sind grundsätzlich von allen Wahlen ausgeschlossen, auch wenn sie sich dauerhaft in Deutschland niedergelassen haben.

Damit Ausländer, die schon länger in Deutschland leben, bei der Gestaltung der gesellschaftlichen Lebensbedingungen mitwirken können, wird immer wieder das Kommunalwahlrecht für diese Bevölkerungsgruppe gefordert.

Die Ausländerbeiräte stellen in vielen Städten und Gemeinden die einzige Möglichkeit einer Mitwirkung für Drittstaatsangehörige dar. Die Wahlbeteiligung und das Interesse an diesen Gremien ist jedoch in den meisten Fällen recht gering. (mg)

[ Seitenanfang ]


Integrationspolitik in den Wahl- programmen

 

Berlin. Die Bundestagswahl am 18. September gab den Anlass, die Aussagen zu Zuwanderung und Integration in den Wahlprogrammen der Parteien gegenüberzustellen. Über die Wichtigkeit einer besseren Integration von Migranten sind sich alle Parteien weitgehend einig. Allerdings gehen die Meinungen beim Thema Zuwanderung auseinander.

Das Motto des Programms der CDU/CSU lautet "Zuwanderung begrenzen, Integration stärken". Zuwanderung soll auf Mangelberufe und Spitzenkräfte beschränkt bleiben. Die Union fordert eine verpflichtende Teilnahme an Integrationskursen für Neuzuwanderer. Nachziehende Ehepaare sollen vor der Einreise Deutschkenntnisse erwerben. Für die Gewährleistung einer früheren und besseren Integration soll das Nachzugsalter für Kinder gesenkt werden.

Die SPD setzt sich vor allem für eine frühe Sprachförderung von Ausländerkindern ein, um deren Bildungschancen zu erhöhen. Der staatliche Islamunterricht auf Deutsch soll ausgeweitet werden. Besonders will die SPD Frauen ausländischer Herkunft fördern. Ziel der Integration ist die Einbürgerung. Deutschland wird zwar als "Einwanderungsland" bezeichnet, eine Ausweitung der Zuwanderung ist jedoch nicht vorgesehen. Die Zuwanderung soll gesteuert und begrenzt werden.

Das Programm von Bündnis 90/Die Grünen hält an dem Leitbild der "multikulturellen Gesellschaft" fest. Es setzt sich für ein dauerhaftes Bleiberecht für Menschen ein, die bereits seit Jahren in Deutschland leben. Zudem soll das Erlernen der deutschen Sprache gefördert werden. Das Programm sieht die Vergabe von Arbeitserlaubnissen für Jugendliche vor, die in Deutschland ihren Abschuss gemacht haben. Abschaffen wollen die Grünen die Residenzpflicht, die Ausreisezentren und das Flughafenverfahren. Einbürgerung und doppelte Staatsbürgerschaft hingegen sollen erleichtert werden.

Die FDP will sich für eine "sachliche Diskussion zum Stand der Integrationspolitik" einsetzen. Sie spricht sich für ein umfassendes Integrationskonzept für Zuwanderer und für ein kutlurelles Miteinander aus. Integrationsprobleme sollen offen diskutiert werden. Einen besonderen Stellenwert nimmt die Integration der Ausländer ein, die bereits länger in Deutschland leben. Ihnen soll ein besseres Angebot für Sprachkurse zur Verfügung gestellt werden. Eine Ausweitung der Zuwanderung sehen auch die Liberalen nicht vor.

Die Linkspartei fordert den Abschied von einer "rigorosen Abschottungspolitik". Ihre Kernforderungen sind zusätzliche gebührenfreie Sprachkurse für Einwanderer, Vereinfachungen bei der Einbürgerung und doppelten Staatsbürgerschaft sowie die Abschaffung der Abschiebehaft für Asylbewerber. Die Partei tritt für eine einheitlich gestaltete Asylpolitik in der EU ein. (mg)

[ Seitenanfang ]


Migrationspolitische Fragen an die Parteien

 

Darmstadt. Im Vorfeld der Bundestagswahlen am 18. September 2005 sind der Interkulturelle Rat, PRO ASYL und das Referat Migrationspolitik beim DGB-Bundesvorstand an die im Bundestag vertretenen Parteien herangetreten und haben nach Positionen und Vorhaben gefragt, die sie in den Themenfeldern Migration, Flucht, Integration und Bekämpfung von Rassismus nach der Bundestagswahl verwirklichen wollen. Der Fragenkatalog und die Antworten können auf der Homepage des Interkulturellen Rates eingesehen werden. (esf)

Kontakt: 
Interkultureller Rat in Deutschland e.V., Goebelstraße 21, 64293 Darmstadt, Tel.: 06151/33 99 71, Fax: 06151/3919740, info@interkultureller-rat.de, www.interkultureller-rat.de

[ Seitenanfang ]


Treffen türkeistämmiger Mandatsträgerinnen

 

Hamburg. Murat Kalmis, Ergun Can, Nebahat Güclü oder Mustafa Kara - Ihre Namen sprechen für sich: Rund fünfzig türkeistämmige MandatsträgerInnen gehören derzeit deutschen Parlamenten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene an oder vertreten Deutschland im Europäischen Parlament. Sie sind deutsche Politiker, zugleich jedoch für viele Bürgerinnen türkischer Herkunft Identifikationsfiguren und Vorbilder für politische Partizipation und Integration. Zum zweiten Mal trafen sich am 18./19. Juni auf Einladung der Körber-Stiftung und der Stiftung Mitarbeit in Bad Honnef türkeistämmige MandatsträgerInnen politischer Parteien in Deutschland. Ziel dieses nicht-öffentlichen Arbeitstreffens war ein parteiübergreifender Erfahrungsaustausch und die weitere Entwicklung des gemeinsamen Netzwerks, das Ende 2004 beim ersten Treffen in Berlin initiiert wurde. Jenseits parteipolitischer Unterschiede beschäftigten sie sich mit Themen wie dem Verhältnis von Islam und Politik, der Verbesserung der politischen Partizipation türkeistämmiger MigrantInnen und Fragen der Integration und erarbeiteten gemeinsame Positionen und Vorschläge für gesellschaftspolitische Beiträge. (esf)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.