Integration in Deutschland 4/2005, 21.Jg., 15. Dezember 2005

RECHT

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Das Nadelöhr ein klein wenig geweitet

Erste Bilanz des Zuwanderungsgesetzes

Neun Monate nachdem das Zuwanderungsgesetz in Kraft getreten ist, wurde auf dem Forum Migration 2005 in Bonn schon die erste Bilanz gezogen. Da wurden Zahlen ausgepackt, die man naturgemäß so oder so interpretieren kann.

700 Hochqualifizierte sind mit dem neuen Gesetz ins Land gekommen, darunter US-Amerikaner und Kanadier. Für Wolfgang Bosbach, stellvertretender CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, sind das eine Menge Leute und ein Zeichen, dass Deutschland von den Spitzenkräften als guter Standort empfunden wird. Für Prof. Dieter Oberndörfer ein Klacks im Vergleich zu den über 80 000 zum Teil bestens ausgebildeten Auswanderern, die jährlich Deutschland verlassen. "Das Nadelöhr wurde nur ganz wenig geöffnet", sagte er und führte das Beispiel der ausländischen Studenten an, die nach Abschluss des Studiums ein Jahr lang einen Arbeitsplatz suchen dürfen. Allerdings nur, wenn kein Deutscher oder EU-Bürger für den Job in Betracht käme. Dabei sind diese Leute schon in höchstem Maß integriert, so der Professor der Politikwissenschaften auf der von der Deutschen Welle und der Otto-Benecke-Stiftung organisierten Veranstaltung.

Zusammen mit der ehemaligen Ausländerbeauftragten und Mitglied der Süßmuth-Kommission, Cornelia Schmalz-Jacobsen, kritisierte er die nicht abgeschafften Kettenduldungen. Etwa 200.000 Flüchtlinge müssen nach wie vor alle paar Monate zum Amt und leben in ständiger Unsicherheit. Dabei sind 80 000 von ihnen mehr als 10 Jahre hier, haben Arbeit und zahlen Steuern, ihre Kinder gehen zur Schule. Zumindest für sie müsse es eine Niederlassungserlaubnis geben. Der erwartete Millionenansturm von Asylsuchenden, nachdem auch die nicht-staatliche und die geschlechtsspezifische Verfolgung anerkannt wurden, sei im Übrigen ausgeblieben, legte der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, Albert Schmid, dar. Nur 40 bzw. 70 Personen haben bisher aus diesen Gründen Anspruch auf Asyl.

Eine andere Überraschung bergen die Integrationskurse. Hier finden sich mehr Alteingesessene als ursprünglich erwartet. Bosbach freute sich besonders über die 60 Prozent Frauen, weil "die es sind, die zu Hause mit den Kindern sprechen". Die Kurse verzeichnen bundesweit etwa 100.000 Teilnehmer, kursberechtigt sind viel mehr (siehe Seite 12). Da es jedoch eine Zweijahresfrist und für Aussiedler gar keine gebe, sollte man "ein bisschen geduldig sein", appellierte Schmid.

Die maximal 600 Unterrichtsstunden und die Mittel pro Kopf sind zu knapp bemessen, kritisierten die Anbieter angesichts des sehr unterschiedlichen Bildungsniveaus der Teilnehmer. Einige müssen erst alphabetisiert werden. Aber auch wenn die Politiker Einsicht zeigten, dass eigentlich mehr Geld nötig wäre, bei der angespannten Hauhaltslage sei nichts zu machen. Trotzdem habe das Zuwanderungsgesetz die Reorganisation des Sprachangebots und vielleicht auch die gerechte Berücksichtigung aller Gruppen, also nicht nur der Aussiedler, bewirkt, meinte der Spezialist für Deutsch als Fremdsprache, Prof. Hans Reich. Durch Zwang ließe sich jedoch kaum ein Lustgefühl bei Grammatik und Wortschatz erzeugen, da sind sich die Pädagogen eigentlich einig. Das Wichtigste, so Prof. Reich, sei die Gelegenheit, das Gelernte im täglichen Reden mit den Muttersprachlern zu erproben, auf der Straße, in der Nachbarschaft oder am Arbeitsplatz - und diese Gelegenheiten muss nun mal die Aufnahme-Gesellschaft bieten.

Obwohl die deutsche Sprache allgemein als das A und O der Integration betrachtet wird, sei sie nur die eine Säule des Integrationskonzepts, betonte Schmid. Genauso wesentlich seien der berufliche Erfolg, die individuelle Beratung und die Gemeinwesenarbeit, z.B. die interkulturelle Kompetenz der Behörden und Betriebe. Mit dem Zuwanderungsgesetz werde der erste Versuch einer systematischen Integrationspolitik unternommen. (mjd)

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Deutschkenntnisse für Einbürgerung zwingend

 

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat Ende Oktober 2005 entschieden, wie gut ein Ausländer, der die deutsche Staatsangehörigkeit erlangen will, die deutsche Sprache beherrschen muss. Das Staatsangehörigkeitsgesetz macht "ausreichenden Kenntnisse" zur Voraussetzung für eine Einbürgerung. Verhandelt wurden zwei Fälle, die von der Vorinstanz gegen die Antragsteller entschieden worden waren. Beide leben und arbeiten seit 20 beziehungsweise 27 Jahren in Deutschland und sprechen deutsch. Der eine Antragsteller, ein staatenloser Araber, ist Analphabet. Der andere ist Türke, kann Deutsch lesen und genug schreiben, um etwa Formulare ausfüllen zu können. Bei Problemen helfe ihm seine 13-jährige Tochter.

Die Richter entschieden, der Antragsteller müsse "im familiär-persönlichen und im geschäftlichen Umfeld" und im "Umgang mit Behörden und Ämtern" schriftlich verkehren können. Nach Einschätzung des Gerichts ist es dafür ausreichend, wenn er dafür Texte diktieren und auf ihre Korrektheit prüfen kann. Damit gab es dem türkischen Kläger Recht und entschied gegen den Staatenlosen. Da die zuständige Einbürgerungsbehörde nicht am Verfahren beteiligt war, wurde nicht entschieden, ob diese bei der Forderung nach Deutschkenntnissen einen Ermessensspielraum ausnutzen darf oder muss. (esf)

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Kein islamischer Religions-
unterricht

 

Kassel. Vorläufig wird es keinen islamischen Religionsunterricht an hessischen Schulen geben. Das hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof im September 2005 in einem Urteil verkündet. Damit folgt das Berufungsgericht einem entsprechenden Urteil des Verwaltungsgerichtes Wiesbaden. Geklagt habe die Islamische Religionsgemeinschaft Hessen e. V. (IRH), ein seit 1997 tätiger Dachverband der verschiedensten islamischen Organisationen mit Sitz in Gießen, berichtet die "Islamische Zeitung" in Ihrer Online-Ausgabe (www.islamische-zeitung.de, 29.09.05). Schon 1998 habe der Verband einen entsprechenden Antrag beim Hessischen Kultusministerium gestellt, der nach Einholung zahlreicher Gutachten im Oktober 2001 abgelehnt wurde, so die Zeitung weiter. Nach Ansicht des Gerichts erfüllt die IRH derzeit nicht die notwendigen Voraussetzungen des verfassungsrechtlichen Begriffs einer Religionsgemeinschaft, heißt es zur Urteilsbegründung. Auch Zweifel an ihrer Verfassungstreue konnten nicht hinreichend ausgeräumt werden. Mit dem Urteil sei aber keine Entscheidung darüber getroffen, ob islamischer Religionsunterricht an staatlichen Schulen grundsätzlich möglich sei. (gh)

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Broschüre "Neuerungen im Asylverfahren"

Nürnberg. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat im Juni 2005 eine 20-seitige Broschüre "Neuerungen im Asylverfahren durch das Zuwanderungsgesetz" herausgegeben. In übersichtlich knapper Form wird über das Asylverfahren (u.a. Regelungen bei geschlechtsspezifischer Verfolgung), die Prüfung von Widerrufs- bzw. Rücknahmevoraussetzungen nach drei Jahren sowie die rechtlichen Möglichkeiten des Aufenthalts (Aufenthaltsgestattung, Aufenthaltserlaubnis, Niederlassungserlaubnis und Duldung) informiert. (esf)

Bezug: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Referat 420 - Steuerung des Asylverfahrens, Frankenstraße 210, 90461 Nürnberg, info@bamf.de, www.bamf.de 

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Einigung bei der jüdischen Zuwanderung

 

Die Innenminister von Bund und Ländern und der Zentralrat der Juden in Deutschland haben sich nach mehrmonatigen Verhandlungen im Sommer 2005 auf eine Neugestaltung der jüdischen Zuwanderung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion geeinigt. Jüdische Zuwanderer aus diesen Ländern müssen künftig eine Reihe von Kriterien erfüllen, um in Deutschland Aufnahme zu finden.

Die Innenministerkonferenz der Länder (IMK) hatte am 29.12.2004 beschlossen, die jüdische Zuwanderung aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu begrenzen. Bisher durften Juden aus dieser Region im Rahmen jährlicher Kontingente nach Deutschland kommen. Die Neuregelung erfolgte, weil die jüdische Zuwanderung seit 2005 unter das neue Zuwanderungsgesetz fällt und nicht mehr durch das Kontingentflüchtlingsgesetz geregelt wird.

Als Grund für die Einführung von Aufnahmekriterien nannten führende Politiker, dass von den seit 1991 rund 200.000 eingewanderten Juden nur rund 80.000 Mitglieder in jüdischen Gemeinden wurden. Zudem seien rund 60 % der in Deutschland lebenden jüdischen Zuwanderer auf staatliche Hilfe wie Arbeitslosengeld und Sozialhilfe angewiesen.

Die von der Innenministerkonferenz beschlossene Begrenzung wurde vom Zentralrat der Juden in Deutschland und der Union progressiver Juden in Deutschland scharf kritisiert. Sie forderten die Einführung von Übergangsregelungen etwa für Antragsteller, die bislang noch keine Aufnahmezusagen erhalten haben, sowie erleichterte Familienzusammenführungen und eine Härtefallklausel.

Mit dem Kompromiss zeigten sich alle Beteiligten zufrieden. Der Präsident des Zentralrats der Juden Paul Spiegel sprach von einem "fairen Kompromiss". Im Vergleich zum ursprünglichen Konzept von Ende 2004 habe es deutliche Nachbesserungen gegeben, erklärte Spiegel. Als Erfolg wertete der Zentralrat v.a. die vereinbarten Härtefallregeln. Der Kompromiss sichere "die für die Existenz und Zukunft der jüdischen Gemeinden so wichtige Zuwanderung von Juden aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion".

Aufnahmefähig bleiben wie bisher Personen jüdischer Nationalität im Sinne ehemaliger sowjetischer Vorschriften mit mindestens einem jüdischen Elternteil sowie deren Ehepartner und minderjährige Kinder. Künftig müssen sie aber ausreichende Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen und sich bei der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden einer Glaubens-prüfung unterziehen. Zudem sollen sie grundsätzlich in der Lage sein, ihren Lebensunterhalt eigenständig zu sichern. Dazu wird eine "Integrations- und Sozialprognose" gestellt, bei der u.a. die Berufsabschlüsse und die Gesamtsituation der Familie berücksichtigt werden.

Neu eingeführt wurde eine Härtefallklausel für die Opfer nationalsozialistischer Verfolgung sowie eine Härtefallklausel bei Familienzusammenführung. Sie beinhalten v.a. deutliche Nachweiserleichterungen und eine bevorzugte Bearbeitung der Anträge. Die neuen Aufnahmekriterien gelten für alle jüdischen Zuwanderer, die ihre Anträge nach dem 31. 12. 2004 gestellt haben. Anträge, die bis zum 1. Juli 2001 gestellt wurden, werden nach den alten Bedingungen entschieden. Für diejenigen, die ihre Anträge ab dem 1. Juli 2001 gestellt haben, gelten in Härtefällen Ausnahmen bei den verschärften Aufnahmekriterien.

Wegen des EU-Beitritts der baltischen Staaten wurde die Aufnahme jüdischer Immigranten aus diesen Ländern entsprechend einer Vereinbarung der Bundesländer beendet. Zuständig für das Aufnahmeverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Die nun geltenden Regeln werden einem intensiven Monitoring aller beteiligten Partner unterzogen und sollen nach einer Probephase von einem Jahr notfalls nachgebessert werden. (esf)

Weitere Infos: www.liberale-juden.de; www.zentralratdjuden.de; www.bamf.de/template/index_integration.htm 

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Asylwiderruf bei Regimewechsel möglich

 

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht (BVG) hat am 1. November 2005 darüber entschieden, unter welchen Voraussetzungen nach einem Regimewechsel - in diesem Fall in Afghanistan - die Anerkennung eines Asylberechtigten widerrufen werden muss. Der Kläger war 1989 nach Deutschland eingereist und war 1991 als Asylberechtigter anerkannt worden, weil er von dem früheren kommunistischen Regime politisch verfolgt worden sei. 1996 wurde er wegen Rauschgifthandels zu einer Haftstrafe verurteilt, woraufhin seine Asylanerkennung widerrufen wurde, da "in Afghanistan keine der Verfolgung fähige staatliche oder staatsähnliche Gewalt mehr vorhanden sei. Das BVG entschied nun, dass die Asylanerkennung zu widerrufen sei, wenn sich die Verhältnisse erheblich verändert haben, dass eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen ausgeschlossen ist. Sonstige, heute allgemein drohende Gefahren seien hierfür nicht relevant. Die Sache wurde zurück verwiesen (Az.: 1 C 21.04). (esf)

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Ungleichbehand-
lung ausländischer Väter gerügt

 

Karlsruhe. Die Ungleichbehandlung von Vater und Mutter bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ihr Kind ist verfassungswidrig - so entschied das Bundesverfassungsgericht (BVG) am 25. November 2005. Der Zweite Senat verlangt vom Gesetzgeber, den Gleichheitsverstoß bis Ende 2006 zu beseitigen. Bislang besteht ein Rechtsanspruch auf eine erstmalige Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für ein in Deutschland geborenes Kind nur dann, wenn die Mutter einen Aufenthaltstitel hat. Damit werden diese Kinder besser gestellt als jene, bei denen allein der Vater einen solchen ausländerrechtlichen Status hat. Diese Ungleichbehandlung ist nach Ansicht der Karlsruher Richter nicht gerechtfertigt. Verhandelt wurde der Fall eines 6-jährigen türkischen Mädchens, dessen Vater seit 25 Jahren in Deutschland lebt. Er hat seit 1989 eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, während diejenige der Mutter, die 1997 nach Deutschland gekommen war, 1998 zurückgenommen worden ist. Seitdem wird sie geduldet. Später wurde die Ehe geschieden. Obwohl der Vater das alleinige Sorgerecht hat, wurde sein für die Tochter gestellter Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, da die Mutter nicht über ein gesichertes Aufenthaltsrecht verfüge. Seine Klage dagegen blieb ohne Erfolg.

Das BVG hob nun die Entscheidungen der Verwaltungsgerichte auf, da eine Anknüpfung an das Aufenthaltsrecht der Mutter nicht zwingend erforderlich sei. Eine Gleichbehandlung beider Eltern sei ohne weiteres möglich, da der Aufenthaltsstatus des Kindes beide Eltern in gleicher Weise betreffe. Auch das Kindeswohl verlange nicht, das Kind ausschließlich der Mutter zuzuordnen: Die Interessen des Vaters dürften nicht ausgeklammert werden. Es komme heute häufiger als früher zu einer vorrangigen oder ausschließlichen Betreuung des Kindes durch den Vater. (Az.: 2 BvR 524/01) (esf)

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Erschlichener Pass

 

Karlsruhe. "Die deutsche Staatsbürgerschaft darf nicht entzogen werden", heißt es ganz eindeutig im Grundgesetz. Aber gilt dies auch für eingebürgerte Ausländer, die sich die deutsche Staatsangehörigkeit trickreich erschlichen haben? Darüber verhandelt das Bundesverfassungsgericht seit dem 22. November 2005. Geklagt hatte ein gebürtiger Nigerianer. Er war Anfang 2000 von der Stadt Pforzheim eingebürgert worden. 2002 stellte sich heraus, dass er die Behörde getäuscht hatte. Mit dem Lohnbescheid einer Gerüstbaufirma hatte er belegt, dass er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie selbst verdient. Doch der Bescheid gehörte einem Namensvetter, während der Nigerianer als Arbeitsloser lebte und sogar in Drogendelikte verwickelt war. Als der Betrug bekannt wurde, nahm die Stadt die Einbürgerung sofort zurück.

Doch der Ex-Nigerianer pochte aufs Grundgesetz. Auch ihm dürfe die deutsche Staatsangehörigkeit nicht entzogen werden, vor allem da er sonst staatenlos werden könnte. Nachdem er bei den Fachgerichten scheiterte, erhob er Verfassungsbeschwerde. Der Nigerianer ist kein Einzelfall. Jährlich kommen mehrere Dutzend Fälle vor, bei denen die Einbürgerung wegen Tricksereien rückgängig gemacht wird. Meist tauschten die Eingebürgerten dabei die eigene Identität oder Verwandtschaftsverhältnisse. Andere Ausländer hatten Strafverfahren verschwiegen oder die Tätigkeit in extremistischen Gruppen.

Die Bundesregierung betonte, die Ausländerbehörden machten von der Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft wieder zu entziehen, "sehr zurückhaltend" Gebrauch. Immerhin habe es seit 2002 mehr als 400.000 Einbürgerungen gegeben, so Ministerialdirektor Joachim Henkel vom Bundesinnenministerium. Auch einen Verstoß gegen das Grundgesetz konnte Henkel nicht erkennen: "Die Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung hatte man 1949, als die Verfassung geschrieben wurde, nicht im Blick", sagte er gegenüber dem Kölner Stadt-Anzeiger. Vielmehr habe der Parlamentarische Rat damals auf die willkürliche Ausbürgerung ganzer Bevölkerungsgruppen durch die Nazis und andere Diktaturen reagieren wollen. Der Schutz des Grundgesetzes gelte, so Henkel, nur für die "redlich erworbene Staatsbürgerschaft". Selbst der Anwalt des Klägers räumte ein, dass der Schutz der einmal erworbenen Staatsbürgerschaft Grenzen haben muss.

Dennoch stehen die Chancen des Klägers, den Prozess zu gewinnen, nicht schlecht. Denn in der Fragerunde machten die Richter deutlich, dass ihnen zur Zeit eine eindeutige gesetzliche Grundlage fehlt. Im entsprechenden Paragrafen 17 des Staatsbürgerschaftsrechts sind zwar sechs Fälle aufgelistet, in denen der Verlust der Staatsangehörigkeit auftritt - die bewusste Täuschung von Behörden ist jedoch nicht dabei. "Kann es sein, dass eine Einbürgerung erst nach Jahrzehnten rückgängig gemacht wird, wenn der Schwindel erst so spät auffällt?", wunderte sich Richterin Gertrude Lübbe-Wolff. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung kommentierte dies wie folgt: "Eigentlich ist der Fall zu absurd um wahr zu sein". Das Urteil wird Anfang 2006 erwartet. (esf)

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Initiativen gegen Zwangsheiraten

 

Berlin/München. Der Münchener Stadtrat hat ein kommunales Programm zur Bekämpfung von Zwangsheirat beschlossen. Damit sei die bayerische Hauptstadt die erste deutsche Kommune, die sich der Problematik der Zwangsheirat annehme, so die Zeitschrift "das rathaus" in ihrer Ausgabe von Juli und August 2005. Das Ende 2004 verabschiedete Konzept ruhe auf drei Säulen: In der Präventionsarbeit würden schwerpunktmäßig Schulen, Kindertagesstätten sowie Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe angesprochen. Die zweite Säule befasse sich mit dem Thema Fortbildung und über die Informationen und Hilfsangebote der dritten Säule sollten gefährdete Mädchen und Frauen angesprochen werden. Schon zuvor hatte es auf verschiedenen politischen Ebenen Vorstöße zu diesem Thema gegeben. So hatte nach Baden-Württemberg auch das Land Berlin eine Initiative gegen Zwangsheiraten in den Bundesrat eingebracht, über die das Gremium im Juni 2005 beraten hat. Auch die Frauenrechtsorganisation "Terre des femmes" stellt unterschiedliche Angebote zum Thema zur Verfügung. Dazu gehörten zum Beispiel Arbeitsmaterialien für LehrerInnen, so "das rathaus". (gh)

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Eine Amnestie für "illegale" Migranten?

 

In Europa und den USA gibt es seit vielen Jahren das Phänomen einer (zumeist) steigenden Zahl an Zuwanderern ohne gültige Aufenthaltserlaubnis. Welche politischen Optionen und adäquate rechtliche Reaktionen sowohl humanitärer als auch kontrolltechnischer Art bestehen? Spätestens seit den Ereignissen von Ceuta und Melilla wird diese Frage intensiver diskutiert. Da ist es sehr begrüßenswert, dass Prof. Dr. Friedrich Heckmann und Tanja Wunderlich vom Europäischen Forum für Migrationsstudien (efms) in Bamberg nun eine englischsprachige Publikation "Amnsty for Illegal Migrants" herausgegeben haben. Der Titel der 92-seitigen Publikation nimmt Bezug auf Regularisierungsprogramme in Italien, Portugal und Spanien sowie das von US-Präsident George W. Bush vorgeschlagene "Gastarbeiter" angeregt wurde. Internationale Experten erläutern diese Programme und liefern Daten und Fakten zum Thema. (esf)

Bezug: efms-Institut an der Universität Bamberg, Katharinenstraße 1, 96052 Bamberg, www.efms.de 

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Weniger Vorurteile gegen Spätaussiedler

 

Berlin. Viele Bürgerinnen und Bürger haben die Vorstellung, dass Spätaussiedler ungerechtfertigte Geldgeschenke, zinslose Darlehen zum Bauen oder hohe Entschädigungsleistungen erhalten. Dieser Beitrag vermittelt einen Überblick über die tatsächlichen Leistungen und legt gleichzeitig dar, weshalb die Angehörigen der deutschen Minderheit überhaupt Anspruch auf Unterstützung haben.

Die Angehörigen der deutschen Minderheit haben am längsten und am schwersten unter den Folgen des 2. Weltkrieges gelitten. Sie wurden als Kollaborateure und Spione der Nazis verfolgt und im Falle der Russlanddeutschen kollektiv vertrieben, obwohl sie mit Deutschland nicht einmal in Verbindung standen. Diese und die aus der kommunistischen Zeit danach herrührenden Benachteiligungen bestanden zum Teil bis in die 90er Jahre; ihre Auswirkungen - u. a. im Bildungsbereich - dauern bis heute an.

Ziel der Aussiedlerpolitik ist es deshalb, diese Benachteiligungen abbauen zu helfen und den Angehörigen der deutschen Minderheiten eine Perspektive in ihren Heimatländern zu eröffnen. Dabei verfolgt die Bundesregierung gegenüber den Staaten Mittel- und Osteuropas konsequent einen auf Aussöhnung und Verständigung gerichteten Kurs. Diese Politik der Aussöhnung zielt darauf ab, das einträchtige Zusammenleben der Völker und Kulturen weiter zu verbessern. Das kommt insbesondere auch den deutschen Minderheiten zugute, was die sinkenden Zuzugs- und Antragszahlen eindrucksvoll belegen.

Denjenigen, die eine solche Perspektive für sich und ihre Kinder nicht mehr sehen, wird die Ausreise nach Deutschland ermöglicht, wenn sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Vor diesem Hintergrund respektiert die Bundesregierung die Entscheidung jedes Einzelnen, seine Zukunft entweder in seiner derzeitigen Heimat zu gestalten oder im Rahmen der gesetzlichen Aufnahmebestimmungen nach Deutschland überzusiedeln.

In den letzten Jahren hat sich allerdings das Verhältnis zwischen Spätaussiedlern und mitreisenden Familienangehörigen umgekehrt. Zu Beginn der 90er Jahre sprachen 80 % aller Antragsteller Deutsch, sie konnten aus eigenem Recht einreisen. Heute sprechen nur noch 20 % Deutsch, 80 % sind mitreisende Familienangehörige. Trotz immer weiter abnehmender Zuzugszahlen wird die Integration deshalb immer schwieriger.

Die Bundesregierung hat mit dem Zuwanderungsgesetz reagiert. Sie hat neue Anforderungen für die Übersiedlung von Familienangehörigen von Spätaussiedlern geschaffen. Auch sie müssen in einem Test Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen. Sonst ist eine Übersiedlung für sie nur noch unter den engen Voraussetzungen des Ausländerrechts möglich. Wer also seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland sucht, der muss seit dem 01. Januar 2005 Sprachkenntnisse als Integrationsvorleistung mitbringen. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Zuwanderung sozial verträglich bleibt.

Es gibt auch aussiedlerspezifische Hilfen: Spätaussiedler erhalten einen pauschalen Ausgleich für die Kosten der Rückführung aus den Herkunftsgebieten, und zwar aus der ehemaligen Sowjetunion 102 EUR, aus Rumänien 51 EUR, aus Polen 25 EUR. Nach Eintreffen in der Erstaufnahmeeinrichtung des Bundes erhalten sie ein Betreuungsgeld von 11 EUR zum Erwerb von Dingen des täglichen Bedarfs. Außerdem werden sie bei Bedürftigkeit durch Sachleistungen der Friedlandhilfe e.V. im Wert von 25,56 EUR unterstützt.

Spätaussiedler sowie ihre Ehegatten und Abkömmlinge [im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG)] erhielten bis zum 01.01.2005 eine Eingliederungshilfe für die Dauer von sechs Monaten. Sie setzte voraus, dass der Betreffende arbeitslos ist, vor der Ausreise im Herkunftsland eine beitragspflichtige Beschäftigung ausgeübt hat, beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet war, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand und über keine anderen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausreichenden Einkünfte verfügte [Sozialgesetzbuch III (SGB III)]. Die Höhe der Eingliederungshilfe entsprach in etwa der Sozialhilfe. Daneben bestand kein Anspruch auf Sozialhilfe. Zum 01.01.2005 ist diese aussiedlerspezifische Leistung eingestellt worden.

Die Aussiedler haben nach dem Zuwanderungsgesetz Anspruch auf kostenlose Sprachförderung für die Dauer von sechs Monaten. Im "Akademikerprogramm" sind Sprachkurse und Fördermaßnahmen zur berufsspezifischen Anpassung von Hochschulabsolventen und Wissenschaftlern im Alter von dreißig bis fünfzig Jahren vorgesehen. Die Aussiedler (nicht aber deren Familienangehörige) haben einen Rentenanspruch aufgrund des Fremdrentengesetzes (FRG). Damit hat der Gesetzgeber dem Kriegsfolgenschicksal der Aussiedler Rechnung getragen. Bei allen Rentenzugängen ab dem 1. Oktober 1996 werden grundsätzlich unabhängig vom Zeitpunkt des Zuzugs die FRG-Tabellenwerte in Höhe von nur 60 % berücksichtigt. Schon vor dieser Rechtsänderung galten für Spätaussiedler Tabellenwerte in Höhe von nur 70 %. Bei Zuzug nach dem 6. Mai 1996 wird der Rentenanteil aus FRG-Zeiten auf maximal 25 Entgeltpunkte, bei Ehepaaren und eheähnlichen Gemeinschaften auf maximal 40 Entgeltpunkte begrenzt. Dies bedeutet, dass Rentenanteile aus FRG-Zeiten (Stand: Juli 2005) nur noch bis maximal 653,25 EUR (brutto) bzw. 1.045,20 EUR berücksichtigt werden. In den neuen Bundesländern sind es aufgrund des niedrigeren aktuellen Rentenwerts maximal 574,25 EUR bzw. 918,80 EUR. Von den genannten Beträgen sind noch die Eigenanteile zur Kranken- und Pflegeversicherung abzuziehen.

Spätaussiedler (nicht aber deren Familienangehörige) aus der ehemaligen UdSSR, die vor dem 1. April 1956 geboren sind und wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit politische Haft oder Verbannung erlitten haben, erhalten als Ausgleich eine einmalige Entschädigung in Höhe von 2.045,17 EUR, sofern sie vor dem 1. Januar 1946 geboren sind, 3.067,75 EUR (§ 9 Abs. 2 BVFG). Darüber hinaus gibt es keine aussiedlerspezifischen Hilfen: Zinslose oder zinsverbilligte Darlehen für den Bau bzw. für den Erwerb von Einfamilienhäusern oder Wohnungen speziell für Aussiedler gibt es nicht. Bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen können Aussiedler wie auch einheimische Deutsche oder Ausländer Gebrauch machen von Bauprogrammen der Länder und Kommunen, die für sozial schwache und kinderreiche Familien Darlehen mit Sonderkonditionen vorsehen. Nähere diesbezügliche Informationen erteilt die jeweilige Gemeinde- bzw. Stadtverwaltung.

Die Aussiedler erhalten nach Einreise keinen kostenlosen Wohnraum. Sie können jedoch wie auch einheimische Deutsche oder Ausländer bei Vorliegen entsprechender Voraussetzungen Wohngeld in Anspruch nehmen.

Die Gewährung zinsverbilligter Einrichtungsdarlehen beim erstmaligen Bezug einer ausreichenden Wohnung an Aussiedler ist mit Ablauf des 30. Novembers 1992 eingestellt worden. Die bis dahin gewährten Darlehen waren durch eine Zinssubvention des Bundes verbilligt. (gh)

(Der Text gibt eine Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 17.10.05 wider).

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