Integration in Deutschland 1/2006, 22.Jg., 31. März 2006

BESCHÄFTIGUNG

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Wer bietet weniger?

Arbeitskraft unter dem Hammer


Spargelsortierer

Leiharbeit, Zeitarbeit, Mini-Jobs, Ketten-Praktika, ABM, Scheinselbstständigkeit: Prekäre, das heißt unsichere Beschäftigungsformen breiten sich vom Rand der Arbeitsgesellschaft zur Mitte hin aus, so das Fazit einer Tagung vom DGB und der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES). Sich vom Lohn ein Häuschen zu bauen, einen Kredit aufzunehmen oder eine Familie zu gründen – die Zukunft scheint für die „Prekarier“ nicht planbar. 

Der Anteil der nicht-stabilen Arbeitsverhältnisse wird auf ca. 30 % geschätzt. Migranten sind von prekärer Beschäftigung besonders betroffen, vor allem, wenn sie einen unsicheren Aufenthaltstatus, niedrige oder keine Qualifikation oder als Drittstaater einen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt haben. Keine Anerkennung, weniger soziale Rechte und weder Politik noch Gewerkschaften fühlen sich zu-ständig, so beschreibt Prof. Klaus Dörre von der Uni Jena die Lage dieser wachsenden Gruppe.

Trotzdem sind diese Menschen mit ihrer Situation nicht unzufrieden. 60 % der von Dörre und seinen Mitarbeitern befragten Migranten meinten, einen gerechten bzw. mehr als gerechten Anteil am Lebensstandard in Deutschland erhalten zu haben. Damit sind sie fast so oft zufrieden mit dem Erreichten wie die Westdeutschen (68 %) und deutlich öfter als die Ostdeutschen (40 %). Niedrige Ansprüche oder optimistische Einstellung? Positiv blicken die Einwanderer auch in die Zukunft. Ähnliche Erfahrungen gebe es mit Jugendlichen aus Ausländerfamilien, die in berufsbildenden Maßnahmen sitzen, erzählte Prof. Dörre. Die Hoffnung auf einen regulären Job hätten sie zwar so gut wie aufgegeben, aber sie seien zuversichtlich, sich auch so durchzumogeln. Sie zählten auf die Hilfe von Familie und Nachbarschaft, um sich in der ethnischen Nische einzurichten, notfalls in der Schattenwirtschaft. Viele brächten sich schon mit Schwarzarbeit und Kleinkriminalität durch und nähmen an der Maßnahme nur teil, weil sie müssen. Von einem über den Tag hinaus reichenden Lebensplan könne keine Rede mehr sein. Die Gruppe dieser „von der offiziellen Gesellschaft Entkoppelten“ sei mit 1,7 % noch klein.

Wie klein die tatsächlichen Chancen der eingewanderten Jugendlichen auf eine betriebliche Ausbildung und damit auf einen Arbeitsplatz sind, zeigte eine weitere Tagung der FES zusammen mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Einer BIBB-Untersuchung zufolge müssen mehrere günstige Faktoren zusammentreffen, damit ein Jugendlicher eine der knappen Lehrstellen ergattern kann. Dazu zählen: eine gute Mathenote, eine bestimmte Altersgrenze und eine Region mit niedriger Arbeitslosigkeit. Wenn das stimmt, bekommt ein deutscher Schüler laut Untersuchung mit bis zu 70 % Wahrscheinlichkeit die Ausbildung, ein eingewanderter dagegen zu 44 %. Ist er türkischer Herkunft, sinken seine Chancen auf 16 %. Sollte er noch in einer Region mit hoher Arbeitslosigkeit leben, kann er nur auf ein Wunder hoffen. 

Besser sieht es bei den Seiteneinsteigern aus Aussiedlerfamilien aus, beobachten Tagungsteilnehmer: Bei den Arbeitgebern hätte sich herumgesprochen, dass sie zwar nicht so gut Deutsch sprechen, dafür aber gut rechnen können. Den Abgelehnten bleibt die außerbetriebliche Alternative. Circa 50 % der Teilnehmer an berufsvorbereitenden Maß- nahmen in Bonn seien Migranten, so der Bonner Berufsberater Gert Schlender. 

Wie man Arbeitgebern die interkulturellen Kompetenzen der Bewerber schmackhaft machen könnte, daran scheiden sich die Geister. Die wenigsten Firmen sagten offen: „Wir hätten lieber einen deutschen Azubi“, aber sie unterstellten den Nicht-Deutschen, dass sie weniger pünktlich, diszipliniert oder höflich seien. Um sie vom Gegenteil zu überzeugen, fördert die Arbeitsagentur „Schnupper-Praktika“ in den Betrieben. Praktika werden jedoch häufig missbraucht, um billige Arbeitskräfte zu bekommen. Junge Leute hangeln sich von einem schlecht bezahlten Schnupper-Job zum anderen, der angestrebte „Klebe-Effekt“ bleibt aus. Dass z.B. die deutsch-türkische Arzthelferin türkischstämmige Patienten besser beruhigt oder der Verkäufer für die Kunden dolmetscht, wüssten ihre Chefs kaum zu schätzen.

Prekäre Arbeit

In einigen Branchen gibt es neuerdings fast nur prekär Beschäftigte, so die Vertreter der Gewerkschaften. Vorreiter sei die Bauwirtschaft, so Annelie Buntenbach von der IG Bau: Entsendearbeiter, darunter viele Illegale bei den zahlreichen Subunternehmern, verdrängten zunehmend die regulär Beschäftigten, einschließlich die in Deutschland ansässigen Migranten. Entsendearbeit statt dauerhafte Migration: In diesem Fall tragen die Entsendeländer die Ausbildungs-, Invaliditäts- und Alterskosten der Arbeiter. Da sie keinen dauerhaften Aufenthaltstatus haben, haben sie auch keine sozialen Rechte, Familiennachzug ist nicht zu erwarten. Unternehmer verdienten an den Illegalen so gut wie Drogenhändler. 

Die bloße Präsenz der Entsendearbeiter „diszipliniere“ die Stammbelegschaften, indem sie ihnen vor Augen führt, wie entbehrlich sie doch sind. „Eine Rolltreppe abwärts“, so auch Klaus Schroeter von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten. Die Fleischindustrie habe in der 1970er- und 1980er-Jahren viele Gastarbeiter aus Spanien, Portugal und der Türkei beschäftigt, die ebenfalls nach und nach durch Illegale oder Entsendearbeiter aus den neuen EU-Ländern verdrängt worden seien. Das habe innerhalb von höchstens 10 Jahren die Betriebs- und Lohnstrukturen zerstört. 

Die Gewerkschaften fordern die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und die Ausweitung des Entsendegesetzes auf alle Branchen, die Arbeitgeberverbände dagegen eine stärkere Lohnspreizung im niedrigqualifizierten Bereich. Auf jeden Fall, so Leo Monz vom DGB, sollte man nicht den Einwanderern die Schuld an der Vernichtung der Normaljobs geben. Wegen Sprachbarrieren und unterschiedlichen Interessen ist die Solidarität zwischen den „privilegierten“ Einheimischen und prekären Eingereisten kaum auf traditionelle Weise zu organisieren. Die IG Bau versucht es über die Gründung einer transnationalen Gewerkschaft für Wanderarbeiter. Deren Angebot soll maßgeschneidert sein: Betreuung im Krankheitsfall, Sprachkurs und bessere Versicherung.

Die Möglichkeit auch für Privatpersonen, Arbeitskraft zu ver- und ersteigern, schafft das Internet. Der Besitzer einer 150 qm großen Wohnung will für das Anstreichen höchstens 1.250 Euro pauschal bezahlen, wer macht es für weniger? Die Betreiber von Portalen wie jobdumping.de und suchbrett.de verpflichten durch ihre AGB Bieter und Abnehmer, sich an das Tarif-, Melde- und Steuerrecht zu halten. Kontrolliert wird das freilich nicht. 


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

Die FES hat 2006 ein Gutachten zum Thema „Prekäre Arbeit“ herausgegeben. Bezug: www.fes.de 

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„Döner-Preiskrieg“

 

Hamburg. Die Konkurrenzsituation unter Döner-Kebab-Imbissen hat sich in den vergangenen Jahren offenbar verschärft. Einem Bericht des SPIEGEL (Nr. 7/2006) zufolge ist es in vielen Städten zu einer Marktsättigung sowie parallelem Abebben der Nachfrage nach Brottaschen mit Fleisch vom Spieß gekommen. Die Zahl der Döner-Imbisse wird bundesweit auf 15.000 geschätzt, während es beispielsweise lediglich 1.700 Restaurants der Fastfood-Ketten Mc Donalds und Burger-King gebe. In manchen Orten – genannt wurde das Beispiel der Kleinstadt Eisleben mit 15 Buden bei 20.000 Einwohnern – sei die Konkurrenzsituation mittlerweile so schwierig geworden, dass mit Preisen um Kunden gekämpft werde, die nicht mehr die Kosten decken. Als Hintergrund genannt wird die hohe Arbeitslosigkeit unter Türken und die fehlende Phantasie, sich in anderen Branchen selbstständig zu machen. Einzelne Institutionen fordern nach Angaben des Nachrichtenmagazins bereits einen Genehmigungsstopp. Der Preiskampf führe ferner zu einem Absinken der Qualität und erinnere an den so genannten „Brötchenkrieg“ in Deutschland, als 1976 konkurrierende Bäcker mit Dumpingpreisen um Kunden kämpften. (esf)

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Qualifizierung dringend benötigt

 

Rostock. Mehr Informationen zu Buchführung, Steuerrecht, Management und Umgang mit Behörden, halten Dreiviertel der Unternehmer mit Migrationshintergrund in Mecklenburg für wichtig oder sehr wichtig. Berufsbezogene Deutschkurse wünschen sich sogar über 80 Prozent. Dies sind nur einige der Ergebnisse, die die erste Befragung von Unternehmern ausländischer Herkunft im Mittleren Mecklenburg ans Licht brachte. Durchgeführt wurde die Erhebung vom "Beratungsnetzwerk Region Mittleres Mecklenburg" des Vereins "Diên Hông - Gemeinsam unter einem Dach e.V." im Rahmen der EQUAL-Entwicklungspartnerschaft "Pro Qualifizierung". "Es gibt bislang überhaupt keine Daten und wenig Kenntnisse über Migrantenunternehmer der Region", erläutert Netzwerkleiter Hartmut Gutsche, "entsprechend kann auf Bedürfnisse und Belange der Unternehmer nicht eingegangen werden - Maßnahmen zur Existenzsicherung, Aus- und Weiterbildung oder Expansion finden daher kaum statt."

Das soll jetzt anders werden und der Grundstein dazu wurde mit dieser ersten Erhebung gelegt. Bis Mitte Februar 2006 wurden 91 Betriebsinhaber befragt, 81 Prozent von ihnen haben einen vietnamesischen Migrationshintergrund. Weit über die Hälfte arbeitet in der Gastronomie oder betreibt einen Imbiss, etwa ein Drittel ist im Einzelhandel aktiv und nur sechs Prozent sind in Handwerk oder nichtgastronomischen Dienstleistungsbranchen angesiedelt. Neben dem Qualifizierungsbedarf und der Branchenzugehörigkeit wurden auch Betriebsgröße, Betriebsdauer, Herkunft und Alter der Inhaber, Anzahl der Mitarbeiter sowie die Ausbildungsbereitschaft in Erfahrung gebracht. Die erste Erhebung konzentrierte sich auf die Hansestadt Rostock. Bis Ende 2007 wollen Gutsche und sein Team repräsentative Daten der Region Mittleres Mecklenburg zusammentragen. "Auf Grundlage der erhobenen Daten gestalten wir im Beratungsnetzwerk unser Angebot für die Unternehmer und initiieren außerdem Qualifizierungen und Beratungen bei unseren Partnern, beispielsweise bei Weiterbildungsträgern", erläutert er. Neben den dringend erforderlichen Informationen über die Unternehmer ausländischer Herkunft, dient die Befragung auch der Kontaktaufnahme sowie der Vermittlung von weiteren Informationsangeboten. Letztendlich will das Projekt Existenzgründungen fördern, Existenzen sichern sowie Aus- und Weiterbildung in Migrantenbetrieben forcieren.

Dr. Maher Fakhouri, Dien Hong

Weitere Infos: www.dienhong.de/
Pro_Qualifizierung.562.0.html
  oder telefonisch unter 0381/ 1 28 69 70

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Resopal: Vorbild für "Together in Hessen"

 

Groß-Umstadt. Das hessische Wirtschaftsministerium hat 2006 zum vierten Mal den Wettbewerb "Together in Hessen" ausgerufen. Er richtet sich an Unternehmen, die ihre ausländischen Beschäftigten vorbildlich integrieren. "Von der Integration profitieren nicht nur die Arbeitnehmer, sondern vor allem auch die Arbeitgeber", sagte der Staatssekretär im hessischen Wirtschaftsministerium, Bernd Abeln, in einem Aufruf zur Beteiligung am Wettbewerb vor Unternehmern in Groß-Umstadt. Sie könnten die sprachlichen und kulturellen Kenntnisse ihrer internationalen Mitarbeiter gezielt einsetzen und auch wirtschaftlich von ihnen profitieren. Teilnehmer des insgesamt mit 8.500 Euro dotierten Wettbewerbs können sich bis zum 30. April bewerben. Das Ministerium prämiert drei Unternehmen, die besondere Integrationsprojekte vorweisen können. Die prämierten Konzepte sollen anderen als Vorbild dienen. Als Beispiel für ein Unternehmen mit vorbildlichem Integrationskonzept diente der Schichtplatten-Hersteller Resopal, in dessen Räumlichkeiten die Pressekonferenz zu "Together in Hessen" stattfand. Den im vergangenen Jahr erzielten Rekordumsatz von 100 Millionen Euro schrieb Geschäftsführer Donald Schäfer vor allem seiner "hochmotivierten Mannschaft" zu. Ein Großteil der 510 Mitarbeiter stammt aus dem Ausland, allein 135 Angestellte kommen aus Portugal, 100 aus der Türkei. Vor fünf Jahren gründete Schäfer das "Projekt M", das unter anderem der besseren Integration ausländischer Mitarbeiter dient. Resopal bietet Sprachkurse und Weiterbildung an und versucht im Kontakt mit internationalen Kunden die Kenntnisse der Mitarbeiter zu nutzen. Wichtig findet Schäfer vor allem, den Mitarbeitern Eigenverantwortung zu übertragen und im Gegenzug auch Verantwortung für sie und ihre Angehörigen zu übernehmen. "Wir springen auch finanziell ein, wenn ein Verwandter eines Arbeitnehmers in Portugal schwer krank wird oder ein türkischer Mitarbeiter nicht weiß, wie er die Beerdigung seines Vaters in der Heimat bezahlen soll." (esf)

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