Integration in Deutschland 1/2006, 22.Jg., 31. März 2006

KURSE / BERATUNG

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


„Schlüsselrolle“ der Mütter

Eltern- bzw. Frauen-
integrationskurse

Nicht erst seitdem die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erneut auf die Integration der Mütter gelenkt hat, wird über Möglichkeiten und Wege diskutiert, wie man Frauen im Integrationsprozess unterstützen kann. Mit ihrer Aussage, dass „den Müttern eine Schlüsselrolle für das Gelingen der Integration zukommt“, hat die Staatsministerin nun ein verstärktes Nachdenken über die besonderen Lebenswelten und Schwierigkeiten nicht nur der Mütter, sondern aller Frauen angeregt.

Auch im Rahmen der Integrationskurse des Bundesamtes gilt die Aufmerksamkeit der Zielgruppe der Frauen und ihren Besonderheiten. Bis Mitte Februar 2006 wurden 516 laufende Eltern- bzw. Frauenintegrationskurse beim Bundesamt registriert. Insgesamt 6652 Teilnehmerinnen haben sich bis zum jetzigen Zeitpunkt für diese Form des Integrationskurses entschieden, die bundesweit angeboten wird. Aber nicht nur Frauen: Auch 471 Männer haben sich entschlossen, einen Elternkurs zu besuchen.

Auch Väter nehmen teil

Eine Erklärung hierfür bietet die Definition der Zielgruppe in der Integrationskursverordnung. Danach sollen Teilnahmeberechtigte angesprochen werden, die „aus familiären oder kulturellen Gründen“ keinen allgemeinen Integrationskurs besuchen können. Zum einen spielt die Formulierung auf die Pflichten und zeitlichen Einschränkungen vieler Teilnehmer an, die durch das Vorhandensein von Kindern entstehen können. Obwohl dies in der überwiegenden Mehrheit die Mütter betrifft, die nicht nur im Umfeld von Migrantencommunities immer noch den Hauptteil der Erziehungsarbeit leisten, steht das Angebot auch erziehenden Vätern offen. Vor diesem Hintergrund würde man eher von einem Elternintegrationskurs sprechen. Zum anderen weist die Formulierung darauf hin, dass geschlechtsspezifische Beschränkungen, die aus einem bestimmten kulturellen oder religiösen Kontext erwachsen, zur Bevorzugung eines Frauenintegrationskurses führen können.

Seitens der deutschen Gesellschaft wird häufig vermutet, dass hauptsächlich diejenigen Frauen, die auf Wunsch von Dritten nicht an einem gemischtgeschlechtlichen Kurs teilnehmen möchten, sich in Frauenintegrationskursen einfinden. Bei näherer Betrachtung können die Gründe für diese Entscheidung aber sehr vielfältig sein. Gerade um Migrantinnen auf eine gleichberechtigte Teilhabe an der deutschen Gesellschaft vorzubereiten, ist es aus der Sicht des Bundesamtes wichtig, die Frauen „dort abzuholen, wo sie gerade stehen“.

Erfahrungen der Kursträger zeigen, dass es vor allem lernungewohnte Frauen sind, die, häufig im Anschluss an ein niederschwelliges Einstiegsangebot, den Frauenintegrationskurs als weiterführende Möglichkeit zum Spracherwerb wählen. Durch eine langsame Progression und eine Ausrichtung der Themen auf die Lebenswelt der Frauen erhält diese Zielgruppe eine angemessene Förderung, die so im allgemeinen Integrationskurs nicht möglich wäre.

Besonderes Lernklima

Zielgruppenspezifische Probleme können durch den Besuch eines Frauenintegrationskurses verringert werden. Dabei spielt das An-gebot der Kinderbetreuung eine wichtige Rolle, denn vielen Frauen wird erst dadurch eine Teilnahme am Kurs ermöglicht. Auch das Lernkli-ma in Frauenintegrationskursen kann sich positiv auf die Teilnehmerinnen auswirken. Lehr- kräfte bestätigen, dass Frauen untereinander eine größere Kontaktfreudigkeit und Hilfsbereitschaft entwickeln und die Bereitschaft, sich im Unterricht vor der Gruppe zu äußern, wächst. Frauenspezifische Probleme werden hier offener angesprochen, Gemeinsamkeiten in der Lebenssituation führen zu einem Gefühl der Solidarität und motivieren letztlich auch für das gemeinsame Erlernen der deutschen Sprache.

Durch spezielle Kurse können Lernerfolge erreicht werden, die sonst nicht möglich wären. Letztlich kommt dies der ganzen Gesellschaft zugute. Denn, wie Frau Böhmer betont hat, den Müttern kommt in der Familie und darüber hinaus ein besonderer Einfluss auf die nachwachsende Generation zu. Das Angebot spezifischer Integrationskurse für Frauen ist sinnvoll, weil damit Zielgruppen angesprochen werden, die im Rahmen des allgemeinen Integrationskurses nur schwer erreicht werden können.


Autorin: Erika Hoffmann, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

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Zentrale Erstanlaufstelle in München

Über die Wohlfahrtsverbände ist im Zuge der Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes ein inhaltlich und strukturell neu ausgerichtetes Erstberatungsangebot für alle erwachsenen Neuzuwanderer bereitgestellt worden. Im Blickpunkt dieser Migrationserstberatung (MEB) steht insbesondere das Ziel, die Zuwanderer rasch zu selbstständigem Handeln in allen Bereichen des täglichen Lebens zu befähigen. Durch eine gezielte Einzelfallbegleitung eröffnet dies die Möglichkeit, die Potenziale der Zuwanderer zu ermitteln, darauf aufbauend passgenaue Integrationsmaßnahmen zusammenzustellen und diese in einem Förderplan zu fixieren. Für den Einsatz qualifizierter Berater hat der Bund 2005 Mittel in Höhe von rund 28 Millionen Euro an Fördergeldern bereitgestellt. Die Träger der Beratungsstrukturen haben weitere rund 4,8 Millionen Euro an Eigenmitteln in die bundesgeförderte MEB eingebracht. Damit konnten 2005 bundesweit 545 Beraterstellen in 660 Beratungseinrichtungen gefördert werden.

In München gibt es rund 50 Integrationskursträger, die gut 310 Kurse an über 70 Kursorten anbieten. In Vollzeitstellen ausgedrückt gibt es 33 MEB. "Auf diese würden sich die Menschen aus gut 80 Nationen, die im Jahr 2005 Kurse besucht haben mehr oder weniger zufällig verteilen, würde das nicht koordiniert", erläutert Christine Müller. Die Mitarbeiterin des Migrationsdienstes des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) ist froh, dass es in München gelungen ist, im gesetzlich vorgesehenen Ablauf "zwischen die Ausländerbehörde und die Migrationserstberatung bzw. Sprachtests eine Erstanlaufstelle zu schalten". Das Modell fand allseits Anklang. Die Ausländerbehörde hatte befürchtet, dass Neuzuwanderer in der bayrischen Metropole nicht in die MEB finden, während die Wohlfahrtsverbände als Träger der MEB die Konkurrenz bei der Akquise der Klienten beenden wollten. In der Ausländerbehörde, in die jeder Neuzuwanderer zur rechtlichen Klärung seines Aufenthalts zuerst gehen muss, bekommt man nun ein Faltblatt "Neu in München?" in die Hand gedrückt. Es weist auf die Erstanlaufstelle als nächste Pflichtstation hin. Neuzuwanderer werden dort ganz allgemein (A1) über das Integrationsprogramm des BMI und seine konkrete Angebotsausformung in München informiert. Die Wahl der MEB trifft der Klient dann alleine, da Wahlfreiheit und Freiwilligkeit (A2) oberste Prinzipien sind.

In einem Haus in der Goethestraße 53 waren als Münchner Besonderheit schon immer die Migrationseinrichtungen zentral unter einem Dach untergebracht. Zwar haben alle auch Außenstellen, aber hier haben sich räumliche Nähe und Kooperationsmöglichkeiten bewährt, schildert Helmut Lehner, der schon über 20 Jahre Erfahrung hat. "Anderswo ist es eher zufällig, zu welchem Träger man geht und es gibt eine nicht zu unterschätzende Konkurrenz unter den Kursanbietern, die sich gegenseitig versuchen, Klienten abzujagen." Wichtig sei die Selbstverpflichtung, nicht auf eigene Programme hin zu beraten, sondern auf das passende - möglicherweise eines anderen Trägers.

Das Münchner Modell der kommunalen Vernetzung der MEB durch die Zwischenschaltung der Erstanlaufstelle, wird neben ähnlichen Ansätzen in Nürnberg, Stuttgart, Bielefeld und Düsseldorf vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als "best practice" angesehen. Nukleus der Erstanlaufstelle war ein Arbeitskreis verschiedener Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände unter dem Dach der Stadt München, aus dem Anfang der 1990er-Jahre die nationalitäten- und statusübergreifend arbeitende Informations- und Clearingstelle für Migranten entstand. Helmut Lehner hat jahrelang in dieser Stelle gearbeitet: "Wir haben ein Weiterverweisungsmodell aufgebaut, aber nicht wie anderswo, wo Kunden von Pontius zu Pilatus geschickt werden. Gemeinsam mit anderen Verbänden entstand die Idee, im Kreisverwaltungsreferat (KVR) eine Erstanlaufstelle zu errichten. "Die Arbeit mit der Stadt, also mit der Ausländerbehörde, ist sehr unbürokratisch. Sie kommen auf uns zu und laden uns ein. Es gibt einen hervorragenden Austausch, zum Beispiel bei Einzelfalllösungen", erzählt er. Ab Mai wird nun in der neuen Struktur gearbeitet.

Da Altansässige ohne Kontakt zur Ausländerbehörde - vor allem Menschen ohne regulären Aufenthalt oder sog. Statusdeutsche - auch Beratungsbedarf haben, machen Lehner und die BRK-Kollegen Habibullah Hamdard und Christine Müller auch "interkulturelles Guerilla-Marketing", wie sie scherzend erzählen: Sie verteilen an den Orten, an denen sich Menschen ohne Kenntnis der Strukturen aufhalten, ihre Faltblätter und mehrsprachige Flugblätter: ethnische Vereine, religiöse Gemeinschaften, Konzerte, Cafés, Lebensmittelgeschäfte, Reisebüros, Handyläden, Teleshops und Internetcafés.

Besonders am Herzen liegt Müller die Gruppe der Statusdeutschen: Menschen vor allem aus Osteuropa, die als frühere Auswanderer (oder deren Kinder und Angehörige) Deutsche, aber keine Spätaussiedler, sind. "Da sie einen deutschen Pass haben, fallen sie trotz ihrer Bedürftigkeit durch das Raster", sagt Müller. Sie müssen bei der Einreise nicht zur Ausländerbehörde, sondern nur zum Einwohnermeldeamt. Sie werden kaum betreut und haben auch kein Anrecht auf einen Sprachkurs. Die BRK-Beraterin kommt mit ihnen in Kontakt, weil sie als Slawistin Russisch gelernt hat und an Wohnheimen oder in der Goethestraße oft zufällig angesprochen wird. Andere kommen am Bahnhof an und begegnen zufällig einer Gruppe, in der Russisch gesprochen wird. Dort fragen sie dann als erstes nach, welche Infrastruktur es gibt. Einmal traf sie auf einen 30-jährigen aus Russland, der auf diesem Weg auf der Wohnungssuche zu einem Aussiedlerwohnheim verwiesen wurde, dort jedoch nicht untergebracht werden durfte. "Diese Gruppe sollte systematischer angesprochen werden", so Müller, "sonst finden sie nur zufällig den Weg in die Kurs- und Beratungsstrukturen". (esf)

Kontakt: Christine Müller, BRK-KV München, Migrationsdienst, Goethestraße 53, 80336 München, Tel.: 089-537342 oder -5328989, Fax : 089-5438876

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"Sprachkurse sollten überprüft werden"

 

Berlin. Die Wirksamkeit staatlicher Programme zur Integration von Einwanderern sollte besser überprüft werden, hat eine Gruppe Sozialwissenschaftler gefordert, die sich mit Migrationsfragen beschäftigen. Insbesondere die Sprachkurse für Einwanderer, die seit Anfang 2005 verpflichtend sind, sollten unbedingt wissenschaftlich begleitet werden. Ihr Mitte Februar vorgestelltes Memorandum "Sprache, Migration, Integration" stützt sich auf Ergebnisse einer Studie zum Thema, die der Mannheimer Professor Hartmut Esser für die "Arbeitsstelle Interkulturelle Konflikte und gesellschaftliche Integration" (AKI) am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung unternommen hat. Die 2003 gegründete AKI wird für drei Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert. Nach Aussage von Esser kann als gesichert gelten, dass Einwanderer um so besseren Zugang zu Bildung und zum Arbeitsmarkt haben, je früher sie einreisen und je länger sie bleiben. Positiv wirke ein hoher Bildungsstand der Eltern. Verfügen diese über Sprachkenntnisse, helfe es Kindern, die Landessprache zu erlernen. Wo Einwandererkinder "interethnische Kontakte" knüpfen und nicht nur mit Kindern in derselben Lage zu tun haben, erhöhten sich ihre Chancen. Die Auswirkungen guter Sprachkenntnisse auf die beruflichen Chancen sind laut Esser nicht zu überschätzen. (esf)

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Sprachtest "Deutsch plus" in Berlin

 

Berlin/Frankfurt. Minimale Verbesserungen hat der zweite Spracherhebungstest für 5-jährige Kinder, "Deutsch plus", vom Herbst 2005 ergeben. Die Sprachkenntnisse von 25.000 Kindern, die im kommenden Sommer eingeschult werden sollen, wurden geprüft. Ein Viertel von ihnen wies erhebliche Sprachdefizite auf. Am schlechtesten schnitten Kinder ab, bei denen Deutsch nicht Muttersprache ist und die nicht in Kindergärten gehen. 80 Prozent von ihnen benötigen spezielle Förderkurse, die ab Anfang Februar in Berliner Kindergärten angeboten werden. Auch zwölf Prozent der deutschen Kinder zeigten Sprachdefizite, berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 02.02.06). (esf)

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Programm "Deutsch & PC" ausgeweitet

 

Frankfurt/M. Das hessische Kultusministerium hat das Sprachförderprogramm "Deutsch & PC" auf 59 Schulen ausgeweitet und in sein Gesamtförderkonzept für Zuwandererkinder einbezogen. Das zusammen mit der gemeinnützigen Hertie-Stiftung entwickelte Programm wurde zunächst an drei Modellschulen im Frankfurter Gallusviertel und danach an zwölf weiteren hessischen Grundschulen erprobt. Es schließt direkt an die "Vorlaufkurse" für ausländische Schulanfänger an. Nach der Schulanmeldung besuchen die Kinder ab November für neun Monate den Vorlaufkurs und werden dann, falls es nötig erscheint, über mehrere Schuljahre in den kleinen Gruppen des "Deutsch & PC"-Programms gefördert. Die Stiftung investiert seit Beginn des Programms 2001 bis zum Jahr 2007 insgesamt zwei Millionen Euro, während das Kultusministerium sechs Millionen Euro aufbringt. Klassenlehrer berichteten nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 17.01.06), dass sich nicht nur die Sprachkenntnisse der Schüler, sondern auch andere grundschulrelevante Fertigkeiten gebessert hätten. Ferner wirke die Sprachförderung entlastend für die übrigen Kinder. (esf)

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