Integration in Deutschland 2/2006, 22.Jg., 30. Juni 2006

RECHT

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Anmerkungen zum Gleichbehand-
lungsgesetz

 

Wenn Rechtsanwalt Klaus Alenfelder vor Personalabteilungen über das neue Gleichbehandlungsgesetz referiert, werden die Zuhörer blass. Sie müssen auf ihre gewohnten Papiere verzichten, erklärt ihnen der Spezialist für Arbeitsrecht. Vor allem auf ein beliebtes Spiel: Bewerberfotos gucken. Die standardisierten und angeblich objektiven Einstellungstests müssen auch unter die Lupe genommen werden. In USA und anderen Ländern mit jahrzehntelanger rechtlicher Antidiskriminierungstradition sind Unterlagen ohne Angaben von Geschlecht, Alter und ethnischer Herkunft üblich. Das hat der Wirtschaft nicht geschadet - im Gegenteil. Wer nach Qualifikation statt nach seinem Bauchgefühl aussucht, bekommt auch die besten Leute.

Wer sich bei Einstellung und Beförderung wegen seiner ethnischen Herkunft, Rasse oder Religion diskriminiert fühlt, muss auch nach dem neuen Gesetzesentwurf selbst klagen, sagt Alenfelder, der auch Rechtsberater des Deutschen Antidiskriminierungsverbands ist. Ein Verband darf die Opfer beraten, aber nicht vertreten. Die angeblich neuen Rechte der Betriebsräte und Gewerkschaften gingen nicht über die bereits existierende Klausel zum Schutz des Betriebsfriedens hinaus. Die Chancen bei einem solchen Prozess ließen sich jedoch im Vorfeld gut abschätzen.

Fällt das Urteil zu Gunsten des Opfers aus, dann wird es teuer - für den Diskriminierer. Er muss Schmerzensgeld und Schadensersatz zahlen. Wer diskriminiert, soll bluten. Nach dem Prinzip will die EU nicht nur bestrafen, sondern auch abschrecken. Bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte entscheiden werden. Sie können ein Schmerzensgeld von mehreren hunderttausend Euro festlegen. Wenn der abgelehnte Migrant der bestqualifizierte Bewerber war, steht ihm ebenfalls Schadensersatz in Höhe des entgangenen Gehalts zu, und zwar solange, bis er eine adäquate Stelle gefunden hat. Als Schmerzensgeld könnten die eher konservativen deutschen Gerichte aber auch Summen festlegen, die die Arbeitgeber aus der Portokasse zahlen, befürchtet Alenfelder. Zur Zeit ist in Europa mindestens ein Jahresgehalt als Entschädigung üblich, Untergrenze 30 000 Euro, sagt Stefan Prystawik, Vorsitzender des Europäischen Antidiskriminierungsrates (European Antidiscrimination Council) in London. Wo es finanziell weh tut, habe sich die Wirtschaft - zum Wohle aller - schnell umgestellt.

Zivilrechtlich bietet das neue Gesetz wenig Schutz vor Benachteiligung. Betroffen sind nur "Massengeschäfte" ohne Ansehen der Person, etwa der Shampookauf im Supermarkt. Widrig wären allerdings die "Türken-Tarife" der Versicherungen, wenn sie keinen "sachlichen Grund", etwa durch Statistik beweisen können. Die Versicherungen haben Zeit bis Ende 2007, ihre Tarife umzustellen. Wenn es auf die Person ankommt, typisch bei der Wohnungssuche oder Kreditaufnahme, gilt das Gleichbehandlungsprinzip nicht. Deshalb können sich Migranten auf das Gesetz praktisch nur berufen, "wenn sie im Internet eine Ferienwohnung suchen", sagt Alenfelder. Die Wohnungsbaugesellschaften, die als "Massengeschäft" vermieten, dürfen ihre Nationalitätenquoten beibehalten.


Autorin: Matilda Jordanova-Duda

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Rücknahme von Einbürgerung möglich

 

Karlsruhe. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit durch Täuschung erschlichen hat, kann wieder ausgebürgert werden. Das ist nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 2006 selbst dann möglich, wenn der Betroffene dadurch staatenlos wird. Ein Vertrauensschutz sei hier nicht prioritär. Nicht einig waren sich die Richter in der Frage, auf welcher Grundlage erschlichene Einbürgerungen zurückgenommen werden können. Vier der acht Richter des zweiten Senats hielten dafür eine besondere rechtliche Regelung für notwendig, unter anderem weil es im Grundgesetz in Art. 16 heißt: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird". Die Verfassungsbeschwerde eines Mannes aus Nigeria wurde dennoch abgewiesen. Der in Pforzheim lebende Mann hatte bei seiner Einbürgerung im Jahr 2000 falsche Angaben zu seiner Identität gemacht: Zum Beleg seiner Unterhaltsfähigkeit hatte er die Lohnbescheinigung einer andern Peson vorgelegt. 2001 wurde er wegen gewerbsmäßigen Rauschgifthandels zu einer Haftstrafe verurteilt. 2002 nahm die Stadt seine Einbürgerung zurück, wogegen er Verfassungsbeschwerde einlegte. Häufig kamen solche Fälle bislang nicht vor. Seit 2002 sind in Deutschland rund 420.000 Ausländer eingebürgert worden. Nur in 84 Fällen wurde der Pass wegen Täuschung rechtskräftig wieder entzogen. (esf)

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Kopftuchverbot in NRW

 

Düsseldorf. Muslimische Lehrerinnen dürfen in nordrhein-westfälischen Schulen künftig kein Kopftuch mehr tragen. So entschied der Düsseldorfer Landtag am 31. Mai 2006 im Rahmen der Verabschiedung des ersten Teils der Schul-Novelle. Mit unverzüglicher Wirkung sind alle Kleidungsstücke und Symbole verboten, "die den Schulfrieden stören könnten". Das gleiche gelte für jedes Verhalten, das als Auftreten gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung gewertet werden kann. Anders als das Kopftuch sollen das christliche Kreuz, die Nonnentracht oder die jüdische Kippa nicht aus den Klassenzimmern verbannt werden, da sie im Einklang mit den verfassungsrechtlich verankerten christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten stünden, hieß es in der Gesetzesbegründung. Verfassungsrechtler sind nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 01.06.06) skeptisch, ob diese Position aufrecht erhalten werden kann. (esf)

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"Ehrenmord"-
Urteil

 

Berlin. Der heute 20-jährige Täter des bundesweit bekannt gewordenen "Ehrenmordes" an der 23-jährigen Deutschtürkin Hatun Sürücü im Februar 2005 in Berlin, ihr Bruder Ayhan Sürücu, wurde am 13. April 2006 vom Berliner Landgericht zu neun Jahren und drei Monaten Jugendstrafe verurteilt. Seine beiden mit angeklagten Brüder wurden mangels Beweisen freigesprochen. Aufgrund letztgenannten Freispruchs hat die Staatsanwaltschaft Revision angekündigt, da sie von einer gemeinsamen Planung der Tat ausgeht. Die milde Strafe - die Rechtsfolge für Mord lautet nach dem Strafgesetzbuch lebenslange Freiheitsstrafe - erklärt sich aus dem Alter des Täters zur Tatzeit. Der jüngste Sohn der Familie war 18 Jahre alt, aber noch nicht 21 und damit ein "Heranwachsender" im Sinne des Jugendgerichtsgesetzes. Er wurde "nach seiner sittlichen und geistigen Entwicklung" noch als einem Jugendlichen gleichzustellen eingeschätzt. Diese Praxis, die wie eine Ausnahme klingt, aber die Regel ist, wurde schon früher kritisiert. Hatun Sürücü war durch drei Schüsse aus nächster Nähe in den Kopf getötet worden. Als Motiv hatte dem Mörder der Lebensstil seiner Schwester gegolten - eine Art Hinrichtung "als Strafe für gelebtes Leben", wie das Landgericht feststellte.

Nach dem Urteilsspruch hat Berlins Innensenator Körting die Familie Sürücü aufgefordert, Deutschland zu verlassen. Nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 18.04.06) sagte er: "Wenn die Familie Sürücü wirklich Ehre am Leib hätte, dann sollte sie die Konsequenzen ziehen und die Bundesrepublik Deutschland verlassen." Körting begründete diese Aufforderung damit, dass Familien wie die Sürücüs die türkische Gemeinschaft und das Miteinander der Menschen in Berlin belasten würden. Der überwiegende Teil der türkischen Gemeinschaft missbillige die Tat. Andere Politiker sowie der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Lehmann, sprachen Menschen, die sich nicht auf die rechtlichen Verhältnisse und die Lebenswelt in Deutschland einlassen, indem sie Ehrenmorde und Heiratszwang bejahen, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland ab. Dagegen wandten sich andere Politiker gegen ausgrenzende bzw. populistische Vorschläge und mahnten an, nun müsse verhindert werden, dass einer der nächsten Verwandten der Getöteten das Sorgerecht für deren Kind erhalte. (esf)

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Zwangsehen verstoßen gegen Menschenrechte

 

Berlin. Als klaren Verstoß gegen Menschenrechte hat der Deutsche Caritasverband (DCV) am 16. Juni 2006 Zwangsverheiratungen verurteilt. In einem Positionspapier fordert der DCV dazu auf, durch Aufklärung und Beratung zur Verhinderung von Zwangsehen beizutragen sowie den Operschutz zu stärken. Aus Sicht der Caritas dürfen Maßnahmen zur Verhinderung von Zwangsehen sich nicht nur auf Mädchen und jungen Frauen als die Hauptbetroffenen beziehen, sondern müssen bei Geschlechterrollen und innerfamiliären Strukturen ansetzen. Es gelte ein Klima zu schaffen, das Zwangsverheiratungen verhindert. Dazu bedürfe es einer offensiven gesellschaftlichen Debatte, die schon in den Schulen beginnt.

Eine zentrale Forderung des Deutschen Caritasverbandes ist die Stärkung der Opfer. Diese benötigten konkrete Hilfe wie Beratungsstellen und Frauenhäuser. Dafür müssten ausreichende Mittel bereitgestellt werden. Auch die rechtliche Situation der Betroffenen müsse verbessert werden, heißt es. Wesentlich sei, dass die Opfer ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten. Sie dürften nicht an der Flucht aus der erzwungenen Ehe und der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert werden, weil sie um ihren Aufenthaltsstatus fürchten müssen.

Kritisch beurteilt die Caritas die Tatsache, dass die öffentliche Debatte zum Thema Zwangsehen bislang stark von Pauschalurteilen und Klischees beeinflusst sei. Bereits vorhandene Fremdheitsgefühle und Vorurteile würden noch verstärkt. Es sei daher eine differenzierte Herangehensweise und sachliche Berichterstattung nötig.

Das Positionspapier des DCV "Verhinderung von Zwangsehen und Stärkung des Opferschutzes" findet sich im Internet: www.caritas.de/presse/stellungnahmen. (esf)

Kontakt: Isabell Zwania, Dr. Elke Tießler-Marenda, Referat Migration und Integration, Telefon: 0761 200-331/-371; E-Mail: isabell.zwania@caritas.de; elke.tiessler-marenda@caritas.de 

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"PASSt mir"

 

Berlin. "PASSt mir"lautet das Motto einer Einbürgerungskampagne, mit der das Land Berlin in den kommenden Monaten vor allem unter jungen Migrantinnen und Migranten dafür wirbt, den deutschen Pass zu beantragen. Für die Kampagne wurden Berlinerinnen und Berliner mit Migrationshintergrund gewonnen, die auf Plakaten und in Broschüren für gesellschaftliche Teilhabe und gesellschaftliches Engagement werben. Neben einer Schülerin, Studentinnen, einem Lehrer und einem Juniorprofessor beteiligt sich auch der populäre Box-Europameister Oktay Urkal an der Kampagne. Die Kampagne wurde am 26. April 2006 durch den Beauftragten des Senats für Integration und Migration, Günter Piening, der Öffentlichkeit vorgestellt. Er erwarte von der Kampagne auch eine Stärkung des demokratischen Zusammenhalts, sagte Piening: "Der deutsche Pass hat viele Gesichter. Deutsch-Sein bestimmt sich längst nicht mehr über Herkunft, Hautfarbe oder Religion." Der Integrationsbeauftragte wies auch darauf hin, dass ein demokratisches Gemeinwesen ein großes Interesse haben müsse, aus Einwohnern gleichberechtigte Bürger zu machen. Er betonte: "Grundlage für eine demokratische und weltoffene Gesellschaft ist, dass ihre Mitglieder neben gleichen Pflichten auch gleiche Rechte besitzen und die Chance auf Teilhabe in der Gemeinschaft haben. Diese Gleichberechtigung ist erst durch die Einbürgerung garantiert. Es ist für eine Demokratie auf Dauer nicht gut, wenn ein Teil der Bewohner von Wahlen und damit von politischem Einfluss ausgeschlossen bleibt." Die zentrale Botschaft der Kampagne sei, dass Menschen mit Migrationshintergrund in Berlin gern gesehen und als respektierter Teil unserer Gesellschaft anerkannt seien, so Piening weiter. Das Einbürgerungsverfahren dürfe nicht als Mittel missbraucht werden, Einwanderer abzuschrecken oder auszugrenzen.

Berlin hat in den letzten beiden Jahren erhebliche Verbesserungen im Einbürgerungsverfahren erreicht. Im Herbst 2004 hatten der Senat und die für die Einbürgerung zuständigen Bezirke ein umfassendes Beschleunigungsprogramm beschlossen. Der hohe Bestand an unentschiedenen Anträgen sollte abgebaut und die Verfahren für die Antragssteller transparenter werden. Wer seinen Einbürgerungsantrag gestellt hat, habe inzwischen einen Anspruch darauf, nach einem halben Jahr über den Stand des Verfahrens informiert zu werden, hieß es. (esf)

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