Integration in Deutschland 3/2006, 22.Jg., 30. September 2006

RÜCKKEHRFÖRDERUNG


"Schnittmengen vergrößern"

Expertentreffen im Bundesamt

Viele auf die Integration von Migranten konzentrierte Berater sind rückkehrunterstützenden Maßnahmen gegenüber sehr reserviert. Dabei gibt es Rückkehrbewegungen – und damit auch Reintegrationsprobleme – seit Wanderungsbewegungen existieren. Schon vor 50 Jahren wurden in Deutschland die ersten (damals entwicklungspolitisch ausgerichteten) Maßnahmen zur Unterstützung von rückkehrenden Bildungs- und Arbeitsmigranten entwickelt. Heute konzentrieren sich diese auf abgelehnte Asylbewerber und Flüchtlinge, deren freiwillige Rückkehr unterstützt wird.


Tagungsleiterin Gräfin Praschma (Bundesamt) mit (v.l.n.r.) den Herren Schröder und Schürmann (BMI), Weickhardt (Vizepräsident des Bundesamtes), Köhler (ZIRF) und Hemingway (IOM)

Seit etwa zwei Jahren ist der Gedanke an eine Rückkehr auch für Arbeitsmigranten erneut zum Thema geworden. In Zeiten von Hartz IV sehen viele Arbeitslose hier keine Perspektiven mehr. Ein Expertentreffen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg vom 27. - 29. Juni 2006 zeigte, wie fruchtbar der Erfahrungsaustausch zwischen Akteuren der Maßnahmen für diese sehr unterschiedlichen Zielgruppen sein kann.

Wichtig zum Verständnis der unterschiedlichen Maßnahmen ist die begriffliche Unterscheidung zwischen Rückkehr-, Rückführungs- und Reintegrationsmaßnahmen. Während die ersten beiden der Unterstützung der freiwilligen bzw. erzwungenen Rückkehr als Wanderung an sich dienen, haben letztere das Ziel, zu einem Gelingen der konkreten Wiedereingliederung vor Ort beizutragen. Auch wenn diese Maßnahmen angesichts unterschiedlicher Akteure in der Rück-kehrpolitik oftmals isoliert nebeneinander stehen, sollten sie in der Praxis dringend miteinander verzahnt werden. Zur Begriffsklärung ist ferner festzustellen, dass beide Maßnahmetypen in der Öffentlichkeit häufig bewusst oder unbewusst missverständlich in einen falschen politischen Kontext – als Alternative, statt als Ergänzung zur Integrationspolitik – gestellt wurden.

Einigkeit bestand bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass stärker auf die Qualität der freiwilligen Rückkehr zu achten ist. Um sie noch stärker in den Blick zu nehmen, sei es nö-tig, so Gräfin Praschma, Gruppenleiterin der Ab-teilung „Internationale Aufgaben, Migrationsforschung und Grundsatzfragen“ des Bundes- amtes, „dass klare Botschaften über die Bleiberechte und Rückkehrpflichten bei den Migranten ankommen“. Ihre Beratung müsse individuell maßgeschneidert erfolgen und sich auf die Wiedereingliederung im Heimatland erstrecken. Sie regte eine Prüfung an, ob Länderprogramme aufgelegt werden könnten, die auch Auffangstrukturen im Herkunftsland vorsehen.

Ferner wurde seitens des Bundesamtes be-tont, dass die Kooperation mit Nichtregierungsorganisationen (NGO) hilfreich ist. Es müsse zu-dem „gelingen, den Dialog mit der Entwick- lungszusammenarbeit aufzunehmen, um die freiwillige Rückkehr stärker mit Reintegrationsprogrammen zu verknüpfen – die Schnittmengen müssen vergrößert werden“, so Gräfin Praschma. Auch müsse ein Weg gefunden werden, wie die Kommunen Sozialhilfeleistungen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr einsetzen können.

Sie schlug außerdem vor, die Rückkehrmotivation und Reintegrationsverläufe vor allem mit Blick auf Flüchtlinge sozialwissenschaftlich untersuchen zu lassen. Die Erfahrungen mit dem Rückkehrhilfegesetz von1983 sollten einbezogen werden. Ihr zufolge müssten zur Durchführung eines „integrierten Rückkehrmanagements“ Strukturen geschaffen werden, an denen alle Akteure von Bund und Ländern, aber auch der NGOs angemessen beteiligt werden, einschließlich der Wissenschaft. Im Rahmen dieser Strukturen seien auch Jahres- und Mehrjahresprogramme aufzustellen und abzustimmen. Sie könnten auch die Grundlage bilden für die Nutzung von EU-Förderprogrammen, insbesondere des EU-Rückkehrfonds.

In drei Arbeitsgruppen kamen die rund 50 Teilnehmer schließlich zu dem Ergebnis, dass das Bundesamt (bzw. die Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung, ZIRF) stärker als „zentrales Dach“ die Aktivitäten im Rahmen der freiwilligen Rückkehr koordinieren und steuern sollte. Eine 132-seitige Dokumentation des Treffens ist erhältlich beim Bundesamt.


Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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Historische Erfahrungen

 

Gemäß einer im Auftrag des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Mai 2006 erstellten isoplan-Expertise „Historische Erfahrungen mit Remigration und Rückkehrpolitik in der Bundesrepublik Deutschland“ lassen sich drei historische Phasen rückkehrbegleitender Maßnahmen durch Bundesministerien, Länder und Kommunen unterscheiden: Anfang der 1970er-Jahre wurde ein Instrumentarium entwicklungspolitischer Förderung der Rückwanderung und Reintegration aufgebaut, von dem heute noch das Förderprogramm der Zentralstelle für Arbeitsvermittlung (ZAV) existiert. Durch das Rückkehrhilfegesetz (RückHG) von 1983 wurden parallel arbeitsmarktpolitische Programme der Rückkehrförderung initiiert. Sie wurden insbesondere in der Türkei durch schulpolitische Maßnahmen der auswärtigen Kulturpolitik begleitet. In der Phase hohen Flüchtlingszustroms durch die Kriege im ehemaligen Jugoslawien wurden Mitte der 1990er-Jahre Maßnahmen zur Rückführung von Flüchtlingen und Asylbewerbern aufgelegt, die zum Teil bis heute existieren.

Die bisher umgesetzten Maßnahmen zur Rückkehrförderung lassen sich unterteilen in: Beratung und Information für Rückkehrinteressierte, persönliche finanzielle Anreize bzw. Unterstützungen, Ausbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zur Vorbereitung der Rückkehr, Vermittlung bzw. Schaffung von Arbeitsplätzen im Heimatland sowie Unterstützung bei der gesellschaftlichen (auch: schulischen) Reintegration.

Insgesamt konstatiert die Expertise, dass es bislang wenig Austausch zwischen den Maßnahmen der Bundesministerien und keine einheitliche umfassende Politik gebe. Zwar habe es – anders als heute – in den 1970er-Jahren ein Koordinationsgremium des BMZ und in den 1980er-Jahren einen Koordinationskreis des BMA sowie Einzelinstitutionen in der Rolle koordinierender Akteure von zusammenhängenden Maßnahmen gegeben. Es sei jedoch nie ein ressortübergreifendes Koordinationsgremium für alle Maßnahmen eingerichtet worden. Ob die 2003 beim BAMF eingerichtete Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) eine solche Rolle wird einnehmen können, sei noch nicht abzusehen.

Was die Beratungspraxis angeht, so gibt es bereits einen weitreichenden ressortübergreifenden Austausch bei der Suche nach Unterstützung für Rückkehrer, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. In den vergangenen 50 Jahren ist ein Instrumentarium entstanden, das prinzipiell für alle im rückkehr- und reintegrationspolitischen Bereich tätige Berater und Institutionen nutzbar gemacht werden könnte. (esf)

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Praxisbeispiele

Mobilitätsberatung der BA

§ 7 Rückkehrhilfe-Gesetz garantiert Ausländern das Recht auf kostenlose und unverbindliche Beratung über die Chancen und Risiken einer Rückkehr. Zur Umsetzung dieses Beratungsanspruchs wurde 1984 die "Rückkehrberatung" eingerichtet, die seitdem mehrfach reformiert wurde. Heute ist sie als "Mobilitätsberatung" bei bundesweit 15 Einrichtungen des "Europaservice" der Bundesagentur für Arbeit (ES-BA) angesiedelt (vgl. AiD 4/04). Deren kostenloses und ergebnisoffenes Beratungsangebot wird ergänzt und unterstützt durch mehrsprachige "Erstinformationen" und die "Datenbank M und I". Die Beraterinnen und Berater der ES-BA zeigen Rückkehrinteressierten, vor allem Arbeitsmigranten und ihren Familienangehörigen, Wege auf, wie sie Ihre Chancen besser nutzen können - ob sie in Deutschland bleiben wollen oder sich tatsächlich für eine Rückkehr entscheiden. (esf)

Infos: www.isoplan.de/mi 

Ein "Heimatgarten" für Flüchtlinge

Die Flüchtlingsnot durch den Krieg in Bosnien-Herzegowina war Mitte der 1990er-Jahre für einige Initiativen der Auslöser auch langfristiger reintegrationsfördernder Programme. Einer besonderen Zielgruppe nimmt sich das Projekt "Heimatgarten" der Arbeiterwohlfahrt Bremerhaven an, das seit 1998 aus dem Europäischen Flüchtlingsfonds (EFF) gefördert wird. Hier werden bundesweit rückkehrwillige alte und pflegebedürftige Menschen bei der Rückkehr unterstützt. Wie Projektleiter Volker Tegeler in Nürnberg erläuterte, wird einzelfallbezogen bei der Klärung aller Probleme der Rückkehr, Unterbringung und medizinischen Versorgung geholfen, wobei vor Ort mit Hilfseinrichtungen zusammengearbeitet wird. Für zunächst ein Jahr werden auch die Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Versorgung übernommen. Während zunächst Bosnien-Herzegowina und der Kosovo im Vordergrund standen, ist das Projekt nun weltweit tätig mit einem Pilotprojekt in West-Afrika und seit 2005 auch für Rückkehrer in 12 GUS-Staaten. (esf)

Kontakt: Heimatgarten, Am Holzhafen 11B, 27570 Bremerhaven, Tel.: 0471/9 6151 41, Fax: -44 (weitere Büros in Berlin, Bielefeld, Dorum, Frankfurt/Main und Sassnitz), www.heimatgarten.de 

10 Jahre "Coming home"

Das Sozialreferat der Stadt München konnte am 27. Juli 2006 ein ungewöhnliches 10-jähriges Jubiläum feiern: Das Projekt "Coming Home" bietet hier seit 1996 eine spezialisierte Rückkehrberatung für Flüchtlinge und Asylbewerber an, die durch den EFF und das Bayerische Sozialministerium gefördert wird. Rückkehrinteressierte erhalten eine individuelle, unverbindliche Beratung und Förderung, die ihren Bedürfnissen und Potenzialen entspricht. Auf Wunsch wird ein individuelles Rückkehrkonzept erarbeitet. Geboten wird Hilfe zur Selbsthilfe - "Perspektiven werden nicht für, sondern gemeinsam mit dem Rückkehrer entwickelt", erläutern die Projektverantwortlichen Sylvia Glaser und Marion Lich. Ziel ist eine humane Rückkehr ("freiwillige Rückkehr in Würde") und dauerhafte Reintegration. Über die Beratung hinaus zählen zu den Angeboten: die Beantragung einer Kostenübernahme für die Heimreise (über ein Programm der Internationalen Organisation für Migration, IOM); die Zahlung einer Wiedereingliederungshilfe für besonders bedürftige Personen und Familien; die Beantragung der Kostenerstattung von Medikamenten und medizinischen Hilfsmitteln; Qualifizierungsmaßnahmen zur Verbesserung der Chancen für einen beruflichen Wiedereinstieg in der Heimat; organisatorische und finanzielle Unterstützung bei Existenzgründungsvorhaben (Kurse und Zuschüsse); die Förderung von Hilfsprojekten in den Zielländern, möglichst unter Beteiligung von Rückkehrern; die Information über zusätzliche Fördermöglichkeiten anderer Hilfsorganisationen sowie die Nachbetreuung. (esf)

Kontakt: "Coming Home", LHS München, Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration, Franziskanerstraße 8, 81669 München, Tel.: 089/23340619, sylvia.glaser@muenchen.de 

Bayerische Zentrale Rückkehrberatung

Neben anderen Ländern fördert auch der Freistaat Bayern in Zusammenarbeit mit den Wohlfahrtsverbänden und dem EFF seit 2003 spezialisierte Fachberatungsstellen für Rückkehrfragen. Nach dem Vorbild des Projektes "Coming home" (siehe oben) gründete sich 2003 die erste Zentrale Rückkehrberatung für Flüchtlinge Bayerns (ZRB) für die Region Nordbayern in Nürnberg, 2004 die ZRB Südbayern in Augsburg und Ende 2004 die ZRB Westbayern in Würzburg. Hier haben sich Wohlfahrtsverbände und Bezirksregierungen zu Trägerkooperationen zusammengeschlossen, die vom EFF gefördert werden, schildert Projektleiterin Isabell Schätzlein.

Sie hat die ZRB in Würzburg mit aufgebaut und erklärt den Hintergrund: Einige Jahre vor der Gründung hatten die Ausländerbehörden Konzepte entwickelt, "mit denen sie versuchten, abgelehnte Asylbewerber schneller in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken". In Bayern erfolgte dies im Rahmen eines "Integrierten Konzepts für eine konsequente Aufenthaltsbeendigung in Bayern", erzählt sie. Dazu gehörten der Betrieb von Ausreiseeinrichtungen und die Umwandlung von Ausländerämtern in "Zentrale Rückführungsstellen". Die bisherige Zentrale Ausländerbehörde, angesiedelt an der Aufnahmeeinrichtung Würzburg, wurde so zu einer Außenstelle der "Zentralen Rückführungsstelle Nordbayern". Muttersprachliche Mitarbeiter konzentrieren sich auf ausreisepflichtige Flüchtlinge aus China, dem Maghreb sowie dem Nahen und Mittleren Osten. Durch steigenden Ausreisedruck und Schwierigkeiten im Verständnis der Förderprogramme suchten die Flüchtlinge verstärkt Sozialberater auf. Da diese jedoch kaum Kontakte in die Herkunftsländer und finanzielle Hilfen vermitteln konnten, übernahm der Caritasverband für die Diözese Würzburg e.V. die Federführung für die Einrichtung der ZRB Westbayern. Hier arbeiten nun Caritasverband, Bayerisches Rotes Kreuz und die Regierung von Unterfranken zusammen. Das aus Beratung, Qualifizierung und Direkthilfen bestehende Angebot versteht sich als "ergebnisoffene Perspektivberatung" für Flüchtlinge im Asylverfahren, die eine Duldung haben oder bleibeberechtigt sind. Ferner verstehen sie sich auch als Lobby für die Vertretung derer Probleme und Bedürfnisse u.a. gegenüber der Politik.

In den drei ZRB wird gemeinsam mit den Flüchtlingen eine Zukunftsperspektive erarbeitet. Im Falle einer Rückkehrentscheidung werden Direkthilfen geleistet, so bei der Organisation der Heimreise, Hilfe bei Krankheiten und persönlichen Schwierigkeiten, finanzielle Hilfen und Existenzgründungsförderung aus den Programmen REAG und GARP sowie Rückkehrhilfen des Freistaates Bayern, erläutert Gertraud Müller, Sozialpädagogin der ZRB Südbayern. Das Geld soll Existenzgründungsvorhaben unterstützen oder erhöhte Transportkosten ausgleichen. (esf)

Kontakt: ZRB Westbayern, Veitshöchheimer Straße 100, 97080 Würzburg, Tel.: 0931/9802-290, info@zrb-westbayern.de, www.zrb-westbayern.de 

Unterstützung von Roma aus Essen

Die Stadt Essen hat 2004 ein Rückführungs- und Reintegrationsprogramm zugunsten von Roma in Serbien begonnen, bei dem eingesparte Sozialhilfemittel für die Umsetzung praktischer Hilfen vor allem für die schulische Integration von Kindern eingesetzt werden. Hier flossen die Erfahrungen eines Vorgängerprojektes hinein, das der Caritasverband für das Erzbistum Essen von 1991-1997 für Roma aus Mazedonien durchgeführt hat, schilderte Rudi Löffelsend auf der Nürnberger Tagung. Damals blieben - unterstützt durch eine intensive Begleitung schulischer und finanzieller Art - rund 80 % der Roma in Mazedonien. Wichtig, so Löffelsend, ist bei solchen Programmen, den "Neideffekt" zu beachten und nicht nur Rückkehrfamilien, sondern auch die aufnehmende Umgebung zu unterstützen. (esf)

Kontakt: Caritasverband für das Bistum Essen e.V., Am Porscheplatz 1, 45127 Essen, Tel.: 0201/81028-0 oder 719, Fax: -222 rudi.loeffelsend@caritas-essen.de, www.caritas-essen.de 

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