Integration in Deutschland 3/2006, 22.Jg., 30. September 2006

SCHWERPUNKT: INTEGRATIONSPOLITIKEN IN EUROPA

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Integrationspolitiken

Ein europäischer Vergleich


Großbritannien: Langjährige Integrationsroutine, aber auch langjährige Segregationserfahrung

Auf einer europäischen Fachtagung diskutierten die Teilnehmer lange aneinander vorbei über das Thema „Citizenship in a multicultural society“, bis sie merkten, dass Italiener und Deutsche die Einbürgerung meinten, während Franzosen und Belgier an Bürgerrechte wie zum Beispiel das Wahlrecht dachten. Ähnliches kann passieren, wenn Niederländer und Deutsche über Integrationspolitik sprechen: die niederländische „Inburgeringspolitie“ bezieht sich auf die Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und nicht auf die Einbürgerung, und das „Inburgeringsprogram“ entspricht somit dem, was in Deutschland unter „Integrationsprogramm“ und Integrationskursen läuft.

 

Hinter diesen „faux amis“ schimmern durchaus signifikante Unterschiede im Integrationsverständnis der europäischen Staaten durch. Ein Vergleich der „Philosophien“, die sich hinter den Integrationspolitiken verstecken, funktioniert nur unter Vorbehalt: Je nachdem, über welche Einwanderungs- und Kolonialgeschichte, über welches nationalstaatliche Modell und Staatsbürgerverständnis die Staaten verfügen, wie sich ihre derzeitige Wirtschafts-, Arbeits- und Wohnungsmarktlage darstellt und wie sich die Migrantenbevölkerung zusammensetzt, haben sich unterschiedliche Integrationskonzepte und -politiken entwickelt. Bei allem Bestreben der EU-Mitgliedsstaaten, von einander zu lernen und „best practice“-Modelle zu kopieren, bleiben die Bedingungen, und damit auch die Lösungen, sehr verschieden.

Im Westen viel Neues

Frankreich, England und die Niederlande verbindet die Kolonialgeschichte und die lange Einwanderungserfahrung. Der langjährigen Integrationsroutine steht jedoch zugleich eine ausgeprägte Segregrationserfahrung gegenüber: in Frankreich durch die Wohnraumpolitik, die Migranten vielfach in die Vorstädte verbannt hat; in England und den Niederlanden durch das lange Zeit politisch geförderte Selbstverständnis von Einwanderern als Minderheiten mit starker Verwurzelung in ihrer Herkunftskultur. In der Integrationspolitik haben die drei Länder auf den ersten Blick unterschiedliche Wege eingeschlagen: Frankreich mit seiner traditionellen „Differenzblindheit“ hat jahrzehntelang vorwiegend darauf gesetzt, dass durch eine allgemeine Sozialpolitik auch die Integration von Migranten gewissermaßen von selbst „mitläuft“. Erst in den letzten Jahren hat sich hier eine Integrationspolitik mit geschärftem Profil entwickelt, die auch Elemente wie die systematische Sprachförderung für Neuzuwanderer enthält. Die aktuelle Reform des Einwanderungs- und Integrationsrechts sieht eine Orientierung hin zu einer „nützlichen“ Einwanderung von möglichst hoch Qualifizierten vor, eine restriktivere Handhabung der Familienzusammenführung und die Erfüllung von Integrationskriterien für die Verfestigung der Aufenthaltserlaubnis.

Die Niederlande mit ihrem „korporatistischen“ Staatsmodell haben lange Zeit eine Minderheitenpolitik verfolgt, die eine multikulturelle Gesellschaft schaffen und Benachteiligungen ausgleichen sollte, begleitet durch eine Gleichstellungspolitik mit erleichterter Einbürgerung, weitgehender Gleichstellung auf dem Arbeitsmarkt und raschem Zugang zum kommunalen Wahlrecht. Letztlich haben beide Konzepte, das französische wie das niederländische, in ihrem jeweiligen Kontext leidlich funktioniert – so lange die wirtschaftliche Gesamtsituation gut war. Mit schwindender Arbeitsmarktintegration bröckelte jedoch auch die soziale und politische Integration und legte die Schwachstellen in den Systemen offen: im Fall von Frankreich eine wohn- und sozialräumliche Segregation, in dem der Niederlande eine oftmals ungenügende kulturelle Integration und Identifikation der Migranten mit ihrem Aufnahmeland. Die niederländische Politik reagierte fast schon panikartig mit einer Verschärfung ihrer Einwanderungs- und Integrationspolitik: Als erstes EU-Land macht es die Visaerteilung bei Arbeitsmigration und Familienzusammenführung von guten Integrationsprognosen und Sprachkenntnissen abhängig, die bereits im Ausland getestet werden – freilich mit höchst umstrittenen Tests an Sprachcomputern. Umgekehrt zeichnen sich die Niederlande und England mit ihrer langen Integrationserfahrung darin aus, dass sie über weit entwickelte Programme, Indikatorensysteme und Evaluationserfahrungen insbesondere im Bildungsbereich verfügen. Das „ethnic monitoring“, wie es in Großbritannien heute Standard ist, hat den großen Vorteil, dass es Benachteiligungen bestimmter Migrantengruppen im Bildungssystem schnell erkennen und bearbeiten lässt.

Gut organisierter Norden

Länder wie Deutschland, Österreich, Finnland, Norwegen oder Schweden verbindet eine Migrantenbevölkerung, deren heutige Zusammensetzung in weiten Teilen auf eine frühere Anwerbepolitik und einen zeitweise hohen Zuzug von Flüchtlingen zurückzuführen ist. In Deutschland und Finnland hat zudem eine Rückwanderung eigenethnischer Gruppen aus dem Ausland stattgefunden: in Deutschland sind dies die Spätaussiedler, in Finnland die „ethnischen Finnen“ aus Russland. Die lange Zeit wenig beachtete Integrationspolitik in den skandinavischen Ländern hat konsequente und gut organisierte Programme in den Bereichen Sprachförderung und Arbeitsmarktintegration und hoch entwickelte Evaluationssysteme hervorgebracht. Die gute Absicht kann zu unerwarteten Nebeneffekten führen, die es durchaus ernst zu nehmen gilt: Neuzuwanderer in Skandinavien klagen zuweilen über „Integrationsstress“, der sie gerade am Anfang, noch während sie ihre Migrationserfahrung verarbeiten müssen, mitunter überfordert und das Lernen eher erschwert als erleichtert. Ein entscheidender Unterschied zu Deutschland offenbart sich in der Bildungspolitik: Da zeigt sich in Skandinavien, dass es der insgesamt erfolgreichen Bildungspolitik auch besser als anderen gelingt, Migrantenkinder „mitzunehmen“.

Im Süden: Wohnen vor Sprache

Die Situation der Mittelmeerländer als „Einfallstor“ nach Europa und die mitunter dramatischen Szenen vor den Küsten Italiens und Spaniens stehen ganz oben auf der Agenda der europäischen Einwanderungsdiskussion. Wenngleich die Armutsmigration aus Afrika und Südosteuropa nicht gerade die Form von Zuwanderung ist, die sich die Mittelmeerländer wünschen, bleibt dennoch die Tatsache, dass auch dort Migranten gebraucht werden. Die Regularisierungen von Hunderttausenden illegaler Einwanderer in Italien und Spanien waren denn auch vor allem ein Zugeständnis an die vielen, oftmals privaten Arbeitgeber von Kräften in Haushalt, Pflege und Landwirtschaft. Die Einsicht, dass eine geordnete Integrationspolitik unabdingbar ist, hat in Italien nach dem Regierungswechsel im Frühjahr zu einer raschen Auflösung des Reformstaus in diesem Bereich geführt. Heute sind Integrationsprogramme in Vorbereitung und das Einbürgerungsrecht wurde stark liberalisiert. Eine Studie der italienischen Caritas macht deutlich, wie unterschiedlich dennoch die Herausforderungen im Vergleich zu den „alten“ europäischen Einwanderungsländern sind: Bei einer Befragung von Migrationsdiensten und von Migranten selbst rangierte auf einer Skala von eins bis zehn das Thema „Wohnen“ an oberster Stelle, während der Erwerb der italienischen Sprache erst an vorletzter Position auftaucht. Ein Blick auf die mitunter menschenunwürdige Wohnsituation von Migranten in den Innenstädten der europäischen Mittelmeerländer lässt diese Prioritätensetzung verständlich erscheinen.

Im Osten: Integration in Wartestellung

Die osteuropäischen Länder haben mit Problemen anderer Art zu kämpfen. Auch sie erleben heute Zuwanderung – vor allem aus den GUS-Staaten, dem Nahen Osten und Südosteuropa -, aber viele Migranten betrachten Länder wie Polen, Tschechien oder die Slowakei als Transitstationen auf dem Weg nach Westen. Entsprechend gering ist ihre Integrationsmotivation. Ähnlich wie in Südeuropa ist jedoch auch hier abzusehen, dass aus den Durchgangsländern dauerhafte Aufnahmeländer werden. In Polen entwickelt eine interministerielle Projektgruppe „Integration“ derzeit Ansätze einer abgestimmten Integrationspolitik. Für an-erkannte Flüchtlinge werden bereits freiwillige Polnischkurse angeboten. Außerdem bemüht man sich um die Einbindung von Migrantenorganisationen, die dabei helfen sollen, die Integrationsbereitschaft zu fördern. Einen Vorteil haben die Staaten Osteuropas: Sie können auf die Erfahrungen der westlichen Länder zurückgreifen und damit einen Kardinalfehler vermeiden: angesichts von Zuwanderung den Kopf in den Sand zu stecken und zu hoffen, dass sich Integration von selbst vollzieht.

Mehr Durchlässigkeit für Arbeitsmigration

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist ein Nadelöhr, das in den EU-Staaten unterschiedlich groß ist. Nachdem es fast überall dreißig Jahre lang einen Anwerbestopp gab, wagen sich einige Regierungen nun allmählich an Modelle der klassischen Einwanderungsländer: in England soll es wohl künftig ein Punktesystem geben, in Finnland, Schweden und Norwegen werden qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland schon jetzt aktiv umworben.

In Europa ist außerdem mit mehr Binnenmigration von zugewanderten Arbeitskräften zu rechnen. Die „Daueraufenthaltsrichtlinie“ der EU ermöglicht jetzt Drittstaatsangehörigen, die in einem EU-Land ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzen, in ein anderes europäisches Land weiterzuwandern, wenn sie dort ei-nen Arbeitsvertrag nachweisen können. Offen- bar hat sich in Brüssel eine Erkenntnis durchgesetzt: Wem es gelungen ist, sich einmal zu integrieren, der schafft es auch ein zweites Mal!


Autorin: Veronika Kabis

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Britischer Arbeitsmarkt lockt

 

Nach Großbritannien wandern derzeit so viele Menschen ein wie selten zuvor. 2005 kamen 223.000 mehr Ausländer in das Verei-nigte Königreich als fortzogen. Nach Einschätzung von John Salt, Einwanderungsexperte am Economic and Social Research Council, ist dies vermutlich „die größte einzelne Einwanderungswelle, welche die britischen Inseln jemals erlebt haben". Die Zahl ausländischer Arbeitskräfte sei auf den Rekordwert von 1,5 Millionen gestiegen. Damit liegt der Anteil der Ausländer an der Erwerbsbevölkerung bei knapp 5 %. Verglichen mit dem deutschen Wert von rund 9 % ist dies zwar wenig, doch können Zuwanderer auf der britischen Insel bereits nach fünf Jahren Aufenthalt im Land relativ einfach einen britischen Pass bekommen.


London: Spezialitäten-Köche sind gefragt

Salt macht die Ost-Erweiterung der EU für den Zustrom verantwortlich. Innerhalb der EU haben neben Großbritannien nur Irland und Schweden sofort ihre Arbeitsmärkte für die neuen EU-Bürger geöffnet. Schätzungen zufolge sind seitdem mehr als 300.000 Osteuropäer zugezogen. Vor allem Polen (62 % der osteuropäischen Arbeitsmigranten) versuchen auf der Insel ihr Glück. Es wird erwartet, dass sie sogar die Iren als bislang größte Migrantengruppe ablösen könnten. Insgesamt sind im Zeitraum von Mai 2004 bis Juni 2006 rund 265.000 Polen, 50.500 Litauer, 44.000 Slowaken, 27.000 Letten und 23.000 Tschechen in Großbritannien als Arbeitnehmer registriert worden. Insgesamt sind in diesem Zeitraum 447.000 Arbeitnehmer (inklusive schon vor der EU-Erweiterung zugezogene) offiziell registriert worden, Schätzungen des Innenministeriums, die Mitte August 2006 vorgelegt wurden, gehen jedoch von bis zu 600.000 Zuwanderern aus.

Zog es die meisten zunächst nach London (siehe Stadtporträt S. 13), so ist nun das landwirtschaftlich geprägte Anglia zum Hauptziel geworden. 82 % der Osteuropäer sind zwischen 18 und 34 Jahre alt, 97 % sind voll beschäftigt.

In Großbritannien sind qualifizierte Arbeitskräfte Mangelware. Die Aussichten auf einen Job, der zudem gut bezahlt wird, ziehen deshalb auch viele Deutsche auf die Insel – darunter viele Ingenieure und Naturwissenschaftler. Deutschland rückt im Haushaltsjahr 2005/06 mit insgesamt 13.300 Arbeitssuchenden erstmals in die Rangliste der zehn wichtigsten Herkunftsländer auf. Dabei decken sie die gesamte Spannweite des Arbeitsmarktes ab: von gewerblichen Berufen über Ingenieure und Ärzte bis hin zu Hochschullehrern. Ein großer Teil wurde von den höheren Einkommen und geringeren Steuern und Abgaben in Großbritannien angelockt. Wie die VDI-Nachrichten melden, ist es für Ingenieure ein besonderer Anreiz, dass britische Unternehmen mangels junger Ingenieure in hohem Maße an älteren und erfahrenen Mitarbeitern interessiert sind.

Der unerwartet starke Zustrom osteuropäischer Arbeitskräfte löst zur Zeit offenbar ein Umdenken aus. Die Kritik am freien Zuzug aus den EU-Beitrittsländern wächst. Es wird diskutiert, ob die „Politik der offenen Tür“ auch für die Beitrittskandidaten Rumänien und Bulgarien aufrecht erhalten bleiben soll. (esf)

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EU-Kommissar für Integrationsfragen?

 

Brüssel. Bei der Europäischen Kommission wird eventuell ein Kommissar für Integrationsfragen eingesetzt, wurde Anfang September 2006 aus gut informierten Quellen aus dem Umfeld der europäischen Exekutive bekannt, berichtete das Nachrichtenmagazin Reuters (Le monde vom 06.09.06). Dieser Posten könnte anlässlich der Umbildung der Kommission entstehen, die wegen des geplanten EU-Beitritts von Bulgarien und Rumänien im Januar 2007 anvisiert wird, wurde dies präzisiert. Ein Kommissar für Integrationsfragen würde einerseits die aktuell vom Vizepräsidenten der Kommission, Franco Frattini, angesiedelten Aufgaben in der Generaldirektion Justiz übernehmen, andererseits die relevanten, beim Kommissar für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten, Vladimir Spidla, angesiedelten Bereiche. (esf)

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Mehr Deutsche auf den Balearen

 

Madrid. Auf den Balearen, dem Mittelmeer-Archipel mit Mallorca, Ibiza, Menorca und Formentera, ist die Zahl der ins Einwohnerregister eingetragenen Deutschen 2006 um fast 3.500 gestiegen. Damit leben nun 26.214 Deutsche zumindest zeitweise auf der spanischen Inselgruppe. Die tatsächliche Zahl dürfte weit höher sein, weil sich viele aus steuerlichen Gründen nicht melden. Allein für Mallorca gehen Schätzungen von 50.000 Deutschen aus, berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 02.08.06). Nächstgrößere Gruppen sind die Briten (17.602 Meldungen), Marokkaner (15.926) und Italiener (10.118). Die Zahl der Ausländer insgesamt ist erstmals seit zehn Jahren rückläufig. Derzeit leben 153.700 Ausländer dort, etwa 3.000 weniger als 2005. Sie haben einen Anteil von 15.6 % an der Gesamtbevölkerung von rund 986.000. (esf)

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Regularisierungen

 

Lissabon/Rom/Paris. Die portugiesische Regierung hat im September mit einer Legalisierungsaktion begonnen, mit der Personen ohne regulären Aufenthaltsstatus einen regulären Status erhalten sollen. Es handelt sich um etwa 40.000 Personen, die die Bedingung erfüllen, vor dem 12. März 2003 eingereist zu sein, eine Beschäftigung zu haben oder selbstständig zu sein und mindestens 90 Tage ihre Steuern gezahlt zu haben. Nachdem in Italien etwa 350.000 irreguläre Beschäftigte regularisiert worden sind, wird zur Zeit über eine Erleichterung der einbürgerung (Reduzierung der notwendigen Aufenthaltsdauer von zehn auf fünf Jahre) diskutiert (vgl. S. 8-9).

Derweil spitzt sich in Frankreich die Auseinandersetzung zwischen Innenminister Nicolas Sarkozy und Kritikern seiner Regularisierungspolitik zu. Im Juni 2006 hatte Sarkozy die Familien von Kindern ohne gültige Aufenthaltspapiere aufgefordert, sich mit Blick auf eine Regularisierung ihrer Situation bei den Behörden zu melden. Nachdem 33.500 Anträge für etwa 100.000 Personen gestellt worden waren, kam es aber nur zur Regularisierung des Aufenthaltsstatus von 6.900 Familien für die Dauer von einem Jahr. Nun fühlen sich die anderen 23.000 Familien in eine Falle gelockt. Wenngleich bereits zugesichert worden ist, sie nicht abzuschieben, scheint das Vertrauen nicht groß zu sein. Befürchtet wird, dass sie aufgefordert werden, freiwillig auszureisen. Bei einer Regularisierung hatten 1997 gut 80.000 Personen einen sicheren Aufenthaltsstatus erhalten. (esf)

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Mobilitäts-Hotline

 

Brüssel. Um die Mobilität der europäischen Arbeitnehmer zu erleichtern, hat die in Brüssel angesiedelte Organisation "European Citizen Action Service" (ECAS) eine Hotline eingerichtet, die bis Ende September 2006 geschaltet ist. Unter 00322/5125968 oder hotline@ecas.org können Organisationen und EU-Bürger zum Beispiel Schwierigkeiten bei der Arbeitsaufnahme in einem anderen EU-Land melden. Nach Einschätzung der Organisation wollen viele Menschen in einem anderen EU-Land arbeiten, jedoch können weniger als 2 Prozent von ihnen können diesen Wunsch aufgrund vielfältiger Schwierigkeiten umsetzen. Die vorgebrachten Probleme und Vorschläge will ECAS erfassen und den EU-Institutionen unterbreiten, sagt ihr Direktor Tony Venables: "Es ist an der Zeit, dass die europäischen Bürger ihre Rechte geltend machen". (esf)

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Migrationspolitiken in Europa

 

Migration und Einwanderungspolitik zählen heute zu den wichtigsten europäischen Themen. Eine 2003 erschienene und nun in einer Zweitauflage vorliegende englischsprachige Untersuchung "The politics of Migration and Immigration in Europe" ist dennoch das erste Buch, das in umfassender Weise die Frage stellt, ob von einer europäischen Migrationspolitik gesprochen werden kann. Der Autor, Andrew Geddes, arbeitet an der Universität Liverpool. Die 220-seitige, bei Sage Publications erschienene Publikation unterscheidet zwischen verschiedenen Migrationstypen, erläutert wichtige Konzepte und Debatten und liefert ein breites Rahmenwerk zum Verständnis einzelner nationalstaatlicher Konzepte. Exemplarisch untersucht werden die "älteren" Zuwanderungsländer Frankreich, Deutschland und Großbritannien, die "jüngeren" südeuropäischen Zuwanderungsländer und die neuen osteuropäischen EU-Mitglieder. (esf)

Infos: www.sagepublications.com 

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Ein Roma in Brüssel

 

Brüssel. Rund drei Viertel der 8 bis 10 Millionen Roma Europas leben in den Ländern Mittel- und Osteuropas (jeweils 300.000 bis zu einer Million Roma; in Rumänien nach Schätzungen sogar 1,5 bis drei Millionen) und in Spanien (400.000 bis 500.000). Wenn 2007 Bulgarien und Rumänien in die EU aufgenommen werden, leben fast fünf Millionen in der EU. Obwohl die Roma schon jetzt die größte Minderheit in der EU darstellen, ist Martin Demirovski bislang der einzige im Europäischen Parlament. Der Mazedonier ist jedoch kein Volksvertreter im engeren Sinne, sondern nur Mitarbeiter der niederländischen Abgeordneten El de Groen. "Wie kann es sein, dass ein so großes Volk nicht vertreten ist?" Demirovski betont: Man sei sehr gut miteinander vernetzt, spreche größtenteils die gleiche Sprache; nur religiös unterscheide man sich - es gibt u.a. Katholiken, Muslime und Zeugen Jehovas.

In den 1980er- und 1990er-Jahren, als Jugoslawien auseinanderbrach, sind viele Angehörige dieser weltweit verbreiteten ethnischen Minderheit indischer Herkunft nach Deutschland gegangen. In der Bundesrepublik leben nach Schätzungen etwa 60.000 - 70.000 deutsche Sinti und etwa 40.000 deutsche Roma. Die Zahl der osteuropäischen Roma, die sich derzeit in Deutschland um Asyl bewerben oder als geduldete Flüchtlinge hier leben, ist schwer zu schätzen. Die Gesellschaft für bedrohte Völker schätzt, dass sich derzeit etwa 20.000 Roma-Flüchtlinge aus dem Kosovo hier aufhalten.

Zivilgesellschaftlich hat sich im vergangenen Jahrzehnt viel getan, schildert Demirovski. In vielen Ländern wurden Vereine und Initiativen gegründet, die mit ihrem Engagement das ganze Spektrum von sozialen, kulturellen und ökologischen Aspekten bis hin zur Menschenrechtsarbeit abdecken - "Wenn auch nicht ganz so professionell", schränkt er ein. Die wohl wichtigste Einrichtung, als inoffizielle Hauptvertretung der Roma, ist das "European Roma- and Travellers Forum" in Straßburg. Auf der Grundlage eines Vertrags mit dem Europarat wurden aus allen 47 Europarats-Staaten gewählte Delegierte nach Straßburg geschickt, unter anderem auch drei aus Deutschland.

Die Roma werden zu einem großen Problem werden, prophezeit Demirovski: Man dürfe sie nicht ohne Jobs, Schulausbildung etc. "in der Misere lassen". Viele sind Staatsangehörige eines Landes, sehr viele aber auch Staatenlose. Er fordert, dass sie als europäische Bürger anerkannt werden. Der Versuch der Internationale Roma Union, die Roma bei der UNO als Nation anerkennen zu lassen, scheiterte. Immerhin haben im Februar 2005 acht Staats- und Regierungschefs zentral- und osteuropäischer Länder in Sofia die "Dekade der Integration der Roma" ausgerufen. Bis zum Jahr 2015 soll der soziale Abstand zwischen Roma-Minderheit und Mehrheitsbevölkerung abgebaut und die Bildungsförderung forciert werden.

"Es fehlt jedoch an einer politischen Vision", sagt Demirovski. Seit drei Jahren ist er in Brüssel. Es war sehr schwer, eine Arbeitserlaubnis zu bekommen, trotz des Einsatzes der Abgeordneten, die in der Thematik engagiert ist und ihn als Assistenten wünschte. Das belgische Konsulat machte ihm damals große Schwierigkeiten. Er hat den Eindruck, "dass viele nicht verstehen, dass ein Zigeuner mit Krawatte, Lackschuhen und Brille vor ihnen steht. Sie sind enttäuscht. Sie sind mental noch nicht darauf vorbereitet, eine andere Sicht anzunehmen." Die Klischees würden noch zu sehr dominieren, sagt er halb resigniert, halb kämpferisch. (esf)

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Schweizer stimmen für Asylverschärfung

 

Bern. Die Schweizer Bürger haben sich für eine drastische Verschärfung des Asyl- und Ausländerrechts ausgesprochen. Bei einer Wahlbeteiligung von überdurchschnittlichen 48 % sagten am 24. September 2006 68 % der Wähler Ja zu den bereits von Regierung und Parlament befürworteten Änderungsvorschlägen, die insbesondere Missbräuche verhindern soll. Künftig können abgewiesene Asylbewerber, aber auch Schlepper und Arbeitgeber von irregulär Beschäftigten härter bestraft werden. Asylbewerber, die innerhalb von 48 Stunden keinen Pass oder Personalausweis vorweisen, erhalten nur noch in Ausnahmefällen Zuflucht. Ferner wird abgewiesenen Asylbewerbern künftig nur noch Nothilfe gewährt: ein Bett, Nahrung und medizinischer Mindestbeistand. Wer nicht ausreisen will, kann künftig bis zu zwei Jahre in Haft genommen werden. Die Gegner der Gesetzesrevision waren der Meinung, das neue Asylgesetz verletze die Menschenrechte und setze die humanitäre Tradition der Schweiz aufs Spiel. (esf)

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