Integration in Deutschland 4/2006, 22.Jg., 15. Dezember 2006

ISLAMKONFERENZ

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Auftakt zum Dialog

Erste Deutsche Islam Konferenz

Am 27. September 2006 hat Bundesinnenminister Schäuble die Deutsche Islam Konferenz (DIK) im Berliner Schloss Charlottenburg eröffnet. Damit nimmt ein langfristiger Dialog zwischen dem deutschen Staat und den schätzungsweise 3,2 bis 3,5 Mio. in Deutschland lebenden muslimisch geprägten Menschen seinen Anfang. Die Bundesregierung kommt damit ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Auftrag nach, den Dialog mit der muslimischen Bevölkerung zu verstärken.

 

Die Teilnehmer/innen der Islamkonferenz

An der Deutschen Islamkonferenz nehmen (als ständige Mitglieder) 15 Muslime und 15 Vertreter der Bundes- und der Länderregierungen sowie der kommunalen Spitzenverbände teil. Den Vorsitz hat der Bundesinnenminister. Im Vorfeld der Veranstaltung gab es Bedenken der muslimischen Dachverbände hinsichtlich der Teilnahme säkularer und islamkritischer Muslime, die in die Versammlung berufen wurden.

Zu den Teilnehmern gehören neben Wolfgang Schäuble (CDU), dem bayerischen Innenminister (Vorsitzender der Innenministerkonferenz) Günther Beckstein (CSU) und dem Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD) auch folgende Repräsentanten der Muslime in Deutschland:

a) Einzelpersonen:
Seyran Ates, Anwältin, Frauenrechtlerin
Necla Kelek, Soziologin, Islamkritikerin
Ezhar Cezairli, Zahnärztin, Initiative von säkularen und laizistischen Bürgerinnen und Bürgern aus islamisch geprägten Herkunftsländern in Hessen
Badr Mohammed, SPD Berlin, Europabeauftragter, Projektgruppe Arabische Sozialdemokraten, Europäisches Integrationszentrum Berlin
Feridun Zaimoglu, Schriftsteller
Navid Kermani, Schriftsteller
Kenan Kolat, nicht-religiöse Türkische Gemeinde in Deutschland
Walid Nakschbandi, Medienunternehmer
Omid Nouripour, Grüne MdB, Germanist

b) Muslimische Dachverbände:
Bekir Alboga, Mehmet Yildirim, Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion
Ayyub Axel Köhler, Zentralrat der Muslime in Deutschland
Ali Kizilkaya, Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland
Ali Toprak, Alevitische Gemeinde Deutschland
Mehmet Yilmaz, Verband der Islamischen Kulturzentren

Das "Plenum der Dreißig" diskutiert halbjährlich die Vorlagen folgender vier Arbeitskreise:

"Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis" (Themen: Trennung von Kirche und Staat, religiöse Symbole, Moscheenbau, Islamunterricht in deutscher Sprache);

"Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens" (Themen: Gleichberechtigung, Familie, Erziehung, demokratische Kultur, Säkularisierung);

"Wirtschaft und Medien als Brücke": (Themen: Jugendliche auf dem Arbeitsmarkt, Muslime im öffentlichen Dienst);

"Sicherheit und Islamismus" (Themen: Strategien gegen das Abgleiten junger Muslime in die terroristische Szene, Prävention und Aufdeckung islamistischer Delikte, islamistische antidemokratische Bestrebungen - zu den 25 Teilnehmern zählt auch Dr. Ralph Ghadban, siehe Interview). (Red.)

 


Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und der bayerische Innenminister Günther Beckstein im Gespräch mit Mehmet Yildirim und Bekir Alboga (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion)

Ziel und Gegenstand

Ziel der DIK ist es, gemeinsam Lösungen für zentrale Fragen des gesellschaftlichen Zusammenlebens in der Einwanderungsgesellschaft zu finden, um eine bessere gesellschafts- und religionspolitische Integration der muslimisch geprägten Bevölkerung zu erreichen. Damit soll auch islamistischen Tendenzen präventiv begegnet werden.

Bei der DIK geht es jedoch nicht um einen interreligiösen Dialog zwischen Islam und Christentum, sondern um das Verhältnis von Staat und Religion. Im Dialog soll vor allem erörtert werden, wie religiöse Gebräuche des Islams in Einklang mit der säkularen deutschen Verfassungsordnung gebracht werden und wie Freiheitsrechte (v.a. Religionsfreiheit) gewahrt bleiben können, aber auch, wie der Islam, der im Gegensatz zum Christentum kein repräsentatives Vertretungsorgan kennt, den Organisationserfordernissen des deutschen Religionsverfas-sungsrechts gerecht werden kann.

Angestrebt wird, dass sich die Dialogpartner im Rahmen einer Übereinkunft zur Einhaltung gesellschafts- und religionspolitischer Grundsätze verpflichten. „Hierbei steht insbesondere die verbindliche Beachtung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Vordergrund“, so der Minister zum Auftakt der Konferenz. Die DIK soll aber auch dazu beitragen, die Vielfältigkeit des Islam in Deutschland in der Öffentlichkeit sichtbar zu machen und Musliminnen und Muslime als Teil der Gesellschaft zu begreifen: „Ich verbinde mit der Eröffnung des Dialogs mit den Muslimen die Hoffnung, dass alle verstehen, dass Muslime in Deutschland willkommen sind“, betonte Schäuble.

Teilnehmer/innen

Nach mehrmonatigen Vorbereitungen – zu der auch Vorbesprechungen mit Vertretern aus Bund, Ländern und Kommunen sowie eine Vorkonferenz mit ausgewählten muslimischen Verbandsvertretern und Persönlichkeiten, die im August im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge stattfand, gehörten – kamen Ende September je 15 staatliche Vertreter sowie 15 Repräsentanten der muslimisch geprägten Bevölkerung auf Einladung von Minister Schäuble zur ersten DIK zusammen.

Da es in Deutschland keine einheitliche Vertretung der muslimischen Bevölkerung gibt und schätzungsweise nur ca. 15-20 % überhaupt in islamischen Verbänden und Vereinen organisiert sind, hatte der Innenminister neben Vertretern der fünf bedeutenden Verbände „Alevitische Gemeinde Deutschland“, „Türkisch- Islamische Union der Anstalt für Religion“ (DITIB), „Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland“, „Verband der Islamischen Kulturzentren“ (VIKZ) und „Zentralrat der Muslime in Deutschland“, zehn nicht-organisierte Persönlichkeiten mit muslimischen Hintergrund zur Konferenz eingeladen. „Wir wollen alle in Deutschland lebenden Muslime - ihrer Vielfalt angemessen - einbinden“, begründete Schäuble die Zusammensetzung der muslimischen Repräsentanten, unter denen auch islamkritische Persönlichkeiten wie bspw. die Rechtsanwältin Seyran Ates und die Autorin und Soziologin Necla Kelek („Fremde Braut“) sind.

Dass der Dialog angesichts der Zusammensetzung der DIK und der Themen auf der Tagesordnung (z.B. Gleichberechtigung von Frauen und Männern, islamischer Religionsunterricht u.ä.) nicht ohne Reibungen verlaufen wird und dass viel Arbeit bevorsteht, deutete sich schon bei der Auftaktveranstaltung an. Minister Schäuble bezeichnete die Debatte als offen und „in Teilen durchaus kontrovers“, bekräftigte aber gleichzeitig: „Wir wollen, dass innerhalb der Gemeinschaft der Muslime unterschiedliche Auffassungen ausgesprochen werden“. Am Ende der Konferenz verständigten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer darauf, in dieser Zusammensetzung weiter zu tagen.

Themenbereiche und Arbeitsweise der DIK

In den folgenden zwei bis drei Jahren werden in drei Arbeitsgruppen und einem Gesprächskreis Vertreterinnen und Vertreter des Staates, der muslimischen Bevölkerung sowie wissenschaftliche Expertinnen und Experten gemeinsam zentrale Fragen des Zusammenlebens analysieren und konkrete Handlungsempfehlungen entwickeln. Vorgesehen sind folgende Arbeitsbereiche:

„Deutsche Gesellschaftsordnung und Wertekonsens“: Erörtert werden soll die Vereinbarkeit unterschiedlicher islamischer Glaubensrichtungen mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Im Vordergrund stehen dabei zentrale Werte gesellschaftlichen Zusammenlebens in einer pluralistischen Gesellschaft. Neben der Gültigkeit der Grundrechte soll es auch darum gehen, die Chancen, die sich aus der deutschen Gesellschaftsordnung unter anderem für die Entfaltung von Musliminnen und Muslimen ergeben, in den Blick zu nehmen.

„Religionsfragen im deutschen Verfassungsverständnis“: Im Fokus steht hier die Vereinbarkeit des Islam mit den Strukturen und Elementen des deutschen Religionsverfassungsrechts. Dabei wird es vor allem um die Frage des islamischen Religionsunterrichts an staatlichen Schulen gehen. Weitere Themen sind u.a. die Ausbildung von Imamen, der Umgang mit religiösen Symbolen oder der Bau von Moscheen.

„Wirtschaft und Medien als Brücke“: Hier geht es um Lösungsmöglichkeiten zur Verbesserung der Ausbildungs- und Arbeitsplatzlage der Bevölkerung mit muslimischem Hintergrund einerseits und um eine ausgewogenere Berichterstattung von ausländischen und deutschen Medien andererseits.

„Sicherheit und Islamismus“: In diesem Gesprächskreis sollen Fragen der inneren Sicherheit erörtert werden. Im Vordergrund steht dabei die Prävention islamistischer Bestrebungen u.a. durch eine Verbesserung der Zusammenarbeit damit befasster Akteure.

Die Mitglieder der Arbeitsgruppen und des Gesprächskreises der DIK trafen sich im November 2006 zu ihren konstituierenden Sitzungen im Bundesamt in Nürnberg, dem das BMI die Geschäftsführung der DIK übertragen hat und verständigten sich über Ziele und Inhalte der gemeinsamen Arbeit. In zweimonatigem Turnus wird diese nun fortgesetzt. Die Ergebnisse werden jeweils in den halbjährlich unter der Leitung des Ministers stattfindenden Sitzungen des Plenums der DIK zusammengeführt. Bis zur nächsten Plenumssitzung im 2. Quartal 2007 sollen erste Ergebnisse vorliegen.

Von der DIK erhofft sich Schäuble letztlich, “nicht nur praktische Lösungen zu finden, sondern auch mehr Verständnis, Sympathie, Friedlichkeit, Toleranz und vor allem mehr Kommunikation und Vielfalt zu schaffen, und damit zur Bereicherung in unserem Lande beizutragen.“


Autorin: Cornelia Pust, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

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Kommentar: Islam ist jetzt Teil Deutschlands

 

„Der Islam ist Teil Deutschlands und Teil Europas. Er ist Teil unserer Gegenwart und er ist Teil unserer Zukunft“. Für Sätze wie diesen erntete man als langjähriger kritischer Begleiter der Ausländerpolitik bis vor kurzem – milde gesagt - nur Kopfschütteln. Jetzt wird uns das, was eigentlich nur die Realität beschreibt von einem konservativen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble offiziell bescheinigt. Es ist also regierungsamtlich, richtig, wichtig und mutig, was da bei der Islamkonferenz gesagt wurde. Die meisten Muslime in Deutschland sind bekanntlich Türken, um die es bei der Integration geht. Allerdings besteht jetzt die Gefahr, dass das so genannte „Ausländerthema“ auf ein „Türkenproblem“ reduziert wird. Andere Einwanderergruppen – sogar die Italiener, die als „halbe Deutsche“ gelten – haben genauso ihre Sprachschwierigkeiten, ihre Probleme in den Schulen und in der Berufsausbildung. Oder denken wir an die Spätaussiedler, die als „Russlanddeutsche“ bezeichnet werden - mit ihren ganz gewaltigen Eingliederungsproblemen. Man schaut vor allem auf die Türken und die sollen jetzt – so der Bundesinnenminister – sogar in Deutsch predigen. Aber kein Mensch würde darauf kommen, beispielsweise den Kroaten vorzuschreiben, ihre Gottesdienste in deutscher Sprache zu gestalten. Sie tun das seit Jahrzehnten in Kroatisch. Wie die anderen in Griechisch, Italienisch oder Polnisch. Darüber hat sich noch niemand aufgeregt. Nach dem Integrations- nun also der Islamgipfel. Durch Gipfel allein kann die Integration zwar gefördert, aber nicht erreicht werden. Die Integration muss vor Ort, vor allem in den Schulen teilweise mühsam und langfristig erarbeitet werden. Zu glauben, mit ein paar Gipfeln und einem Aktionsplan sei das Thema erledigt, ist ein Trugschluss. Die Eingliederung von Einwanderern braucht ihre Zeit. Mit einer Zeitspanne von einer Generation ist zu rechnen, wie gerade das Beispiel der Integration der Deutschen in Amerika zeigt. Es ist einfach schwer zu begreifen, dass man die erfolgreiche Integration sozusagen nicht mehr miterleben wird.

„Der Islam ist Teil Deutschlands“ hat Schäuble fast wie in einer Freitagspredigt gesagt und hinzugefügt: „Muslime sind in Deutschland willkommen“. Dies waren vor allem die Türken bisher in Deutschland nicht. Parallel zu den Gipfeln wäre deshalb jetzt eine Aufklärungskampagne und offene Diskussionen über das Thema „Ausländer in Deutschland“ wichtig. Dass den Medien dabei eine besondere Verantwortung zukommt, darin waren sich eigentlich alle bei den Integrations- und Islamgipfeln einig. Aber auch da sollten nun Taten folgen. Bei Absichtserklärungen und Appellen darf es nicht bleiben.


Kommentar: Prof. Dr. Karl-Heinz Meier-Braun, SWR-International

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Ralph Ghadban zur Islamkonferenz

Ralph Ghadban (57) ist einer der wenigen Teilnehmer der Deutschen Islamkonferenz (DIK), der keine islamische Organisation oder den deutschen Staat, sondern die Zivilgesellschaft repräsentiert. Der Libanese arbeitete zunächst als Philosophielehrer an einem Gymnasium in Beirut und kam 1972 mit einem Promotions-Stipendium des DAAD nach Deutschland. Als 1975 im Libanon der Bürgerkrieg ausbrach, blieb er "hier hängen", sagt der Berliner. An eine Rückkehr war nicht mehr zu denken. So begann er ein Zweitstudium der Islamwissenschaften, arbeitete 18 Jahre als Sozialarbeiter mit Flüchtlingen und war dann Geschäftsführer des Streetworking-Projekts "Gangway". Über seine Erfahrungen mit dem "Versagen der deutschen Integrationspolitik" am Beispiel der libanesischen Flüchtlinge in Berlin schrieb er ein viel beachtetes Buch. Heute ist er Dozent der Evangelischen Fachhochschule für Sozialarbeit in Berlin.

AiD: Ist es eine Ehre oder eine Last, an der Islamkonferenz mitzuwirken?

Ghadban: Gibt es eine dritte Möglichkeit?

Vielleicht beides zugleich?

Ja, es ist beides gleichzeitig. Ich würde es mit dem Wort "Verantwortung" zusammenfassen.

Wie empfanden Sie die Auftaktveranstaltung am 27. September?

Die folgenden Veranstaltungen sind wichtiger, diese diente vor allem der Repräsentation.

Hat man noch nicht tiefer gehend sprechen können oder warum?

Ich fand die Auftaktveranstaltung insofern gut, als sie den festen Willen des Staates zum Ausdruck brachte, den Islam endgültig heimisch zu machen: Er gehört zu uns.

Wie geht es jetzt weiter?

Es gibt mehrere Arbeitsgruppen der Islamkonferenz, die der eigentlichen Konferenz zuarbeiten: vier Arbeitskreise und ein Gesprächskreis. Dort hat man mehr Zeit, hier findet die eigentliche Arbeit statt.

Wo wirken Sie mit?

Beim Gesprächskreis "Sicherheit".

Was ist positiv?

Ich kann hier keine inhaltlichen Aussagen machen, da die Gespräche in vertraulicher Atmosphäre auf höchster Ebene stattfinden. Das bedeutet, dass die Möglichkeit gegeben ist, Probleme offen anzusprechen. Zum ersten Mal verhandelt der Staat mit allen Organisationen, ohne hierbei verfassungsrechtliche Bedenken zu berücksichtigen. Das ist eine große Chance für einen positiven Dialog, der zu guten Ergebnissen führen kann.


Das Gespräch führte Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

Literaturtipps

  • Ralph Ghadban:Die Libanon-Flüchtlinge in Berlin. Zur Integration ethnischer Minderheiten; Verlag Das Arabische Buch, Berlin 2000 (ISBN 3-86093-293-4)

  • Ralph Ghadban: Tariq Ramadan und die Islamisierung Europas, Schiler Verlag; Berlin 2006 (ISBN: 3899301501)

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Poster Muslime in 4. Auflage

 

Saarbrücken. Das Ende der 1990er-Jahre erstmals von isoplan für die Mobilitätsberater der Bundesagentur für Arbeit erstellte Poster "Muslime in Deutschland" ist im Herbst 2006 in komplett überarbeiteter Fassung neu aufgelegt worden. Finanziell gefördert vom Bundesministerium des Innern und der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt die Übersicht im Din A1-Format aktuelle Daten zur Verbreitung des Islam sowie zu Muslimen in Deutschland, stellt die historische Ausbreitung sowie wichtige Daten dar und erläutert die wichtigsten Glaubensgrundsätze und -richtungen. Neu sind die Aufnahme von Daten zum interreligiösen Dialog und eine Übersicht zu den wichtigsten Moscheeverbänden in Deutschland. (esf)

Kostenloser Bezug: isoplan CONSULT GbR, Susanne Druck, Martin-Luther-Str. 20, 66111 Saarbrücken, Tel.: 0681-93646-15, Fax: -11, druck@isoplan.de

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Entsendung türkischer Imame

 

Nürnberg. Nach Recherchen von "Entscheidungen Asyl", dem Informations-Schnelldienst des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Ausgabe 11/06), arbeiten derzeit 485 Imame im Dienst des türkischen Staats in Deutschland. Sie werden zu den rund 870 DITIB-Moscheen (der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion) entsandt. Diese Seelsorge durch staatsbedienstete Imame soll verhindern, dass Türken ihre religiöse Betreuung bei islamistischen Organisationen suchen. 2006 wurden erstmals auch zwei weibliche Imame entsandt, die helfen sollen, den Zugang zu Familien und Frauen zu verbessern. Insgesamt gibt es etwa 2.600 türkische Moscheen bzw. Moscheevereine in Deutschland. Die Imame werden jeweils im Juli und Oktober jeden Jahres für vier Jahre nach Deutschland entsandt. Neu ist, dass Bewerber für Deutschland beim Goethe Institut in Ankara einen 380-stündigen Deutschkurs sowie 20 Stunden Landeskunde zu absolvieren haben. (esf)

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Islamkonferenz auch in Italien

 

Rom. Gut eine Woche nach der Auftaktveranstaltung der "Deutschen Islamkonferenz" tagte am 4. Oktober 2006 auch in Italien eine Islamkonferenz. In Rom traf sich Innenminister Amato mit im "Rat für den Islam Italiens" (Consulta) versammelten Vertretern verschiedener muslimischer Gruppen. Sie waren sich einig, dass die Zusammenkunft sowohl für die italienischen Muslime wie auch für den Kampf gegen den islamistischen Extremismus sinnvoll war. Am 30. November 2005 hatte der Innenminister der vorherigen Regierung, Pisano, das Gremium ins Leben gerufen. Damit sollten unter staatlichem Dach die "bedeutendsten Stimmen der vielfältigen islamischen Realität in Italien" versammelt werden. Amato führte diese Initiative weiter. Ende August schlug er vor, eine "Charta der Prinzipien und Werte" noch vor Weihnachten durch muslimische Gemeinschaften unterschreiben zu lassen. In dieser sollte es auch um die Anerkennung der Rechte von Frauen und Homosexuellen gehen. Doch erhob sich dagegen Widerstand, unter anderem durch die "Union der islamischen Gemeinschaften Italiens" (Ucoii), die nicht die Mehrheit der Muslime des Landes vertritt und der einige radikale Gruppen angehören. Ihrem Argument, es könne diskriminierend sein, wenn nur Muslime diese Charta unterschreiben sollen, schloss sich Amato an: Also sollten es alle religiösen Gruppen des Landes tun. Nach Schätzungen des Innenministeriums leben in Italien etwa 1,5 Millionen Muslime, vor allem aus Afrika. Nur 50.000 (3,3 %) besitzen die italienische Staatsbürgerschaft. Bei der Unterschrift unter die Charta geht es also nach Einschätzung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 5.10.06) wohl vor allem um eine Vorbedingung für den Erwerb einer Aufenthaltserlaubnis oder der Staatsbürgerschaft. (esf)

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Studie: Islamisches Gemeindeleben in Berlin

 

Berlin. "Islamisches Leben in Berlin hat sich in den vergangenen Jahren zunehmend diversifiziert, professionalisiert und emanzipiert". Dieses Fazit zieht Berlins Beauftragter für Integration und Migration, Günter Piening, anlässlich der Vorstellung einer umfangreichen Studie über die Entwicklung der inzwischen nach den beiden christlichen Großkirchen drittgrößten Glaubensgemeinschaft in der Stadt, Mitte Dezember 2006. "Die hier aufgewachsenen jungen Muslime der dritten Einwanderergeneration treten aus dem Schatten der Hinterhofmoscheen ihrer Großeltern und fordern selbstbewusst die Gleichberechtigung ihrer Religion ein", so Piening.

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedener Universitäten und Forschungseinrichtungen haben mit dieser Untersuchung zum ersten Mal seit Jahren einen Überblick über das breite Spektrum und den Facettenreichtum islamischen Lebens vorgelegt. Die beiden Koordinatorinnen Riem Spielhaus und Alexa Färber von der Humboldt-Universität zu Berlin stellen fest: "Islamisches Gemeindeleben in Berlin erklärt sich aus wissenschaftlicher Sicht aus dem Zusammenhang von Migration, Religion und Repräsentation. Es zeichnet sich durch die Pluralisierung von Migrationshintergründen und eine wachsende Vielfalt religiöser Praxis aus. Schließlich ist die Entwicklung islamischer Gemeinden in ihrer jetzigen Form vor dem Hintergrund des allgemeinen städtischen Wandels in Berlin zu verstehen, der in ähnlicher Weise auch für andere Akteure in der Stadt gilt."
"Während noch vor einem Jahrzehnt in islamischen Glaubensangelegenheiten Hauptansprechpartner die türkische Religionsbehörde war, so hat sich dies inzwischen gewandelt", unterstrich der Integrationsbeauftragte. "Arabische oder bosnische Einwanderer erweitern das Spektrum der Moscheegemeinden, sunnitische stehen neben schiitischen Gemeinden und Aleviten bekennen sich zu ihren eigenen Traditionen, um nur einige Beispiele zu nennen. Und dass in mehr und mehr Moscheegemeinden Deutsch zur Verkehrssprache wird, ist ebenfalls ein Zeichen, dass die Muslime längst in Berlin angekommen sind. Allerdings verlieren die großen Dachverbände mehr und mehr ihren Alleinvertretungsanspruch für die einzelnen Gemeinden. Nur die Hälfte ist überhaupt in Dachverbänden organisiert, ergab die Untersuchung", so Piening. "Und überhaupt sollte man nicht vergessen, dass es unter Muslimen natürlich genauso Religiöse und eher Religionsferne gibt wie auch bei getauften Christen."

In Berlin sind wie in vielen europäischen Städten islamische Gebetsorte nicht nur Orte des Gebets und der spirituellen Betreuung, sondern gleichermaßen soziale Treffpunkte, Bildungsstätten und Anlaufstellen, die ihren Besuchern praktische Lebenshilfe bieten. Die Untersuchung zählte 2006 in Berlin 76 Moscheen, ein Cem evi der alevitischen Gemeinde und drei weitere Orte, die von islamischen Vereinen für religiöse Handlungen im Islam - jedoch nicht das Freitagsgebet - betrieben werden. Von den 76 sind nur 3 repräsentative Moscheebauten.

Für Piening ist es ein Zeichen des Normalisierungsprozesses, wenn Muslime ihre Religion heute öffentlich machen und beispielsweise verlangen, dass moderne Moscheegebäude sich nicht mehr verstecken, sondern auch architektonisch ansprechend im Stadtbild präsent sein müssen. "Überhaupt ist es eines der wichtigen Ergebnisse der Studie, dass sich die Gemeinden zunehmend öffnen. Vor acht Jahren noch hatte eine Vorgängeruntersuchung festgestellt, dass damals die Moscheevereine kaum Kontakt zu öffentlichen Einrichtungen hatten; heute berichten über 2/3 über gute Kontakte zu Verwaltung, Polizeidienststellen und Schulen", so Färber und Spielhaus.

Auf 112 Seiten gibt die Studie interessierten Bürgerinnen und Bürgern und auch Multiplikator/innen vielfältige Hintergrundinformationen und teils kontroverse Standpunkte von Vertreterinnen und Vertretern aus Gemeinden, Politik und Zivilgesellschaft. Das Heft erweitert und ergänzt damit das Angebot an Informationen über den Islam und seine Entwicklung in der Einwanderergesellschaft. Die umfassende fotografische Dokumentation islamischen Lebens im Heft soll, so Piening, ebenfalls die Bandbreite des Islam in Berlin vorstellen und neugierig machen auf Moscheen, Gebetsräume und Gemeinden in der Nachbarschaft:

"Ich hoffe, dass diese Broschüre den Dialog zwischen Muslimen und Nichtmuslimen stärkt, gerade in einer Zeit, in der der Islam nicht selten unter den Generalverdacht gestellt wird, Sympathie für islamistischen Terror zu nähren".


Autor: John Röhe, Büro des Integrationsbeauftragten

Bezug: Broschüre zum Preis von 3,00 (bei Versand zzgl. Portokosten) erhältlich beim Beauftragten des Senats von Berlin für Integration und Migration Potsdamer Straße 65, 10785 Berlin, Tel.: 030 / 90 17 23 57, E-Mail: Integrationsbeauftragter@auslb.verwalt-berlin.de. Die Broschüre steht auch als Download auf der Internetseite des Integrationsbeauftragten unter: http://www.berlin.de/lb/intmig/
publikationen/religion/index.html
 

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Moscheebauboom in Frankreich und den Niederlanden

 

Paris/Amsterdam. In Frankreich sind in den vergangenen 30 Jahren rund 2.000 neue Moscheen entstanden. Das entspreche etwa der Anzahl der im gesamten 20. Jahrhundert in Frankreich neu gebauten katholischen Kirchen, berichtete die Tageszeitung "La Croix" nach Angaben der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 27.10.06). Neu entstanden seien seit 1976 auch 1.000 evangelische Kirchen. Allerdings verfügen die Katholiken mit rund 45.000 Gotteshäusern über die weitaus meisten Kultstätten. Viele würden jedoch nicht mehr für Gottesdienste genutzt. Zudem drängen die Kommunen verstärkt darauf, Kirchen aufzugeben. Aufgrund der Trennung von Kirche und Staat gehören die vor 1905 in Frankreich gebauten Kirchen den Kommunen. Die Kirche hat nur Nutzungsrechte. Anders als bei den Kirchen sind die sakralen Räume der muslimischen Gemeinden sehr häufig von außen nicht als Moscheen zu erkennen.

Auch in den Niederlanden ist der Bestand an Moscheen auf 370 gestiegen. In den nächsten vier Jahren sollen rund 70 Moscheen neu oder großzügig umgebaut werden, berichtet "Entscheidungen Asyl", der Informations-Schnelldienst des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Ausgabe 11/06). Von den dann 450 Moscheen stehen allein 115 in den vier größten Städten Amsterdam, Utrecht, Den Haag und Rotterdam. Für Amsterdam ist eine Groß-Moschee mit einem 42-Meter-Minarett geplant. Die meisten Moscheen werden an Stadträndern, in Industriegebieten und an Autobahnen errichtet. Aufgrund einer wachsenden islamfeindlichen Stimmung werden Moscheen nicht mehr nur als Bereicherung empfunden. (esf)

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