Integration in Deutschland 4/2006, 22.Jg., 15. Dezember 2006

BÜCHER / FILME / PRODUKTE / 
AUSSTELLUNGEN

Studien und Sachbücher

Belletristik

Poster / Kalender / Austellungen

Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Studien und Sachbücher

Rita Süssmuth legt neue Analyse vor

 

Fast ein halbes Jahrhundert lang hat es gedauert - wie Rita Süssmuth zu Recht kritisiert - bis sich Deutschland endlich vom Rotationsprinzip in der Ausländerpolitik verabschiedet und auf die Tatsachen in einem Einwanderungsland eingestellt hat. In den letzten Jahren hat es Ihrer Einschätzung nach eine Klimaveränderung gegeben. An diesem Paradigmenwechsel hat die Migrationsexpertin selbst mit der nach ihr benannten Kommission maßgeblich mitgewirkt. Wir haben nun ein Zuwanderungsgesetz, aber auch schon wieder Rückschritte in der Migrationspolitik, schreibt die Buchautorin. Einerseits sagen wir jetzt: "Wir sind ein Einwanderungsland". Auf der anderen Seite bleibt der Anwerbestopp bestehen, was zu Spannungen führen muss. Außerdem sind die Hürden - so Rita Süssmuth - für Studierende, Hochqualifizierte und Unternehmer viel zu hoch.

Auf über 200 Seiten beleuchtet die frühere Bundestagspräsidentin das Thema Migration und Integration. Die weltweite Perspektive, die sie eröffnet, ist besonders wichtig, denn oftmals wird bei diesem Thema wenig über den eigenen Tellerrand hinausgeschaut. Rita Süssmuth war auch Mitglied in der Kommission der Vereinten Nationen zur Migration. So weist sie beim weltweiten Thema "Illegale Einwanderer" darauf hin, dass es zwar illegale, "gegen das Gesetz verstoßende Grenzübertritte, aber keine illegalen Menschen" gibt. Es handelt sich immer um Menschen.

Das neue Thema heißt nach ihrer Einschätzung nun "Migration und Entwicklung". So sind die Rücküberweisungen der Arbeitsmigranten weltweit von zunehmender Bedeutung für die Herkunftsländer. Sie sind mindestens dreimal so hoch wie die gesamte offizielle Entwicklungshilfe, die auf der Welt gezahlt wird. Die Arbeitskräftewanderung hat aber auch ihre Schattenseiten für die Entsendeländer. So macht die frühere Bundesfamilienministerin beispielsweise deutlich, dass in Somalia von 600, seit der Unabhängigkeit ausgebildeten Ärzten, jetzt nur noch 50 im Lande arbeiten. Der Rest ist in die reichen Industrieländer ausgewandert. Trotzdem könnten beide Seiten - Aufnahme- und Herkunftsländer - viel stärker von der Migration profitieren, wenn Zuwanderung besser organisiert und das Thema nicht nur immer negativ besetzt würde.

"Kenntnisse über den Islam sind in unserer Bevölkerung kaum vorhanden", stellt Rita Süssmuth fest. Leidenschaftlich plädiert sie deshalb für Aufklärung und für ein Miteinander der Kulturen. Es ist Ihrer Meinung nach die Herausforderung dieses Jahrhunderts, ob wir es lernen, friedlich miteinander zu leben oder ob wir Huntingtons Thesen vom Kampf der Kulturen folgen.

In ihrem Schlusskapitel spricht sich die Autorin für eine "demokratische Leitkultur" des Zusammenlebens aus. Im Gegensatz zu vielen, die den Begriff "Leitkultur" unreflektiert verwenden, erläutert sie ausführlich, was sie damit meint. Die Grundlage des Zusammenlebens bildet für sie das Grundgesetz, die Gleichberechtigung von Mann und Frau oder auch die Lösung von Konflikten ohne Gewalt. Die Übernahme und Identifikation mit dieser Werteordnung ist für sie eine unablässige Voraussetzung für die viel beschworene Integration. Die multikulturelle Gesellschaft ist für sie eine Tatsachenbeschreibung, aber noch kein Konzept für einen Zusammenhalt unserer Gesellschaft: "Die nicht endenden Attacken auf die multikulturelle Gesellschaft bringen uns nicht weiter, wenn damit die Fiktion einer kulturell homogenen Gesellschaft durchgesetzt werden soll", schreibt die CDU Politikerin.

Alles in allem hat Rita Süssmuth mehr als eine gute Zusammenfassung zum Thema "Migration und Integration als Testfall für unsere Gesellschaft" (so der Titel) geschrieben, die sich auch an den Leser wendet, der sich mit dem Thema noch nicht beschäftigt hat. Das Buch sollte geradezu Pflichtlektüre nicht nur für Politiker in der gegenwärtigen Diskussion nach dem Integrationsgipfel und der ersten Deutschen Islamkonferenz sein. An manchen Stellen merkt man dem Buch an, dass es offensichtlich unter großem Zeitdruck geschrieben wurde, was aber seinen Wert keineswegs schmälert.

Das beim Deutschen Taschenbuch Verlag erschienene Buch "Migration und Integration: Testfall für unsere Gesellschaft" (ISBN 3-423-24583-2) kostet 14,10 Euro. (M-B)

[ Seitenanfang ]

Studie: Ausländer stützen Sozialstaat

 

Bonn. Die 6,7 Millionen Ausländer in Deutschland stützen nach einer Studie des Bonner Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) den Sozialstaat. Nach den Ergebnissen der Ende September 2006 vorgestellten Studie zahlen Ausländer 1.840 Euro mehr Steuern und Beiträge an die öffentlichen Kassen, als sie an Transferleistungen erhielten, berichtete das Wirtschaftsmagazin "Capital". Für die Untersuchung haben die Bonner Wissenschaftler die neuesten verfügbaren Daten des sozio-ökonomischen Panels herangezogen. Laut "Capital" zahlte jeder Ausländer im Jahr 2004 durchschnittlich 7.390 Euro an den Staat und erhielt öffentliche Leistungen in Höhe von 5.550 Euro. "Das Stammtisch-Gerede, dass Ausländer auf Kosten der Bundesbürger die Sozialsysteme ausplündern, ist blanker Unsinn", resümiert IZA-Forscher Holger Bonin gegenüber der Zeitschrift. Die Studie zeigt jedoch auch, dass die Deutschen mit 2.750 Euro pro Kopf und Jahr unter dem Strich noch mehr in die staatlichen Kassen zahlen als die Migranten. Die Differenz von gut 900 Euro komme überwiegend dadurch zustande, dass Ausländer weniger verdienen und häufiger arbeitslos sind, heißt es. (esf)

[ Seitenanfang ]

SPuK: Gesundheit von Flüchtlingen

 

Osnabrück. SPuK - eines von acht bundesweiten EQUAL-Projekten im Flüchtlingsbereich - hat sich mit der Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen befasst. Das Kürzel steht für die Entwicklungspartnerschaft "Sprache und Kultur: Grundlagen für eine effektive Gesundheitsversorgung". Ziel der 2005 abgelaufenen ersten Förderperiode war es, über die Entwicklung und den Einsatz neuer Konzepte in der Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge eine Stabilisierung ihrer gesundheitlichen Situation zu erreichen und damit gleichzeitig bestehende individuelle Einschränkungen der Teilhabe am Arbeitsmarkt abzubauen.

In diesem Rahmen haben Birgit Behrensen und Verena Groß von der Universität Osnabrück bereits 2004 unter dem Titel "Auf dem Weg in ein ‚normales Leben'?" eine Analyse der gesundheitlichen Situation von Asylsuchenden in der Region Osnabrück vorgelegt. Die 120-seitige Untersuchung zeigt Zusammenhänge zwischen den Lebensbedingungen von Flüchtlingen und ihrem gesundheitlichen Allgemeinbefinden. Dabei geht es vor allem um die Auswirkungen des ungesicherten Aufenthaltsstatus, der Erwerbslosigkeit aufgrund zahlreicher Hürden beim Arbeitsmarktzugang und der zentralisierten Unterbringung. Ein weiteres Ergebnis ist eine 76-seitige Broschüre "Gesundheit und Beschäftigung für Flüchtlinge - Empfehlungen aus der Praxis", die vom Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V. herausgegeben wurde. In die Begründung der sechs Empfehlungen sind auch Ergebnisse der transnationalen Kooperation eingeflossen. (esf)

Bezug: Förderverein Niedersächsischer Flüchtlingsrat e.V., Langer Garten 23 B, 31137 Hildesheim, Tel.: 05121-102686/87, gesundheit@nds-fluerat.org, www.nds-fluerat.org 

[ Seitenanfang ]

Projekt POLITIS

 

Auf der Jahrestagung des deutschen Netzwerks des Europäischen Migrationsnetzwerks (EMN) Ende Oktober 2007 in Nürnberg stellte Frau Dr. Dita Vogel vom Interdisziplinären Zentrum für Bildung und Kommunikation in Migrationsprozessen (IBKM) an der Universität Oldenburg erste Ergebnisse des Projekts POLITIS zum gesellschaftlichen Engagement von Zuwanderern in Europa vor. Die Untersuchung wurde in 25 Ländern durchgeführt und ist Teil des 6th Research Framework der Europäischen Kommission. Das Projekt versucht mittels Umfrage bei eingebürgerten Zuwanderern deren gesellschaftliches Engagement zu eruieren. Als vorläufiges Fazit der Studie hielt sie fest, dass das Engagement von Zuwanderern durch individuelle Ressourcen und Gelegenheitsstrukturen der Gesellschaft bestimmt werde. Bildung sei - wegen der erworbenen Fähigkeiten und dem selbstbewussten Umgang mit Problemen - die erste, zentrale Ressource. (esf)

Kontakt: Dr. Dita Vogel, Fakultät I, IBKM, Postfach 2503, 26111 Oldenburg, Tel. 0441-798-2936, dita.vogel@uni-oldenburg.de 

[ Seitenanfang ]

DJI: Misserfolge fördern Desintegration

 

Das Deutsche Jugendinstitut (DJI) hat auf der DJI-Tagung "Herausforderung Integration: Bessere Bildungs- und Berufschancen für Jugendliche aus Zuwandererfamilien" am 27. Juli 2006 in München aktuelle Forschungsergebnisse zur Interaktion von beruflicher und sozialer Integration bei jugendlichen Migranten präsentiert. Die Ergebnisse leisten nach Auffassung des DJI einen wesentlichen Beitrag zur laufenden Integrationsdebatte, "da sie Hinweise darauf liefern, unter welchen Rahmenbedingungen, sich Migrantenjugendliche diskriminiert fühlen und mit einem Rückzug auf die eigene ethnische Gruppe reagieren". Dieser Rückzug wiederum könne den Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt erschweren, so Pressesprecherin Andrea Macion.

Der DJI-Forschungsschwerpunkt "Übergänge in Arbeit" untersucht in einer Längsschnittstudie die bestimmenden Faktoren ausbildungsbezogener und beruflicher Integration, Formen von (Re-)Ethnisierung unter jugendlichen Zuwanderern sowie die Wirkungen dieser Aspekte auf die weitere berufliche und soziale Integration. Dafür wurden repräsentativ knapp 700 türkischstämmige und russlanddeutsche Jugendliche in Deutschland erstmals unter anderem nach ihren subjektiven Erfahrungen hinsichtlich Diskriminierung befragt. Die Ergebnisse zeigen, dass Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit Migrationshintergrund stark bildungs- und ausbildungsorientiert sind und danach streben, sich über Bildung und Ausbildung in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Macion betont aber auch: "Je weniger erfolgreich diese Jugendlichen im Übergang von der Schule in den Beruf sind, desto eher interpretieren sie dies als Diskriminierung, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit eines Rückzuges auf die Herkunftsgruppe und desto größer ist die Gefahr einer Desintegration." (esf)

[ Seitenanfang ]

Identitätsstile junger Türken in Berlin

 

Woran orientieren sich türkischstämmige Jugendliche in Deutschland? Was treibt sie an? Welche Formen wählen sie, sich selbst auszudrücken? In 530 Interviews mit türkischen Jugendlichen, die in der 2. und 3. Generation in Berlin leben, ist Dr. Ümit Öztoprak diesen Fragen nachgegangen. Seine empirische Untersuchung, die unter dem Titel "Identitäts- und Akkulturationsstile türkischer Jugendlicher" im November 2006 erschienen ist (ISBN 3-88939-787-5), hinterfragt die Lebensstile und Werte dieser Gruppe. Ziel war es, herauszufinden, ob Konflikte zwischen unterschiedlichen Kulturen tatsächlich immer schon vorgeprägt sind - davon gehen Vertreter der Kulturkonfliktthese aus. Dieser zufolge sorgen unterschiedliche Werte in den Kulturen - das, was Menschen in ihrem Leben für wichtig erachten - dafür, dass das Leben immer wieder von Konflikten bestimmt wird. Mit seiner Befragung der 13- bis 22-jährigen Jugendlichen konnte Öztoprak nachweisen, dass vor allem psychologische Ressourcen beim Einzelnen darüber entscheiden, ob es zum Konflikt kommt oder nicht. Personen mit hohem Einfühlungsvermögen, aber auch mit der Fähigkeit, an sich und ihren eigenen Erfolg zu glauben, sind in der interkulturellen Kommunikation eindeutig überlegen. Diese Fähigkeit wird, so Öztoprak, vor allem in der Pubertät in Schule und im Elternhaus geprägt. Die Studie des Berliner Geschäftsführers eines Personaldienstleisters erschien im IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation und kostet 19,90 Euro. (esf)

[ Seitenanfang ]

Die verkannte Integration

 

Selbst- und Lebensentwürfe von Heranwachsenden aus Migrantenkreisen werden bislang kaum unter dem Blickwinkel der allgemein zu beobachtenden Spannung von spätmoderner Vergesellschaftung und Individualisierung diskutiert. Eher werden sie speziellen Kollektiven oder Problemen zugeordnet, die mit nationalen Herkunftsgruppen in Verbindung gebracht oder auf so genannte Kulturkonflikte zurückgeführt werden. Dr. Sabine Mannitz bricht mit ihrem im September 2006 beim transcript-Verlag erschienenen Buch "Die verkannte Integration. Eine Langzeitstudie unter Heranwachsenden aus Immigrantenfamilien" bricht mit dieser Perspektive. Stattdessen zeichnet Mannitz in sechs Fallstudien individuelle Sozialisationsverläufe nach, die, wie die Autorin schreibt, "zwar der herrschenden Klassifikationsordnung unterliegen, diese in der sozialen Praxis aber zugleich für den biographischen Selbstentwurf transformieren". Ihr zufolge lassen sich in diesen Prozessen neuartige Formen der Integration komplexer Gesellschaften erkennen. Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Vorstandsmitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt am Main. Sie arbeitet unter anderem über Migration und Diversität, über gesellschaftliche Sozialisationsinstitutionen und deren Wandel unter dem Eindruck von Transnationalisierungsprozessen. Gegenwärtig ist sie als Forscherin und operative Leiterin in einem Projekt der Volkswagen-Stiftung tätig. 346-seitiges Buch (ISBN: 3-89942-507-3) kostet 30,80 Euro. (esf)

[ Seitenanfang ]

Integration in Bielefeld

 

Im Rahmen eines Projekts bei der Regionalen Personalentwicklungsgesellschaft (REGE mbH), einem Tochterunternehmen der Stadt Bielefeld, ist im Zeitraum 2005 - 2006 die Situation der Migrantenbevölkerung in Bielefeld untersucht worden. Die Studie "Integration als Zukunftsaufgabe - Bericht zur Arbeitsmarkt- und Sozialintegration der Migrantenbevölkerung in Bielefeld" von REGE-Mitarbeiterin Yasin Sever. Der 126-seitige Bericht beschreibt zunächst die demografische Entwicklung, die Entwicklung der Migrantenbevölkerung und die kommunale Integrationspolitik. Anschließend wird detailliert auf Fragen der schulischen und beruflichen Bildung, des Arbeitsmarktes, der Integration im Stadtteil und die Strukturen der Integrationsarbeit in Bielefeld eingegangen. Hierbei werden auch Visionen für die Stadt entwickelt. Ähnliche Studien würde man sich für viele deutsche Großstädte wünschen. Der Bericht ist auch als pdf-Dokument auf der homepage der REGE (www.rege-mbH.de) zu finden. (esf)

[ Seitenanfang ]

Religiöse Identifikation befördert die Integration

 

Ihr Buch "Die fremde Braut" erregte 2005 Aufsehen. Wenig beachtet wurde dagegen eine schon 2002 von Necla Kelek veröffentlichte Studie "Islam im Alltag: Islamische Religiosität und ihre Bedeutung in der Lebenswelt von Schülerinnen und Schülern türkischer Herkunft". Zu Unrecht, findet Dr. Sabine Schiffer vom Institut für Medienverantwortung. Das 198-seitige Buch erschien beim Waxmann Verlag (ISBN 3-8309-1169-6)

Nach einem detaillierten Überblick über die Forschungsliteratur zum Thema Migration und (islamisch-)religiöse Identität, präsentiert die Autorin die Ergebnisse Ihrer qualitativen Untersuchungen in einer Schule in Hamburg Wilhelmsdorf. Dabei geht sie zunächst kritisch auf einzelne Theorien wie etwa die Kulturdifferenz-Hypothese und die Modernitätsdifferenz-Hypothese ein und fasst schließlich Forschungsergebnisse der Langzeitstudien von Werner Schiffauer ebenso anschaulich übersichtlich zusammen wie die von Klaus Hoffmann und Ulrike Popp in Bezug auf türkische Migranten sowie die Arbeiten von Schiffauer, Ursula Mihciyazgan, Wilhelm Heitmeyer und Frank-Ole Sandt in Bezug auf eine islamische Orientierung. Aufgrund der unterschiedlichen wissenschaftlichen Ansätze der genannten Autoren und deren divergierende Forschungsergebnisse und Schlüsse ergibt sich ein Fragenkatalog, der anhand von Keleks Interviewergebnissen abgeprüft werden soll. Also, etwa bezüglich der Frage, wie sich Einstellungen der Herkunftsgesellschaft aber auch die Wechselwirkung zwischen zugewandertem Bevölkerungsteil und Aufnahmegesellschaft jeweils auf die Integration auswirken.

Nach vorbereitenden Gesprächen und Beobachtungen erscheint eine nicht standardisierte Interviewmethode vielversprechend, die sie mit Jugendlichen türkischer Herkunft durchführt. Sowohl die offene Gesprächsform als auch die Möglichkeit zum Sprachwechsel zwischen Deutsch und Türkisch erweisen sich dabei als besonders effektiv, um Vertrauen zu gewinnen und intime Familien- und Ansichtsthemen etwa über (religiöse) Identität, persönliche Schwierigkeiten usw. mit den Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren führen zu können. Diese kann man grob als zur zweiten Generation zugehörig einstufen.

Die Ergebnisse stellt Kelek prototypisch anhand von acht der interviewten jungen Leute vor und interpretiert die Ergebnisse sorgfältig. Sie sind eindeutig: Eine sichere und reflektierte religiöse Identifikation befördert die Integration in die Aufnahmegesellschaft. Während also eine weniger reflektierte Verortung des eigenen Selbst eher zu einem Ghettodasein auch im Denken führt, ermöglicht die Auseinandersetzung mit Fragen von Herkunft, Familienzugehörigkeit, eigener Religion und Möglichkeiten für die Zukunft die Fähigkeit, sich als Mitglied der Herkunftsgesellschaft ebenso zu verorten wie als Mitglied der Aufnahmegesellschaft. Dass eine kenntnisreiche und sichere islamische Sozialisation sich als integrierend erweist, erstaunt nur vor dem Hintergrund von Keleks Publikationen seither - dies steht im klaren Widerspruch zu ihren Aussagen in populären Publikationen wie "Die importierte Braut" und "Die verlorenen Söhne". Man ist geneigt, die Autorin nach den Gründen für die Kehrtwende in Ihren Ansichten oder zumindest Präsentationen fragen zu wollen. In jedem Fall kann man sich an dieser wissenschaftlich solide verankerten Arbeit einer Soziologin orientieren, die die komplexen Prozesse der Integration muslimisch-türkischer Nachfahren in einem bestimmten Umfeld in einer deutschen Stadt beleuchtet.

Ob sich die Auswahl der Schule und auch die Anzahl ihrer Interviewpartner jedoch überhaupt eignen, um allgemeingültige Aussagen zu machen, muss auch bei dieser Arbeit kritisch hinterfragt werden. Es handelt sich um qualitative Beobachtungen, die eine wichtige Grundlage darstellen, um weitere Forschungen anzustellen - etwa ein Vergleich zwischen der Sozialisation von türkischen Migranten in einer Ghetto-Situation, in einem Mittelstandsviertel oder gar auf dem Lande usw. sowie die Erfahrungen anderer Migrantengruppen in den jeweiligen soziokulturellen Umfeldern. Ob der Titel des Buches "Islam im Alltag" gut gewählt ist, ist Ermessenssache. Er scheint mir auf die Publikation von Abdullah Borek von 1998 besser zuzutreffen, der dezidiert islamische Fragestellungen, die sich in einer mehrheitlich nicht islamischen Gesellschaft ergeben, beantwortet. Auf jeden Fall ist Keleks Buch eine lesenwerte Studie und es ist bedauerlich, dass dieses gut lesbare und nachvollziehbare Buch bisher so wenig Beachtung fand, es hätte diese längst verdient.

Dr. Sabine Schiffer,
Institut für Medienverantwortung

[ Seitenanfang ]

Migration und Politische Bildung

 

Kaum ein gesellschaftspolitisches Thema wird so kontrovers diskutiert und steht so stark in der politischen Öffentlichkeit wie das der Migration. Auch in der politischen Bildung ist das Interesse an Fragen der Migration und Integration gestiegen. Durch die erhöhte gesellschaftliche Aufmerksamkeit entwickeln sich nicht nur in traditionellen Bildungseinrichtungen, sondern ebenso in Migrantenselbstorganisationen neue, auf Integration und Partizipation zielende pädagogisch-didaktische Perspektiven. In einem von Heidi Behrens und Jan Motte herausgegebenen Buch "Politische Bildung in der Einwanderungsgesellschaft" wird die Diskussion um das Thema aus der Sicht von Mehrheit und Minderheiten widergespiegelt. Das beim Wochenschau Verlag erschienene 432-seitige Buch (ISBN 3-89974205-2) zeigt aber auch, welche Konzepte bereits existieren und möchte anregen, diese sach- und teilnehmerorientiert fortzuschreiben. (esf)

[ Seitenanfang ]

"Störungen nutzen statt unterdrücken"

 

Wer kennt sie nicht, die kommunikativen Patzer, wenn es um andere Kulturen geht? Gerade heute, wo jeder mit Fragen der Globalisierung konfrontiert wird, wünscht man sich einen besseren Durchblick. Genau dies bieten Gesa Krämer und Stephanie Quappe mit ihrem Buch "Interkulturelle Kommunikation mit NLP". Mit theoretischen und guten praxisorientierten Beispielen versuchen die beiden Autorinnen fremde Welten näher zu bringen. Dabei geht es weniger um die Aufzählung von Mangel und Defiziten, sondern um die Wahrnehmung der eigenen Kultur bzw. Denke. Denn kulturelle Unterschiede sollten als Information und nicht als Defizit betrachtet werden, fordern sie folgerichtig, wenn sie von "interkultureller Kommunikation" sprechen. Eine Tatsache, die Lehrer, Sozialpädagogen und all jene Laien und Scheinexperten verinnerlichen sollten, die sich mit Migration und Integration beschäftigen.

Krämer und Quappe wollen mit ihrem Buch nicht einen Standard der Vielfalt schaffen. Vielmehr vermitteln sie mit ihrer Devise "Störung nutzen statt unterdrücken" die viel beredete jedoch selten erworbene Kompetenz im Bereich der Interkulturalität. Dies gelingt ihnen mit wertvollen und leicht umsetzbaren Tipps sowie übersichtlich gestalteten Themen. Und auch wenn das Buch wissenschaftlich ausgerichtet ist, die Tabellen eine Lupe brauchen, um gelesen zu werden und das Coverfoto (verschleierte Frau, wo nur die Augen zu sehen sind ) alles andere als interkulturell kommunikativ ist: Für Trainer und all jene, die im Bereich der Interkulturellen Kommunikation tätig sind, bietet es eine unverzichtbare Lektüre. Denn es ist das erste Fachbuch, das Theorie und Praxis verbindet und durch einfache Erklärungen, Textbausteine, einem umfangreichen Glossar und zahlreichen Beispielen auch dem Laien einen Zugang ermöglicht. (sk)

[ Seitenanfang ]

Studenten sind abwanderungsbereit

 

Die Europäische Kommission unterstützt im "Jahr der Mobilität der Arbeitnehmer 2006" die räumliche Flexibilität der Bürger. Die Geographiestudentin Katharina Puch (Universität Trier) fragte sich daher Anfang des Jahres: Wenn die EU so ausdrücklich die Mobilität fördert, dann doch wohl, weil zu wenig Arbeitnehmer trotz Binnenmarkt zu wenig mobil sind? Aber warum ist das so? Und wie sieht das bei ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen aus, die ja ganz anders als früherer Generationen mit Europa groß geworden sind? Sind sie mobiler? Unter dem Titel "Räumliche Mobilität von zukünftigen Hochqualifizierten innerhalb Europas" hat Katharina Puch Anfang November 2006 in ihrer Diplomarbeit Antworten vorgelegt. In ihrer Untersuchung zu Abwanderungsbereitschaft und Migrationspotential deutscher Studenten konnte sie zeigen, dass 10 - 20 % der Studenten bereits sind, ins Ausland zu gehen. Hierbei würden sie die alten EU-Länder den neuen osteuropäischen Mitgliedern vorziehen. Dieser Anteil scheint recht hoch, schließt Puch, betrachtet man die volkswirtschaftlichen und gesellschaftlichen Auswirkungen. Für Deutschland geht sie jedoch davon aus, "dass die Migrationsströme weiterhin eher einen Austausch von Hochqualifizierten aufweisen, als einen ‚Brain Drain'". Als Motive für die mögliche Abwanderung aus Deutschland nannten ihr die 910 befragten Studenten vor allem "Abenteuerlust", das Kennenlernen neuer Sprachen und Kulturen sowie ein vermutetes angenehmeres Arbeitsklima in anderen Ländern. Aber auch Gründe wie die bessere Kinderbetreuung oder weniger Bürokratie bzw. Hierarchie als in Deutschland sind Pull- und Push-Faktoren. Die von Puch festgestellte gestiegene Neigung der heutigen Studentengeneration, abzuwandern, spielt auf politischer Ebene bislang keine größere Rolle, da die Zuwanderung Hochqualifizierter einen möglichen Verlust bislang ausgleicht. (esf)

Kontakt: katharina.puch@web.de 

[ Seitenanfang ]

Jugendliteraturpreis für Sachbuch zur Sinti-Verfolgung

 

Anja Tuckermann hat im Oktober 2006 für ihr Buch "Denk nicht, wir bleiben hier!" (C. Hanser Verlag) in der Sparte Sachbuch den Deutschen Jugendliteraturpreis erhalten. Das Buch über das Leben des deutschen Sinto Hugo Höllerreiner ist nicht ihr erstes, in dem sie sich mit der Verfolgug und Ermordung der Sinti und Roma unter der NS-Herrschaft befasst. 1995 erschien ihr erstes Jugendbuch, der Roman "Muscha", in dem Tuckermann das Leben des Sinto Josef Muscha Müller beschreibt, den sie in einem Berliner Erzählcafé kennen gelernt hatte. 1996 schrieb sie für das Grips-Theater "Asra, die von gegenüber", ein Stück, das die Situation bosnischer Flüchtlinge in Deutschland thematisiert. Schon in dem Band "In die Flucht geschlagen" hatte Tuckermann 1989 Flüchtlingsgeschichten herausgegeben. Das nun ausgezeichnete Buch überschreitet in der unverblümten Beschreibung des Lebens des 9-jährigen Hugo Höllenreiner "die Grenzen des Erträglichen um der Sache willen", so DIE ZEIT vom 16.01.06. Bei der Preisverleihung im Rahmen der Frankfurter Buchmesse sagte sie: "Er hat diese zwei Jahre als Kind in den Lagern aushalten müssen, dann sollten wir als Leser das auch aushalten". Tuckermann ist zur Zeit auf Lesereise unterwegs und erfährt gerade seitens Jugendlicher, die wenig über diese Zeit wissen und sehr interessiert sind, dass Leserinnen und Leser es genau wissen wollen. (esf)

[ Seitenanfang ]


Belletristik

Miss Webster und der Charme des Anderen

 

Nein, eine Menschenfreundin, die das Leben genießt, ist Miss Webster, frühzeitig pensionierte Französischlehrerin, sicher nicht. Im ländlichen Dorf Great Blessington gilt sie bestenfalls als Sonderling oder griesgrämige alte Jungfer. Ihre kritische Weltsicht und beißende Ironie funktionieren auch im Ruhestand doch eines späten Abends vor dem Fernseher (dort läuft gerade eine Kriegsrede von Bush jun.) schaltet Miss Websters Körper auf Standby.

Zurückgeholt aus ihrer Lähmung schickt sie ihr Arzt in die Fremde auf die Suche nach den Gründen für ihren Stillstand. Und seine Therapie trägt Früchte; In der marokkanischen Wüste erleidet Miss Websters betoniertes Weltbild die ersten Erschütterungen. Nicht lange nach ihrer Rückkehr ins kühle England wird ihre selbst gewählte Einsamkeit jäh gestört. Vor ihrer Haustür steht ein junger gut aussehender Araber inklusive Gastgeschenken und stellt sich als Sohn ihrer marokkanischen Hotelwirtin vor. Miss Webster fühlt sich verpflichtet, den angehenden charmanten Studenten unter ihre Fittiche zu nehmen und was sich daraus entwickelt, ist eine der schönsten und intelligentesten Komödien der letzten Jahre. Wenn Miss Webster ihren Schützling in die ihr verhasste Mitternachtsmesse zu Weihnachten begleitet, wenn die beiden gemeinsam eine Aufführung von Bizets Carmen besuchen, dann wird aus dem Kampf der Kulturen ein literarischer Schlagabtausch, der zeigt, wie befruchtend Streitgespräche sein können. Mit voreiligen Schlüssen sollte man allerdings vorsichtig sein; nicht nur Miss Webster muss erfahren, dass die Wirklichkeit sich meist nicht an den eigenen Erwartungen orientiert.

Patricia Duncker, geboren in Jamaika, aufgewachsen in Frankreich und heute als Literaturwissenschaftlerin an einer englischen Universität tätig, ist bekannt für ihre literarische Wandlungsfähigkeit. Mit ihrem Spiel zwischen Orient und Abendland, zwischen Alter und Jugend, zwischen Mann und Frau ist ihr einmal mehr ein brillantes Buch gelungen. Der beim Berlin Verlag erschienene 255-seitige Roman "Miss Webster und Cherif" kostet 19,90 Euro.

Paul Philippi, der buchladen

[ Seitenanfang ]

brit and brown oder: Der Traum ist aus

 

Shalimar nennt der Vater stolz und verheißungsvoll die Doppelhaushälfte im Londoner Vorort Croyden, die zum Ausgangspunkt großer Erwartungen wird. Vater und Mutter stammen aus den Weiten des britischen Empire, die Kinder sind brit and brown und für die Eltern ist die erfolgreiche Assi-milation das erklärte Ziel. Hinter sich alle Brücken abbrechend, versucht man, möglichst britisch zu sein und nicht anzuecken.

Vor allem dem jüngsten Sohn Ant scheint eine glänzende Karriere bevorzustehen. Nach wilden Jugendjahren mit Drogen- und Sexeskapaden wird er zu einem eloquenten Rechtsanwalt, der sich vor allem der gesellschaftlichen Außenseiter annimmt. Doch irgendetwas läuft furchtbar schief: nach dem rätselhaften Tod des Bruders versucht die ältere Schwester und Ich-Erzählerin, Klarheit zu finden über die Gründe für das Scheitern.

Layla Shahs Ermittlungen führen immer wieder an die Bruchstellen familiärer und gesellschaftlicher Erschütterungen. Wo verlaufen die Grenzen zwischen persönlichem Schicksal, Erziehung, gesellschaftlicher Prägung, Familiengeschichte und sozialem Umfeld? In ausdrucksstarken Bildern und Erinnerungen zieht Layla Shah das bittere Resümee eines gescheiterten Anpassungsversuchs. Keiner aus der Familie wird jemals in der britischen Mittelschicht ankommen.

Eine müde Resignation zieht sich durch Shahs Buch, wenn die Autorin etwa den unaufhaltsamen Abstieg des Vorortes Croyden beschreibt oder die immer neuen Vorhaben des Vaters, die stets auf halbem Wege stecken bleiben. Die Schwester findet keine Antwort auf ihrer Suche nach den Gründen für den Tod des Bruders. Was bleibt sind Anhaltspunkte, scharfe Momentaufnahmen, die kein Gesamtbild ergeben wollen und ...Trauer.

Layla Shah, geboren 1949 in London, arbeitete als Architektin in London, dem Nahen Osten und Hongkong. Unter dem Namen Layla Dawson schreibt sie über zeitgenössische Architektur für die internationale Fachpresse. Seit 1989 wohnt Layla Shah in Hamburg. Ihr 275-seitige Roman "brit and brown" ist im Arche Verlag erschienen und kostet 19,90 Euro.

Paul Philippi, der buchladen

[ Seitenanfang ]

Getürkte Weihnacht

"Mit seinen Geschichten aus dem deutsch-türkischen Alltag hat sich der Satiriker Osman Engin zum bekanntesten deutsch-türkischen Humoristen gemausert", schreibt die Zeitschrift "Prinz". Auch AiD-Leserinnen und Leser kennen seinen Humor über die regelmäßigen Kurzsatiren auf der letzten Seite. Beim Deutschen Taschenbuch Verlag ist nun sein sechster Band erschienen: "Getürkte Weihnacht". Und was für eine Bescherung bietet uns der Bremer:! Der Vorzeige-Einwanderer Osman hat beschlossen, nun auch noch wie die "Eingeborenen" zu feiern. Doch auf dem Weg dorthin gilt es einige Probleme zu bestehen: vom Tannenbaumkauf über das Weihnachtsessen mit den Kollegen aus Halle 4 bis zum Christmasshopping für Frau Eminanim und die Kinder - alles will gelernt sein. Der 155-seitige Band mit 21 Geschichten, wunderbar ergänzt durch Illustrationen von Til Mette, kostet nur 6.90 Euro. Kein Scherz. (esf)

[ Seitenanfang ]

Die unvergessene Brankica Becejac

 

Das Werk von Brankica Becejac ist nur schmal geworden, denn die 1970 im jugoslawischen Novi Sad als einziges Kind eines serbischen Vaters und einer kroatischen Mutter geborene Autorin wurde im Juni 2001 ermordet. Von ihrem Ehemann, der sich danach erhängte. Was vordergründig ein Eifersuchtsdrama ist, enthält viele Schattierungen gesellschaftlich vorhandener Gewalt - zwischen den Geschlechtern und eine Gewalt der Nichtakzeptanz von Lebenskonzepten, gegen die Brankica immer angeschrieben hat.

Als Tochter von "Gastarbeitern" war das junge Mädchen nach Hannover gekommen, ging dort zur Schule und zur Universität. Es waren harte Zeiten, mit viel offener und noch mehr unterschwelliger fremdenfeindlicher Aggression - wie Brankica später in einem schönen Essay beschreiben wird. Die Mutter arbeitete als Metallschleiferin. Vorher war sie in Zagreb Gymnasiallehrerin für Geschichte und Geographie. Dann verschlug es sie in eine andere Welt. In einem Ausländerheim lernte sie ihren Mann kennen, einen "Metaller und fabelhaften Fußballer". Irgendwann in den 1990er-Jahren schlägt ihr ein Skinhead in der Straßenbahn mit einem Knüppel die Hand blutig. Mitten in Hannover. So wird Gewalt schon früh Brankicas Thema. Zwei Jahre später schreibt sie einen - so die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z. vom 28.10.06) - "meisterhaften Bericht über diesen Angriff" in der Wochenzeituing "Freitag", für die sie seit ihrem Umzug 1999 nach Berlin schreibt. Brankica interessieren jedoch nicht nur die physischen, sondern auch die heimlichen Gewaltstrukturen zwischen den Geschlechtern, Klassen und Ethnien. Ihre eigene diesbezügliche Erfahrung läuft über Ausgrenzung durch Sprache. Die Umgebung lässt sie spüren, dass es für ein Migrantenkind ungehörig ist, besser Deutsch zu können als die Deutschen. Denn Brankica ist sprachlich hoch talentiert. Sie wird zu einer missmutig betrachteten Überfliegerin. Ihre Magisterarbeit schreibt sie über Ingeborg Bachmanns Roman "Malina".

In Berlin testet Brankica Grenzen, nimmt sich unerhörte intellektuelle und sexuelle Freiheiten heraus, mit Frauen und Männern. Was für sie ein ästhetisch-politisches Projekt ist, bleibt ihren Eltern fremd. Während des Studiums der Germanistik und Sozialpsychologie gründet sie mit zwei Kommilitonen eine WG mit konkretem Programm: gemeinsam leben, denken und arbeiten. Mit hoher Intensität soll eine Art think-tank für Literatur, Soziologie, Philosophie, die digitale Welt und das Leben jenseits von "Spießerkonventionen" gelebt werden. Über fünf Jahre lang lebt sie mit zwei Männern zusammen: ihrem späteren Mann und Mörder, und mit ihrem "Bruderfreund", der unrettbar in sie verliebt war. Kurz vor ihrem Tod erhält sie ein Stipendium der Stiftung Kulturfonds und schreibt ihre erste Novelle "Die Aufgabe". Eine erste Bestätigung, kurz vor der Katastrophe. Befürchtet hatte sie immer Angriffe durch Neonazis oder Antifeministen, doch der tödliche kommt 2001 aus der eigenen Welt.

Fünf Jahre später - im Sommer 2006 - ist nun unter ihrem Namen ein Buch "Ich bin so wenig von hier wie von dort" veröffentlicht worden, das auf 253 Seiten ihr Leben und Werk aufzeigt. Das Buch besteht aus ehrlichen Texten von vier Freunden, "ehrlich bis an die Grenze der Zumutung", heißt es in der F.A.Z. Vieles dreht sich um die Umstände der Tat. Doch das bei der Edition Nautilus erschienene Buch hat nichts mit einem Krimi gemein. Denn aufzuklären gibt es nichts. Wohl aber etwas zu lernen über die Grenzen von Verstehen und Intellekt. Und über den Verlust einer offenbar erstaunlichen Frau. (esf)

[ Seitenanfang ]

"Wie schön weiß ich bin"

 

Essen. Für das Prosagedicht "Wie schön weiß ich bin" sind der niederländische Autor Dolf Verroen und sein Übersetzer Rolf Erdorf im Herbst 2006 mit dem Gustav-Heinemann-Friedenspreis für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeicnet worden. Den Preis vergibt die nordrhein-westfälische Landesregierung seit 1983. In dem Buch erzählt die Tochter eines Plantagenbesitzers in Surinam aus ihrer Sicht von den Privilegien der Weißen. Es demonstriere eindrucksvoll die Wirkungen von Diskriminierung und Rassismus, hieß es in der Begründung der Jury. Die Auszeichnung, deren Preisgeld in Höhe von 7.500 Euro zu zwei Dritteln an den 1928 in Delft geborenen Autor und zu einem Drittel an seinen Übersetzer geht, wurde am 13. November 2006 in der Stadtbibliothek Essen überreicht. (esf)

[ Seitenanfang ]


Poster / Kalender / Austellungen

Poster Muslime in 4. Auflage

 

Saarbrücken. Das Ende der 1990er-Jahre erstmals von isoplan für die Mobilitätsberater der Bundesagentur für Arbeit erstellte Poster "Muslime in Deutschland" ist im Herbst 2006 in komplett überarbeiteter Fassung neu aufgelegt worden. Finanziell gefördert vom Bundesministerium des Innern und der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt die Übersicht im Din A1-Format aktuelle Daten zur Verbreitung des Islam sowie zu Muslimen in Deutschland, stellt die historische Ausbreitung sowie wichtige Daten dar und erläutert die wichtigsten Glaubensgrundsätze und -richtungen. Neu sind die Aufnahme von Daten zum interreligiösen Dialog und eine Übersicht zu den wichtigsten Moscheeverbänden in Deutschland. (esf)

Kostenloser Bezug: isoplan CONSULT GbR, Susanne Druck, Martin-Luther-Str. 20, 66111 Saarbrücken, Tel.: 0681-93646-15, Fax: -11, consult@isoplan.de

[ Seitenanfang ]

Neue interkulturelle Kalender 2007

 

Frankfurt/ Berlin/ Regensburg/ Nürnberg. Wann fängt der Ramadan an? An welchem Tag beginnt das jüdische Neujahr? Wann feiern die Tamilen wieder ihr Pongalfest? Oder Weihnachten - auf welche Wochentage fällt es 2007? Zur Jahreswende sind wieder eine Reihe interkultureller Kalender erschienen, die diese und weitere Fragen beantworten. So gibt das Amt für multikulturelle Angelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main seit über zehn Jahren das internationale Kalendariumsposter "Feste der Völker" heraus. Es listet inzwischen Feiertage von 70 Nationen und kulturellen Minderheiten sowie von 23 Religionsgemeinschaften aus aller Welt auf. Damit ist der Kalender für viele Institutionen, die Integrationsarbeit leisten, im Ausland tätige Einrichtungen sowie Personen mit privatem Kontakt zu Migranten ein wertvolles Medium, um sich einen Überblick über internationale Feiertage zu verschaffen. Die Ausgabe 2007 ist nun als Wandmonatskalender im DIN A3-Format erschienen. Er zeigt Motive des Frankfurter Fotografen Heiko Arendt aus der Welt verschiedener Religionsgemeinschaften. Der Kalender ist erhältlich für 7,80 Euro beim Verlag für Akademische Schriften (VAS) (Tel.: 069/779366 oder E-mail: info@vas-verlag.de).

Auch der Ausländerbeirat Nürnberg hat für 2007 wieder einen interkulturellen Kalender gestaltet. Der Kalender ist sowhl im Format DIN A1 als auch in DIN A2 erhältlich und wird in Nürnberg kostenlos abgegeben. Er ist auch im Internet einsehbar unter: www.auslaenderbeirat.nuernberg.de/info.htm.

In vielen Berliner Schulen, Büros, Behörden, Firmen, Religionsgemeinden oder Privatwohnungen hat auch der Interkulturelle Kalender, den Berlins Beauftragter für Integration und Migration, Günter Piening, jährlich herausgibt, seinen festen Platz als wichtige Informationsquelle. Der Kalender für das kommende Jahr ist gerade erschienen. Für den Integrationsbeauftragten ist die wachsende Nachfrage nach diesem Kalender ein Beleg, dass die interkulturelle Öffnung der Gesellschaft nicht nur ein Schlagwort ist. "Der Interkulturelle Kalender", so Piening, "ist auch ein Stück Willkommenskultur, dass Vielfalt, gerade auch kulturelle und religiöse Vielfalt, positiv besetzt sind." Der Kalender soll auch eine Orientierung im interkulturellen Alltag bieten. Er hilft, Rücksicht auf kulturelle und religiöse Traditionen von Nachbarn, Geschäftspartnerinnen, Freunden, Kolleginnen oder Mitschülern zu nehmen. Gegen eine Schutzgebühr von 0,50 Euro pro Exemplar ist der Kalender erhältlich beim Beauftragten des Senats für Integration und Migration (Potsdamer Straße 65, 10785 Berlin, Tel.: 030/ 9017 - 2357 oder 9017 - 2322, Fax: 030/ 262 54 07, Integrationsbeauftragter@
auslb.verwalt-berlin.de
). Außerdem steht er auch wieder auf den Internetseiten des Integrationsbeauftragten als Download bereit unter: http://www.berlin.de/lb/intmig/publikationen/
religion/kalender.html
.

Für den Ausländerbeirat der Stadt Regensburg dagegen war die Erstellung eines Wandkalenders für 2007 etwas Neues. Ziel ist, auf die Integration von Migranten in Deutschland aufmerksam zu machen. Mit dem Motto "Auch wir sind Deutschland" werden Migranten verschiedener Berufsgruppen aus allen Teilen der Welt vorgestellt, die in ihren Berufen erfolgreich in und für Deutschland arbeiten. Mit dem künstlerisch aufwändig gestalteten Wandkalender ist es der Initiatorin und Projektleiterin, Frau Dr. Ewa Schwierskott, gelungen, deren vielfältiges Potenzial darzustellen und die wirtschaftlichen, soziologischen und künstlerischen Einflüsse als Bereicherung unserer Gesellschaft aufzuzeigen. Integration ist ein Prozess, der Offenheit von beiden Seiten verlangt, ein Aufeinanderzugehen und Anerkennen - so die Überzeugung der Initiatoren. Mit dem Kalender möchte man "den Weg des Umdenkens in dieser Gesellschaft weiter anstoßen" und eine höhere Akzeptanz der Ausländer als gleichberechtigte Mitglieder dieser Gesellschaft erreichen. Stimmungsvoll und sensibel hat die Fotografin Juliane Zitzelsperger die Lebenswelten der einzelnen Persönlichkeiten in Szene gesetzt, darunter ein afrikanischer Fußballclub aus München, eine armenisch-iranische Strahlentherapieärztin, ein amerikanischer Universitätsdozent für slawische Literatur, ein türkischer Anwalt und ein internationales Team für Stammzellenforschung. Der Erlös des Wandkalenders im Format 33 x 46 cm (Bezug: www.auslaenderbeirat-regensburg.de, Tel. 0178/8776465) dient der Finanzierung und Unterstützung zukünftiger Projekte des Ausländerbeirates der Stadt Regensburg. (esf)

[ Seitenanfang ]

"Meine neue Heimat" - Fotos Zugewanderter

 

Rostock. Am 8. November 2006 wurde im Rostocker Waldemar Hof die Ausstellung "Meine neue Heimat. Fotografische Impressionen von Rostocker Zugewanderten" durch den Geschäftsführer des Vereins Diên-Hông, Michael Hugo, und den Vorsitzenden des Ausländerbeirates Rostock, Dr. Maher Fakhouri, eröffnet. Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Chor der "Freunde der russischen Sprache". In diesem Gemeinschaftsprojekt von Diên Hông mit dem Ausländerbeirat Rostock und der Heinrich Böll Stiftung Mecklenburg-Vorpommern waren bis zum 30. November 32 Fotoarbeiten von in Rostock lebenden Zugewanderten zu sehen. Dabei haben elf Zugewanderte wochenlang mit ihren speziellen Blicken fotografisch ihr neues Umfeld eingefangen. Die Foto-Amateure, die sich sprachlich bei Diên Hông qualifiziert hatten, stammen aus Weißrussland, Kirgisien, Russland und der Ukraine. Ihre Bilder, die erstmals zu sehen waren, können auch nach Ende der Ausstellung im Internet unter: www.dienhong.de/Ausstellungen.3.0.html  betrachtet werden. (esf)

Kontakt: Diên Hông e.V., Bereich allgemeine und politische Weiterbildung, Carmen Hadel, Tel: 0381/ 769 83 05, E-Mail: BildungDH@aol.com, www.dienhong.de 

[ Seitenanfang ]

Pioniere der Integration

 

Seit der EU-Regelung zur Freizügigkeit hat sich ein neuer Migrationstyp herausgebildet, die als Pioniere der europäischen Integration angesehen werden. Bisher sind es 2% der europäischen Bürger, die in einem anderen EU-Land leben. In einer Studie im Rahmen des "Pioneer-Projekts" wurde diese Gruppe nun untersucht.

Der Liebe wegen ziehen die meisten Europäer in ein anderes EU- Land. Daneben sind das Geldverdienen und die Arbeitssuche nur noch zweithäufigster Grund innerhalb Europas den Wohnort zu wechseln. Eine Verbesserung der Lebensqualität steht an dritter Stelle. Die Zahl der jungen Leute, die aus Arbeitsgründen und Abenteuerlust in die großen Städte Europas ziehen, wächst. Heute sind es mehr und mehr Hochqualifizierte die ihr Heimatland verlassen. Daneben sind ein angenehmer Ruhestand oder das Studium an einer europäischen Universität Gründe für einen Länderwechsel. Meist bleiben die Migranten in der sozialen Klasse, in der sie auch in ihrem Heimatland gewesen sind. In der Sprache des Gastlandes sind die meisten Zuwanderer nicht sehr bewandert. Sie fühlen sich eher als Europäer, haben bessere Kenntnisse über die Europäischen Institutionen und Politik als die Bürger ihres Heimatlandes.

Die Migration nach Deutschland wurde im Pioneer-Projekt ebenfalls untersucht. Je 250 Spanier, Italiener, Franzosen und Briten wurden in Telefoninterviews befragt. Italienische Migranten kommen mit etwa 20 Jahren nach Deutschland, Spanier folgen rund 10 Jahre später, Briten kommen auch noch im Alter von über 40 nach Deutschland. Franzosen und Briten, die in Deutschland leben weisen ein hohes Bildungsniveau auf. Die Berufe, die Italiener in Deutschland ausüben, deuten auf eine Fortsetzung der klassischen Gastarbeitermigration hin. Insgesamt sind die "Mover" im beruflichen Leben integriert, meist verheiratet. Sie sind mit ihrem Leben sehr zufrieden fühlen sich selten diskriminiert und sind Deutschland verbunden.

Die Ergebnisse des Projekts "Pioneer" sind beim Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung Wiesbaden erhältlich. (cb)

[ Seitenanfang ] [ Nächste Seite ] [ Vorherige Seite ]

© isoplan-Saarbrücken. Nachdruck und Vervielfältigung unter Nennung der Quelle gestattet (bitte Belegexemplar zusenden).

Technischer Hinweis: Falls Sie diese Seite ohne das Inhaltsverzeichnis auf der linken Seite sehen, klicken Sie bitte HIER und wählen Sie danach die Seite ggf. erneut aus dem entsprechenden Inhaltsverzeichnis.