Integration in Deutschland 4/2006, 22.Jg., 15. Dezember 2006

SCHWERPUNKT: INTEGRATIONSORT STADT

Integrationsort Stadt

Perspektiven sozial-räumlicher Integration


Podiumsgespräch mit (v.l.n.r.) Prof. Hartmut Häußermann, Tarek Al-Wazir und Aydan Özoguz

Am 28. und 29. September 2006 fand in Nürnberg unter dem Titel „Perspektiven sozial-räumlicher Integration“ der Abschlusskongress zu dem im Januar 2004 gestarteten Forschungsprojekt „Zuwanderer in der Stadt“ statt (siehe AiD 2/05). Im Mittelpunkt des Projektes, das unter der Federführung der Schader-Stiftung und der wissenschaftlichen Begleitung der Forschungsinstitute Deutsches Institut für Urbanistik, Berlin, (Difu) und Institut für Wohnungswesen, Immobilienwirtschaft, Stadt- und Regionalentwicklung an der Ruhr-Universität Bochum (InWIS) lief, stand und steht die Frage, wie Integration vor Ort gelingen kann.

Das Projekt umfasste zwei „Projektsäulen“: ein Expertenforum, dem neben dem Deutschen Städtetag und dem Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen (GdW) Wissenschaftler und Praxisvertreter aus Kommunen und Wohnungsunternehmen angehörten und das Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik erarbeitete sowie ein Praxis-Netzwerk von acht Städten (Berlin, Essen, Frankfurt, Hamburg, Hannover, Mannheim, München und Nürnberg), in denen die Empfehlungen, an den örtlichen Bedürfnissen orientiert, auf ihre Umsetzbarkeit hin zu erproben und weiterzuentwickeln waren. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Aufgabe des Expertenforums war, zunächst die Forschung zum Thema der stadträumlichen Integration von Zuwanderern zu systematisieren, zu ergänzen und neu zu positionieren. Der so aufbereitete Forschungsstand floss in „Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik“ ein, die Anfang 2005 publiziert und öffentlich vorgestellt wurden. Diese Empfehlungen bündeln wissenschaftliche Forschungsergebnisse und praktische Erkenntnisse zur stadt-räumlichen Integration von Zuwanderern und benennen Handlungsfelder, Maßnahmen und Grundsätze zu deren Beförderung, die anschließend in die Praxis, insbesondere in die Kommunen und Wohnungsunternehmen aus dem Praxis-Netzwerk, zu transferieren waren.

Integration trotz Segregation

Aus Sicht der Experten muss aufgrund des Wegfalls von Instrumenten zur Steuerung sozial-räumlicher Entwicklungen in den Kom-munen (z.B. abnehmende Belegungsrechte im sozialen Wohnungsbau), der strukturellen Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und dem damit verbundenen Abnehmen des Integrationsfaktors Arbeit, vor allem die Integration vor Ort (Wohnen und Wohnumgebung) wesentlich an Bedeutung gewinnen. Da in Deutschland aufgrund der Bedingungen des Wohnungsmarktes eine räumliche Konzentration von Zuwanderern stattgefunden hat, gehen die Experten davon aus, dass Integration trotz Segregation stattfinden muss, sie allerdings nicht zum Integrationshemmnis werden darf. Daher sind in den ethnisch, aber eben auch sozio-ökonomisch geprägten Wohnquartieren – bezogen auf die übrige Stadt – gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Ein ganz wesentliches Anliegen der Empfehlungen war es daher, Handlungsfelder und Maßnahmen herauszuarbeiten, welche dazu beitragen, Integration von Zuwanderern vor Ort in den städtischen Wohnquartieren trotz Segregation zu befördern und das Miteinander der Bevölkerungsgruppen in diesen Wohngebieten positiv zu gestalten

In der anschließenden Praxisphase diskutierten Politiker, die Verwaltungen, Quartiersakteure und Wohnungsunternehmen aus den acht im Praxisnetzwerk kooperierenden Großstädten die Empfehlungen und setzten Schwerpunkte innerhalb dieser einzelne Maßnahmen um.

Nicht in allen beteiligten Städten wurde die Prämisse, dass stadträumliche Segregation nicht zu beeinflussen sei, mitgetragen. Für einige Kommunen und Wohnungsunternehmen ist die ethnische und soziale Mischung weiterhin städtebauliches Leitbild, es wird davon ausgegangen, dass einer Konzentration von ethnischen und sozio-ökonomisch benachteiligten Bevölkerungsgruppen wirksam entgegengewirkt werden kann. In fast allen beteiligten Städten erfolgte eine Schwerpunktsetzung innerhalb der Handlungsfelder der Empfehlungen und zwar auf die Bereiche „Bildung und Sprache“, „Partizipation“ und „ethnische Ökonomie“. Einige der umgesetzten Maßnahmen lassen sich in dem von der Begleitforschung erstellten Band Guter-Praxis-Beispiele nachlesen (siehe Seite 7-11).

Zusammenfassend zum Transfer- und Umsetzungsprozess der Empfehlungen lässt sich aus der Sicht der Begleitforschung Folgendes sagen: Die Steuerung des Transfer- und Umsetzungsprozesses erfolgte in den beteiligten Städten hauptsächlich durch die Kommunalverwaltungen, der Prozess lief dann besonders gut, wenn sich auch die Politik für das Thema Integration einsetzte. Die Intention des Projektes, eine Kooperation zwischen Kommunen und Wohnungsunternehmen zu intensivieren, konnte auf der Steuerungsebene nur dort erreicht werden, wo sich die Wohnungsunternehmen im Eigentum der Länder oder Kommunen befanden. Ein inhaltlicher Konsens mit den Empfehlungen beförderte die Bereitschaft der Akteure auf allen Ebenen, sich am Transfer- und Umsetzungsprozess zu beteiligen.

Die Einbindung von Zuwanderern erwies sich, auch auf der konkreten Projektebene, als schwierig. Positiv auf den Umsetzungsprozess und die Entwicklung von Maßnahmen wirkten sich die Aufgeschlossenheit der Akteure für das Thema Integration sowie Relevanz des Themas für das eigene Arbeitsfeld, ein damit verbundenes Engagement sowie Einbindung und Kompetenz der Akteure aus. Vorhandene Vernetzungsstrukturen und personelle und finanzielle Ressourcen, zum Teil aus anderen Förderprogrammen wie dem Bund-Länder-Programm „Soziale Stadt“, beförderten die Umsetzung.

Dass Integration und Segregation umstrittene Themen sind, zeigte sich auch in den Beiträge zum Kongress, in dessen Rahmen verschiedene Foren zu Bildung und Sprachförderung, zu ethnischer Ökonomie, zu Partizipation und lokalen Netzwerken, zu Handlungsansätzen in der Wohnungswirtschaft, zu Stadtteilkultur und zu kommunalen Handlungsmöglichkeiten stattfanden. Deutlich wurde dort, dass Integration eine der großen politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen der nächsten Jahre ist, die von Bund, Ländern und vor allem den Kommunen gemeinsam bewältigt werden muss. Notwendig scheint dabei ein Perspektivwechsel in der Integrationspolitik, der dazu führt, dass weniger die Konzentration von Zuwanderern als vielmehr die Folgen der Konzentration von Armut und sozialer Benachteiligung in den Stadtteilen und ihr Abbau im Vordergrund stehen.

Zum Kongress gab es eine Begleitausstellung, in der die integrationspolitischen Handlungsansätze der beteiligten Städte und ausgewählte Gute-Praxis-Beispiele dargestellt sind. Die Ergebnisse der Begleitforschung zum Projekt werden im Frühjahr 2007 zusammen mit einer Dokumentation des Kongresses von der Schader-Stiftung publiziert, eine Sammlung von Guten-Praxis-Beispielen lag schon zum Kongress vor und kann ebenfalls bei der Schader-Stiftung angefordert werden.

Kontakt: Projektgeschäftsstelle "Zuwanderer in der Stadt", Schader-Stiftung, Karl-straße 85, 64285 Darmstadt, Tel.: 06151/1759-0, kontakt@schader-stiftung.de, www.zuwanderer-in-der-stadt.de, www.schader-stiftung.de/wohnwandel


Autorin: Ulla-Kristina Schuleri-Hartje, Deutsches Institut für Urbanistik

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