Integration in Deutschland 3/2005, 21.Jg., 20. September 2005

NOTIZEN

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Aufgaben innovativer Integrationspolitik

Berlin. Die Friedrich-Ebert-Stiftung, die Bundeszentrale für Politische Bildung und die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (KGSt) veranstalten gemeinsam mit Transfer interkultureller Kompetenz (TiK) am 20. und 21. Oktober 2005 in Berlin die Konferenz "Vom pragmatischen Improvisieren zum integrationspolitischen Gesamtkonzept. Aufgaben einer innovativen Integrationspolitik". Sie wird eine Inventur der Einwanderungsgesellschaft vornehmen, welche die bislang tabuisierten Aspekte der Einwanderungsgesellschaft auf den Prüfstand stellt. Gerade im Zusammenhang mit der gesellschaftspolitischen Debatte, die in Folge der Ermordung von Theo van Gogh auch in Deutschland geführt wurde, stellt sich die Frage, ob das gegenwärtige integrationspolitische Handeln Integrationsproblemen wie: dem Scheitern der Idee der Multikulturellen Gesellschaft, der Herausbildung von Parallelgesellschaften oder der Islamisierung von Teilen der Einwanderergemeinschaften gerecht wird. Für die Konferenz konnten bedeutende Akteure der Integrationspolitik und der "van Gogh"-Debatte in Deutschland gewonnen werden.

Jens A Forkel, TiK

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PISA und die Migrantenkinder

Königswinter. Der ausführliche Bericht des deutschen PISA-Konsortiums über den internationalen Vergleich 2003 wird für November erwartet. Die Wissenschaftler wollen insbesondere untersuchen, wie sich Migrationshintergrund und soziale Herkunft auf den Schülererfolg auswirken. Vorläufig stehen wichtige Ergebnisse von PISA 2003 schon fest. Erfreulich sind die gewachsenen Leistungen der 15-Jährigen aus Deutschland bei mathematischen und naturwissenschaftlichen Aufgaben sowie im neu eingeführten Test "Problemlösen". Die in PISA 2000 unterdurchschnittlichen Kenntnisse der deutschen Schüler liegen nun ziemlich genau beim OECD-Mittelwert. Deshalb loben fast alle Landeskultusminister ihre jeweiligen Reformen: mehr Fleiß und Disziplin in Bayern, mehr Ganztagsschulen in Rheinland-Pfalz oder Vorschulkurse Deutsch in Bremen.

Laut Bundesbildungsministerium geht der Erfolg jedoch vor allem auf Rechnung der Gymnasien. In den Hauptschulen seien keine nennenswerten Fortschritte registriert worden. Unverändert groß sei mit 23 Prozent die sog. Risikogruppe der kaum des Lesens und Rechnens Mächtigen. Sie sei auch größer als in den vergleichbaren Industriestaaten.

Wenig erfreulich ist die nach wie vor starke Abhängigkeit der Schülerkompetenz vom sozialen Status und kulturellen Hintergrund des Elternhauses. PISA 2003 hat aus unterschiedlichen Merkmalen der sozialen Herkunft einen "Index of Economic, Social and Cultural Status" (ESCS) berechnet. Er nimmt in der Berichterstattung der OECD eine prominente Stellung ein, weil er anzeigt, inwieweit in den verschiedenen Ländern Bildungspotenziale ausgeschöpft und Chancen gerecht verteilt werden. Im internationalen Vergleich variiert der Erfolg beispielsweise beim Lösen mathematischer Aufgaben um durchschnittlich 17 Prozent, abhängig vom ESCS. In Deutschland sind es 23 Prozent. Nur in Ungarn und Belgien ist dessen Einfluss noch größer.

Legt man den ESCS als Maßstab bei den Ergebnissen in den einzelnen Bundesländern an, so verschieben sich die Ranglisten der PISA-"Gewinner" um einige Punkte. Dennoch bleiben über 50 Punkte Leistungsabstand zwischen den Neuntklässlern aus Bayern am oberen und denen aus Bremen am unteren Ende der Skala: Das entspricht dem Stoff von anderthalb Schuljahren. (mjd)

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Kinder- und Jugendbericht

Berlin. Anlässlich der Vorstellung des 12. Kinder- und Jugendberichts durch die Bundesmimisterin Renate Schmidt und den Kommissionsvorsitzenden Prof. Dr. Rauschenbach zur Zukunft von Bildung, Betreuung und Erziehung, erklärte die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Marieluise Beck, am 24. August 2005: "Die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft liegt in der Förderung und Ausbildung unserer Kinder. Dabei kommt es auf jedes einzelne Kind an - gleich welcher Herkunft". Mittlerweile kämen fast ein Drittel aller Kinder in Westdeutschland aus Migrantenfamilien, in Ballungszentren sein es bis zu 40 %. Gerade für diese Zielgruppe sei die Umsetzung der Vorschläge des Kinder- und Jugendberichts dringend geboten. Beim Ausbau und bei der Neukonzeption von Bildungs- und Betreuungsangeboten in und außerhalb der Schule müssen daher, so Beck, "die spezifischen Bedingungen von Migrantenkindern berücksichtigt werden, damit auch sie Chancen auf gute Bildungsabschlüsse haben". Insbesondere die im Bericht vorgeschlagene enge Einbeziehung der Eltern durch schulische und außerschulische Bildungs- und Betreuungseinrichtungen sei für Migrantenkinder wesentlich. Hierzu sollte auch mit Migrantenorganisationen kooperiert werden. Die Zusammenarbeit der Bildungs- und Betreuungsinstitutionen und der Jugendhilfe im Sinne einer Erziehungspartnerschaft müsse verstärkt werden.

Ein Umsteuern im Bildungs-, Betreuungs- und Erziehungssystem sei insbesondere für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund dringend erforderlich, wolle man die Abhängigkeit der Bildungschancen von der sozialen und ethnischen Herkunft der Kinder überwinden. "Bildungskonzepte dürfen sich nicht länger allein an der Norm eines Kindes deutschsprachiger Eltern orientieren", betonte Beck. "Statt eines selektiven Bildungssystems bedarf es der individuellen Förderung jedes einzelnen Kindes". Die Integrationsbeauftragte forderte, sich das bildungspolitische Leitmotiv Finnlands zu eigen zu machen: "Wir brauchen hier jeden, hoffnungslose Fälle können wir uns nicht leisten". (esf)

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Viele Einwanderer leben in Armut

(dpa) Nach Angaben des Essener Zentrums für Türkeistudien lebt fast jeder dritte türkischstämmige Einwanderer in Deutschland in Armut. "30 Prozent der Türken leben mittlerweile unter dem Existenzminimum, während der Anteil unter den Deutschen bei 14 Prozent liegt", sagte Direktor Faruk Sen. Während die erste Generation der Einwanderer mit niedrigen Renten leben müsse, seien die Nachkommen zu 30 Prozent arbeitslos. Während im Jahr 2000 nur etwa jeder Fünfte an eine Rückkehr in die Türkei dachte, trage sich inzwischen jeder Dritte mit solchen Gedanken. "Aber die wenigsten gehen wirklich."

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Multikulturelles Forum Lünen wird 20

Lünen. Der multikulturelle Traum mag für viele ein Auslaufmodell und ausgeträumt sein, aber in Lünen leistet das Multikulturelle Forum e.V. (MkF) wertvolle Integrationsarbeit. Das MkF ist eine Migrantenselbstorganisation, die seit 20 Jahren unermüdlich für die Interessen der MigrantInnen arbeitet. Für ihre Projektarbeiten ist das Forum in Lünen über die Stadtgrenzen hinaus sehr bekannt, so dass am 2. März 2005 der damalige NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück zu Besuch kam.

"Für uns ist Migration nicht das Problem, als das es allzu oft einseitig in der Öffentlichkeit dargestellt wird. MigrantInnen bieten der deutschen Gesellschaft eine Chance, mit uns kamen und kommen neue Kräfte, Energien, Phantasie und Ideen in das Land", erklärt der Geschäftsführer Kenan Kücük. Die Migrantenselbstorganisation bezweckt die Förderung aller Kulturen und Nationalitäten durch Maßnahmen und Projekte, die ein besseres Miteinander zum Ziel haben. Weiterhin soll mit der Selbstorganisation die Interaktion zwischen den MigrantInnen untereinander und mit der Mehrheitsgesellschaft verstärkt werden.

Die Arbeitsbereiche des MkF in Lünen sind vielfältig und umfassen alle Altersgruppen. So werden unter anderem Fortbildungen und Projekte angeboten, kulturelle Veranstaltungen organisiert sowie Hilfestellungen bei beruflicher Orientierung und sozialen Problemen geleistet. Zudem kommt die Entwicklung interkultureller Handlungskompetenzen von Kranken- und Altenpflegepersonal hinzu.

Der Verein hat mittlerweile rund 30 Beschäftigte und fast 80 Lehrkräfte. Neben dem "Bildungswerk Multi Kulti" ist inzwischen auch die Annerkennung des zweiten Bildungswerks "Berufliche Qualifizierung Multi Kulti" gelungen. "Ausbildungsplätze in Migrantenbetrieben im Kreis Unna schaffen" ist eines der erfolgreich laufenden Projekte des Forums. Als Akquisiteur versucht Taylan Kutlar, Migrantenbetriebe für die Einrichtung von Ausbildungsplätzen zu gewinnen. "Wir beraten und unterstützen die Betriebe bei allen notwendigen Schritten zur Einrichtung und Durchführung von Ausbildungen", sagt Taylan Kutlar und fügt hinzu "dass das größte Hemmnis bei der Akquise von Ausbildungsplätzen die Angst in den Betrieben vor der Bürokratie und die Unkenntnis des deutschen Ausbildungssystems ist." Das Projekt läuft seit dem 1.3.2004 und endet am 31.12.2006. Bisher konnten trotz der schwierigen Wirtschaftslage über 50 Ausbildungsplätze in Migrantenbetriebe geschaffen werden.

So sehr das bisher Erreichte beeindruckt, der Anfang war schwer. "In unserem ersten Büro mussten unsere Mitarbeiter zur Telefonzelle rennen, um überhaupt telefonieren zu können" erinnert sich der Geschäftsführer Kenan Kücük schmunzelnd.

Ali Sirin

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Der 25. September 2005 ist "Tag der Integration"

Nürnberg. Der 25. September 2005 ist der erste bundesweite "Tag der Integration". An diesem Tag sollen künftig Praktiker der Integrationsarbeit aus ganz Deutschland ihre Arbeit vorstellen und auf erzielte Erfolge bei der Integration von Zuwanderern aufmerksam machen. Gleichzeitig beginnt auch die von den christlichen Kirchen ins Leben gerufene "Woche der ausländischen Mitbürger".

Die Auftaktveranstaltung zum "Tag der Integration" wird im Rahmen des Berlin-Marathons stattfinden, an dem Sportler aus 90 Nationen teilnehmen. Dabei wird das vom Innenministerium geförderte Projekt "Integration durch Sport" eine zentrale Rolle spielen. Zahlreiche Sportvereine im ganzen Bundesgebiet werden sich an diesem Tag mit Veranstaltungen präsentieren.

In Nürnberg fällt der "Tag der Integration" mit der Verleihung des "Internationalen Nürnberger Menschenrechtspreises 2005" an die usbekische Menschenrechtlerin Tamara Chikunova zusammen. Das Bundesamt wird sich an den Feierlichkeiten der Stadt beteiligen und dem Publikum das Thema Integration im Rahmen der "Nürnberger Friedenstafel", einem mulitkulturellen Bürgerfest, nahe bringen. Von 13 bis 18 Uhr wird auf dem Kornmarkt ein umfangreiches internationales Kulturprogramm angeboten und verschiedene Menschenrechtsorganisationen informieren an Ständen über ihr Engagement. In diesem Jahr werden erstmals auch zahlreiche Akteure der Integrationsarbeit ihre Angebote vorstellen und den Dialog mit dem Publikum suchen. Auch das Bundesamt wird mit einem eigenen Infostand bei der Friedenstafel vertreten sein. Daneben werden verschiedene Projektträger, wie die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland mit dem vom Bundesamt geförderten Kinderprojekt "Tintenklecks und Tausendfüßler", ihre Arbeit bekannt machen. Für Spiel und Spaß sorgt das Sportmobil des Bayerischen Landessportverbandes.

Um Chancen und Grenzen der Integrationsarbeit geht es bei einer Gesprächsrunde, die um 16 Uhr im Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums stattfindet. In der Runde, die den Titel "Integration statt Isolation. Anforderungen an Zuwanderer und Aufnahmegesellschaft" trägt, wird Bundesamtspräsident Dr. Albert Schmid mit Nürnbergs Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly der Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft der Ausländerbeiräte Bayerns Mitra Sharifi-Neystanak, dem kroatischen Mittelfeldspieler Ivica Banovic (1. FC Nürnberg) und dem Politikwissenschaftler und Migrationsexperten Dr. Stefan Luft diskutieren. (BAMF)

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Türkische Frauen und Männer teilen ähnliche Lebens-
einstellungen

Essen. "Türkischstämmige Männer und Frauen sind sich hinsichtlich ihrer Lebenseinstellungen ähnlicher als oft vermutet. Es ist nicht so, dass sich in der türkischen Community emanzipationsorientierte Frauen und einem traditionellen Rollenbild verhaftete Männer klar gegenüber stehen", fasste der Direktor der Stiftung Zentrum für Türkeistudien (ZfT), Faruk Sen, Mitte August 2005 den zentralen Befund einer Befragung zur Lebenssituation türkischer Frauen in NRW zusammen.

Im Rahmen der repräsentativen Mehrthemenbefragung unter 1.000 türkischstämmigen Migranten in NRW, die das ZfT seit 1999 regelmäßig einmal im Jahr durchführt, wurde in der letzten Befragung 2004 die Lebenssituation der türkischstämmigen Frauen in Nordrhein-Westfalen untersucht. "Wird in den Medien über die Situation der türkischen Frauen berichtet, geht es zumeist um Themen wie fehlende Selbstbestimmung um Zwangsehen, innerfamiliäre Gewalt und Ehrenmorde. Türkische Frauen werden durch die deutsche Öffentlichkeit als unterdrückt, bedauernswert und rückständig wahrgenommen, vor allem, wenn sie ein Kopftuch tragen. Ihre Integration gilt als besonders defizitär, sowohl was die Sprache und die Bildung betrifft, aber auch bezüglich der sonstigen gesellschaftlichen Einbindung", so Sen.

"Unsere neuen Befunde zur Lebenssituation von Frauen bestätigen diese Sichtweise nur bedingt. Es ergibt sich ein differenziertes, aber auch widersprüchliches Bild der türkischstämmigen Frauen und ihrer Lebenssituation", sagte Sen. Die Situation der Frauen sei durch eine starke familiäre Einbindung und die "klassische" Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen gekennzeichnet: Drei Viertel der Migranten sind verheiratet und haben dann zu 95% Kinder. Frauen sind selten erwerbstätig, nur jede fünfte Frau geht einer Vollzeit-Erwerbstätigkeit nach. Unabhängig von der Erwerbstätigkeit sind Frauen mehrheitlich für Haushalt und Kindererziehung zuständig, erwerbstätige Frauen müssen die Doppelbelastung von Beruf und Familie tragen.

Die Mehrheit der türkischstämmigen Hausfrauen würde gerne einer Erwerbstätigkeit nachgehen, wird aber aufgrund der Unvereinbarkeit von Familienarbeit und Berufstätigkeit daran gehindert. Auch eine berufliche Ausbildung junger Frauen scheitert häufig daran, dass eine Ausbildung mit der Familiengründung nicht vereinbar ist oder die Familie die jungen Frauen bei ihrem Ausbildungswunsch nicht unterstützt. Mehr als 40% der jungen Frauen haben keine berufliche Ausbildung absolviert, obwohl ihre Schulbildung und ihre Deutschkenntnisse, wenn sie in Deutschland aufgewachsen sind, besser sind als die der jungen Männer. Dennoch unterstützt die Hälfte der Frauen und der Männer die traditionelle Rollenzuweisung von Frauen als Hausfrau und Mutter nicht, gut ein Viertel der Männer und ein Fünftel der Frauen halten hingegen am traditionellen Frauenbild fest. Überraschend ist hier der eher geringe Unterschied zwischen Männern und Frauen. Offenbar ist es nicht so, dass den konservativen, traditionellen türkischen Männern die progressiven, modernen Frauen gegenüber stehen, sondern auch unter den Frauen einige am traditionellen Bild festhalten, umgekehrt auch unter den Männern ein nicht unerheblicher Teil einem moderneren Frauenbild zumindest normativ zustimmt. Dabei ist kein linearer Zusammenhang zum Alter festzustellen, erstaunlicherweise sind jüngere Migranten nicht automatisch moderner als ältere.

Trotz der geringen Ausbildungsquote unter den jungen Frauen unterstützen nahezu alle Frauen und Männer eine berufliche Ausbildung und eigenes Einkommen für Mädchen und Frauen. Dass die Verfügung über eigenes Geld für Frauen wichtig ist, betonen 94% der Frauen, aber nur drei Viertel der Männer. Bei diesem Punkt besteht die deutlichste Differenz zwischen der Einschätzung der Männer und der Frauen.

Das Leben deutscher Frauen wird trotz des eher modernen Frauenbildes nicht uneingeschränkt als Vorbild gesehen. Zwar werden größere Freiheiten der deutschen Frauen konstatiert, zugleich aber auch die Schattenseiten gesehen. Die Einschätzung von Männern und Frauen unterscheidet sich hier noch weniger als bei der Einschätzung der Frauenrolle allgemein. Zunächst beurteilt die Hälfte der Frauen das Leben deutscher und türkischer Frauen in Deutschland als deutlich unterschiedlich. Deutschen Frauen wird zwar mehrheitlich größere Freiheit bei der Partnerwahl und ein selbstbestimmteres Leben zugestanden. Allerdings bedauert die Mehrheit der türkischstämmigen Frauen die deutschen Frauen wegen ihrer fehlenden familiären Einbindung. Die Hälfte der türkischen Frauen hält die Doppelbelastung von Familie und Beruf, der die deutschen Frauen ausgesetzt sind, nicht für erstrebenswert.

Ein weiteres wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass die weit überwiegende Mehrheit der türkischstämmigen Männer und Frauen familiäre Gewalt gegen Frauen und Kinder ablehnt: Mehr als 90% der Frauen wie der Männer stimmen der Forderung nach der stärkeren Ächtung von familiärer Gewalt gegen Frauen und Kinder zu. Diese Einstellung ist weitgehend unabhängig vom Alter, dem Bildungsstand und der sozialen Situation der Befragten. Andere Studien zeigen, dass von einem deutlich größeren Maß an innerfamiliärer Gewalt in türkischen Familien im Vergleich zu deutschen auszugehen ist.

Neben der schulischen und der sprachlichen bedarf insbesondere die berufliche Qualifizierung von Frauen der Förderung. Vor allem junge Frauen sollten beim Übergang von der Schule in eine Berufsausbildung unterstützt werden. Dabei sollten nicht nur die jungen Frauen selbst, sondern auch ihre Familien einbezogen werden, da nicht mangelndes Interesse, sondern Familiengründung und der Widerstand der Familie die Haupthindernisgründe sind. Dabei kann an die normativ formulierten, modernen Einstellungen zur Rolle der Frau angeknüpft werden. Auch beim Schritt in die Erwerbstätigkeit besteht Förderungsbedarf, um gerade höher qualifizierte Frauen und Männer entsprechend ihren Qualifikationen zu vermitteln und ihnen angemessene Berufschancen zu bieten. Dringend nötig ist eine Verbesserung der Rahmenbedingungen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, um - nicht nur - den türkischstämmigen Frauen den Schritt in die Erwerbsarbeit zu erleichtern.

Dr. Dirk Halm, ZfT

Bezug (Kurzfassung der Studie): 
Stiftung Zentrum für Türkeistudien, Türkiye Arastirmalar Merkezi Vakfi, (Institut an der Universität Duisburg-Essen), Dr. Dirk Halm, Altendorfer Straße 3, 45127 Essen, Tel.: 0201/3198-302, Fax: -333, halm.zft@uni-essen.de, www.zft-online.de 

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Migrantenmedizin

Gießen/Berlin. Vor dem Hintergrund einer neuen Approbationsordnung für Ärztinnen und Ärzte vom Oktober 2003 , die u.a. die Einführung von Wahlpflichtfächern vorsieht, hat der Fachbereich Medizin an der Uni Gießen das Wahlfach "Migrantenmedizin" entwickelt. Unterschiedliche historische, soziologische, politische und kulturelle Hintergründe und Traditionen bringen auch jeweils andere Krankheiten und Symptome hervor, so die Meinung der Fachleute. Nach Angaben der Zeitschrift "Psychologie Heute" (August-Ausgabe) hat der Bundesverband der Betriebskrankenkassen (BKK) in Berlin mit Prof. Dr. Rita Süssmuth und dem türkischen Generalkonsul Aydin Durusoy als Schirmherrin bzw. Schirmherr das Projekt "Berliner Bündnis gegen Depression" ins Leben gerufen. Dabei richtet sich die Initiative ganz besonders an türkische Migranten, die nicht nur besonders stark von seelischen Erkrankungen bedroht sind und daran leiden, sondern die auch auf Grund ihrer eigenen Kultur diese Erkrankungen oft nicht erkennen oder sie missverstehen. Betroffene sollen ermutigt werden, ihre Scham zu überwinden und Hilfe anzunehmen. (esf)

Infos: BKK-Bundesverband, Tel.: 030-223120; presse@bkk-bv.de 

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Fachtagung zu "Integration und Islam"

Nürnberg. Die Förderung eines vorurteilsfreien Miteinanders von verschiedenen Religionen und Kulturen war Schwerpunkt einer internationalen Tagung zum Thema "Islam und Integration" im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Zu der zweitägigen Veranstaltung in Nürnberg trafen sich am 21. und 22. Juni Wissenschaftler, Autoren, Vertreter von Migranten-Organisationen sowie Vertreter von Bundesländern aus dem Bereich Integration.

"Wir verstehen uns als Kompetenzzentrum für Migration und Integration und daher als Mittler und Impulsgeber für einen konstruktiven Dialog", betonte der Präsident des Bundesamtes, Dr. Albert Schmid. Migranten werde eine Identifikation mit den Grundwerten der Bundesrepublik nicht nur angeboten, sondern auch abverlangt. Dies gehe gleichzeitig einher mit Respekt vor der Identität der Migranten. Von den Ausländern, die in den vergangenen Jahrzehnten nach Deutschland gekommen sind, ist ein Großteil muslimischen Glaubens. Derzeit leben hierzulande etwa drei Millionen Muslime, die meisten von ihnen stammen aus der Türkei.

Das interreligiöse Gespräch sei Grundlage einer erfolgreichen Eingliederung, waren sich die Teilnehmer der Fachtagung einig. Ziel der Veranstaltung war es auch, Unterschiede in der Religionsausübung der verschiedenen Strömungen des Islam heraus zu arbeiten. Die Vorträge, die verschiedene Sichtweisen widerspiegelten, regten einen lebhaften Meinungsaustausch an. Auch sollten die Teilnehmer für die Besonderheiten bei der Integration von Menschen muslimischen Glaubens sensibilisiert werden.

Die deutsch-türkische Autorin Necla Kelek ("Die fremde Braut") schilderte ihre Ansicht zum Thema "Frauen in der muslimischen Tradition und Kultur". Kelek hob hervor, die Gleichberechtigung von Mann und Frau bei Muslimen sei unabdingbare Voraussetzung einer Integration in die deutsche Gesellschaft. "Eine Demokratie braucht mündige Bürger - Männer und Frauen", sagte Kelek. Patriarchalische Familienstrukturen bei Muslimen müssten aufgebrochen werden, forderte die Soziologin, die vehement gegen die Unterdrückung und Zwangs-ehen türkischer Frauen protestiert.

Auch der Islam und sein Verhältnis zu anderen Religionen standen im Blickpunkt der gut besuchten Fachtagung. Dabei betonte der Landeskirchenrat der Evangelischen Kirche im Rheinland, Jörn-Erik Gutheil, dass zu oft noch verallgemeinernde Klischees die Diskussion prägten. Es müsse ein Konsens gefunden, aber auch Differenzen aufgezeigt werden. "Gegenseitiges Verstehen, das Voraussetzung für jedes ernsthafte Auseinandersetzen ist, verlangt Begegnung." Außerdem müssten Menschenrechtsverstöße benannt und verurteilt werden, forderte Gutheil.

Der Leiter der Christlich-Islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle (CIBEDO) bei der Deutschen Bischofskonferenz, Peter Hünseler, unterstrich, Integration bedeute Fördern und Fordern. Der christlich-islamische Dialog sei aber derzeit von Strukturproblemen geprägt, meinte Hünseler. Es gebe keinen klaren Ansprechpartner, der die islamische Gemeinschaft repräsentiere. Dies bemängelte auch Günter Piening, der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration. "Wir brauchen eine solche Repräsentanz- und Kooperationsstruktur." Auch durch die bewusste Ansprache von Moschee-Gemeinden könne Integrationspotenzial genutzt werden. Der Islam sei in den letzten Jahren ein Teil Berlins geworden und sei auch im Alltag der Stadt zuhause, meinte Piening.

Medardus Huemer vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung machte bei seiner Übersicht über die bayerische Integrationspolitik deutlich, dass Integration eine Querschnittsaufgabe sei, die von allen Beteiligten gemeinsam gelöst werden müsse. Der Attaché für Arbeit und Soziales am Türkischen Generalkonsulat in Nürnberg, Ahmet Fuat Boztepe, räumte ein, es sei eine schwierige Zeit für die Integration von Muslimen. Der Schlüssel liege in der Beherrschung der deutschen Sprache. Bekir Alboga, Islamwissenschaftler und Dialogbeauftragter der "Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion" (DITIB) verwendete das Bild einer Perlenkette, um das Nebeneinander der Religionen zu beschreiben. Alboga erklärte, eine friedliche Koexistenz der Religionen sei möglich.

In seinem Schlusswort betonte der Abteilungspräsident des Bundesamtes, Dr. Michael Griesbeck, die Bedeutung des interreligiösen und interkulturellen Dialogs für eine gelungene Integration. Dabei sei es aber auch notwendig, klar auszusprechen, was im demokratischen Rechtsstaat nicht geduldet wird und nicht geduldet werden kann. (BAMF)

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ZfT: Türken zunehmend religiöser

Frankfurt/Essen. Eine Tendenz zu zunehmender Religiosität bei türkischen Zuwanderern ist nach einer Befragung des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT) offenkundig geworden. Danach ist in NRW der Anteil derjenigen, die sich lt. Umfrage selbst als sehr oder eher religiös einstufen, von 57 % im Jahr 2000 auf nunmehr 72 % angestiegen. Dies berichtete die Frankfurter Rundschau in ihrer Ausgabe vom 26.07.05. (mg)

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Abrahamische Jugendteams gebildet

Arnoldshain. Jüdische, christliche, muslimische und Baha'i-Jugendliche wollen gemeinsam in Schulen gehen, um über ihre Religionen zu informieren und für ein friedliches Miteinander einzutreten. Solche so genannten "Abrahamischen Jugendteams" können ab Herbst 2005 über den Interkulturellen Rat in Deutschland angefordert werden. Zuvor sollen die Jugendlichen für ihre Einsätze geschult werden. Das war das wichtigste Ergebnis des 2. Abrahamischen Ju-gendforums, das vom 17. - 19. Juni 2005 in der Evangelischen Akademie Arnoldshain stattfand. 32 jüdische, christliche, muslimische und Baha'i-Jugendliche haben sich mit dem Antisemitismus und der Islamophobie befasst, die in Deutschland seit Jahren zunehmen. Die Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 26 Jahren kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und gehörten unterschiedlichen Gruppierungen an. Das 3. Abrahamische Jugendforum soll vom 23.-25. Juni 2006 stattfinden. (esf)

Kontakt: 
Interkultureller Rat in Deutschland e.V., Goebelstraße 21, 64293 Darmstadt, Tel.: 06151/33 99 71, Fax: 06151/3919740, info@interkultureller-rat.de, www.interkultureller-rat.de 

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Metropol FM nun auch im Schwabenland

Stuttgart. Am 25. Juni 2005 hat der bislang nur in Berlin zu empfangende türkische Radiosender Metropol FM mit einem Fest in Stuttgart die Eröffnung der analogen und digitalen Frequenzen in den Ballungsräumen von Baden-Württemberg gefeiert. Die Feier fand statt im alten Waldaustadion, das zeitgleich in GAZI Stadion umbenannt wurde. GAZI ist ein großer türkischer Lebensmittelkonzern, der in Deutschland vor allem im Bereich Joghurt erfolgreich ist. (esf)

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Alevitentum als Schulfach eingeführt

Düsseldorf. Das Schulministerium in NRW hat im Sommer 2005 den Antrag der Alevitischen Gemeinde Deutschland (AABF) zur Einführung eines alevitischen Religionsunterrichts angenommen. Nach Berlin haben damit die Bundesländer NRW, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg das Alevitentum als eine eigenständige Glaubenslehre anerkannt. Die Kultusministerien dieser Länder hatten die Marburger Religionswissenschaftlerin Prof. Ursula Spuler-Stegemann damit beauftragt, über das Alevitentum ein religionswissenschaftliches Gutachten zu erstellen. Zudem sollte Prof. Stefan Muckel (Universität zu Köln) feststellen, ob die AABF eine Religionsgemeinschaft im Sinne des Art. 7, Abs. 3 Grundgesetzes ist. "Beide Gutachter sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die AABF als eine Religionsgemeinschaft alle Voraussetzungen für die Einführung des alevitischen Religionsunterrichts nach Art. 7.3 erfüllt", sagt Ismail Kaplan, der als Bildungsbeauftragter der AABF tätig ist.

In einem Zeitraum von zwei Jahren will die Landesregierung auf der Grundlage des alevitischen Lehrplans Lehrkräfte für diesen Unterricht fortbilden bzw. ausbilden. Die genaue Zahl der alevitischen Schüler müsste jedoch im nächsten Schuljahr durch die Schulstatistik erfasst werden. Auf sunnitischer und schiitischer Seite sind die Zahlen bekannt, jedoch gibt es bisher keinen Religionsunterricht nach Art. 7.3, wie er jetzt der alevitischen Gemeinde zugesprochen wurde. (esf)

Hinweis der Redaktion:

Bei der  nebenstehenden online-Version des Artikels auf Seite 20 der gedruckten Ausgabe AiD 3/05 handelt es sich um eine korrigierte Fassung: Der Begriff "islamische" wurde ersetzt durch "sunnitisch und schiitisch".

Siehe dazu auch den Leserbrief im Leserforum 3/05.

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10. Honnefer Migrations-Tage

Vom 19. bis 21. Oktober 2005 veranstalten der Deutsche Caritasverband und das Katholisch-Soziale Institut der Erzdiözese Köln (KSI) die 10. Honnefer Migrations-Tage unter der Überschrift "Chancen statt Vorurteile - Eingliederung von Migranten in den Arbeitsmarkt". Die Tagung dient der Information und dem Austausch über Möglichkeiten und Beispiele bewährter Praxis zur besseren Eingliederung von Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt. Ein Schwerpunkt liegt dabei in der Vernetzung zwischen Akteuren aus der Arbeit mit Migrant(inn)en, der Arbeitsverwaltung und Praktikern aus der Arbeit mit Arbeitslosen.

Die 10. Honnefer Migrationstage wenden sich vorrangig an Beschäftigte aus den Migrationsdiensten einschließlich Jugendmigrationsdiensten, Beschäftigte aus der Jugendsozialarbeit, Beschäftigte aus der Allgemeinen Sozialberatung und IDA (Integration durch Arbeit) sowie Beschäftigte aus den Arbeitsagenturen und der kommunalen Ebene.

Die Anmeldung erfolgt direkt beim Katholisch-Sozialen Institut der Erzdiözese Köln (KSI), Selhofer Str. 11, 53604 Bad Honnef, Tel: 02224/955-401, Fax: 02224/955-101, Internet: http://www.ksi.de. Die verbindliche Anmeldung sollte bis zum 15. September 2005 erfolgen. Die Kosten von 180.- Euro beinhalten die Tagungsgebühr, Unterkunft, Vollpension, Begleitprogramm und Arbeitsmaterialien. Der Flyer mit Anmeldeformular kann heruntergeladen werden unter: http://www.caritas.de/11261.html

Dr. Elke Tießler-Marenda, Deutscher Caritasverband Freiburg

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Preis für Projekt "Konflikt-
vermittlung"

Dortmund. Der Planerladen e.V. in Dortmund hat mit dem "Preis Soziale Stadt" eine bundesweite Anerkennung für das Projekt "Konfliktvermittlung" erhalten. Die Auszeichnung steht im Zusammenhang mit dem Bund-Länder-Programm "Soziale Stadt", bei dem die sozialen Dimensionen des Wohnungs- und Städtebaus besonders betont werden. Das ausgezeichnete Projekt "Konfliktvermittlung" war bereits 1998 vom Planerladen auf Anregung des Nachbarschaftsforums Rückertstraße entwickelt worden. Die Umsetzung erfolgte ab dem Jahr 2000 auf der Basis einer Förderung durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW sowie anteilig durch die Stadt Dortmund. Nach dem sehr erfolgreichen Start wurde das Projekt im Jahre 2001 in die EU Gemeinschaftsinitiative URBAN II für die Dortmunder Nordstadt aufgenommen. Mit dem Projekt wurde auf der Ebene von Nachbarschaft, Quartier und Stadtteil anerkanntermaßen Neuland betreten. In der Laudatio hebt die Jury hervor, dass das Projekt in einem Feld arbeitet, in dem die Alltags- und Nachbarschaftskonflikte häufig sehr stark ethnisiert und von Fremdenfeindlichkeit überschattet werden. Durch die konstruktive Austragung von großen und kleinen Konflikten im Stadtteil trägt das Projekt zur Sicherung des sozialen Friedens, der gegenseitigen Verständigung sowie der Stärkung der demokratischen Kultur bei.

Schwerpunkt des 2004 ausgelobten Wettbewerbes waren Projekte, "die zeigen, wie sozialen Konflikten innerhalb der Nachbarschaften sowie der damit häufig einhergehenden sozialen Entmischungen und krisenhaften Entwicklung ganzer Wohnquartiere begegnet werden kann". Auslober waren der AWO Bundesverband, der Deutsche Städtetag, der GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen, die SAGA Siedlungs-Aktiengesellschaft Hamburg/ GWG Gesellschaft für Wohnen und Bauen, die Schader-Stiftung und der vhw - Bundesverband für Wohneigentum und Stadtentwicklung. Insgesamt nahmen 232 Projekte an dem Wettbewerb teil. 18 von ihnen wurden prämiert. Der Planerladen wurde im Jahr 2000 schon einmal im Rahmen des Bundeswettbewerbes "Soziale Stadt" gewürdigt. Die erneute Auszeichnung ist ein bisher einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Wettbewerbs. (esf)

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Wettbewerb "LISA" für junge Spätaussiedler

Berlin. In Deutschland lebt eine große Zahl junger Spätaussiedler. Stärkere Teilnahme an Bildung und Ausbildung und ein erfolgreicher Übergang in den Beruf sind zentrale Voraussetzungen für ihre Integration. In den Kommunen müssen dafür Konzepte entwickelt und Ressourcen mobilisiert werden. Mit einem Förderwettbewerb will die Robert-Bosch-Stiftung positive Beispiele aktivierender lokaler Praxis in Berufsorientierung und Ausbildung stärken und verbreiten. Junge Spätaussiedler sollen dabei unterstützt werden, ihr Potential und ihre Kompetenzen noch erfolgreicher für sich und die Gesellschaft einzubringen.
Das Projekt LISA (Lokale Initiativen zur Förderung junger Spätaussiedler in Ausbildung und Beruf) fördert praktische Initiativen zur Berufsorientierung und Berufsvorbereitung junger Spätaussiedler, zur Identifizierung geeigneter Ausbildungsprofile und zur Begleitung beim Übergang in den Beruf. Diese Initiativen sollen lokal abgestimmte Vorhaben beinhalten und wichtige Akteure im Gemeinwesen, aber auch Gruppen Gleichaltriger und Eltern einbeziehen. Die Teilnahme von Jugendlichen anderer Herkunft ist erwünscht, wenn dies zum Projekterfolg beiträgt.

Gesucht werden innovative Projektvorschläge, die

  • junge Spätaussiedler in ihrer Selbstverantwortung stärken;
  • den Erwerb der deutschen Sprache unterstützen und die Ausbildungsfähigkeit junger Spätaussiedler erhöhen;
  • die besonderen Kompetenzen junger Spätaussiedler fördern;
  • über Bildungs- und Ausbildungsmöglichkeiten informieren und erfolgreiche Biographien vorstellen;
  • Lehrer und Ausbilder für die Arbeit mit Spätaussiedlern qualifizieren und
  • die Bereitschaft von Ausbildungsbetrieben erhöhen, Spätaussiedler aufzunehmen.

Die Vorhaben sollen praxiswirksam und nachhaltig angelegt sein und Spätaussiedler aktiv in die Planung und Durchführung einbeziehen.

Infos: www.bosch-stiftung.de/lisa 

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Interkulturelle Wochen in Kiel 2005

Kiel. Zum 13. Mal stellen Migrantenvereine, Wohlfahrtsverbände, Gewerkschaften sowie städtische und kirchliche Einrichtungen vom 10. September bis 3. Oktober ein abwechslungsreiches Programm zusammen, das die interkulturelle Zusammenarbeit in Kiel in ihrer ganzen Vielfalt zeigt. Koordiniert werden die Interkulturellen Wochen vom städtischen Referat für Migration. Neben dem Eröffnungsfest im Bildungszentrum Mettenhof finden u. a. Veranstaltungen zu Schwerpunktthemen wie "Sprache und Integration", "Begegnung von Migranten und Einheimischen", "Interreligiöser Dialog" und Aktionen für Kinder und Jugendliche statt. Einen besonderen Höhepunkt bildet die Ausstellung zur Geschichte der Arbeitszuwanderung aus der Türkei "Jahrelang habt ihr euch nicht um ums gekümmert" im Stadtmuseum Warleberger Hof.

Infos: Landeshauptstadt Kiel, Amt für Familie und Soziales, Referat für Migration, Tel.: 0431 / 901-2430

Bundesweite Informationen zur diesjährigen Interkulturellen Woche / Woche der ausländischen Mitbürger finden sich unter: www.interkulturellewoche.de und www.woche-der-auslaendischen-mitbuerger.de

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Neue Stiftung für UNO-Flüchtlings-
hilfe

Bonn. Krieg, Gewalt und Vertreibung zwingen Jahr für Jahr Millionen von Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen, um ihr Leben zu retten. Um dieser Herausforderung langfristig begegnen und nachhaltige Hilfe leisten zu können, hat die UNO-Flüchtlingshilfe e.V. im Dezember 2004 die Deutsche Stiftung für UNO-Flüchtlingshilfe ins Leben gerufen. Es handelt sich um die einzige Stiftung in Deutschland, die sich weltweit die Verbesserung der Lebensbedingungen von Flüchtlingen zum Ziel gemacht hat und durch ihre Arbeit auf deren Schicksal aufmerksam machen will. Mit den Erträgen aus ihrem Stiftungsvermögen unterstützt sie ausschließlich Flüchtlingsprojekte der UNO-Flüchtlingshilfe e.V. und ermöglicht damit langfristige und nachhaltige Hilfe - unabhängig von wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Veränderungen.

"Flüchtlinge sollen ein menschenwürdiges Leben führen und ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen können", heißt es in der Präambel der Stiftungssatzung. Mit 12.000 Euro hat die Stiftung nun ihr erstes Projekt gefördert - den Bau einer Sportanlage im Flüchtlingslager Smara in Westalgerien. Schulabbrecher sollen über verschiedene Sport- und Freizeitangebote wieder motiviert und für den Unterricht interessiert werden. Seit 30 Jahren harren in der Geröllwüste von Westalgerien rund 166.000 Flüchtlinge aus der Westsahara in Lagern aus - in der Hoffnung auf eine Rückkehr in ihre von Marokko besetzte Heimat. Die Kinder und Jugendlichen sind bereits die zweite und dritte Generation von Flüchtlingen. Ihr Alltag ist von Trostlosigkeit geprägt. Viele unter ihnen brechen die Schule einfach ab. Mit Spiel und Spaß auf dem Sportplatz soll daher wieder das Interesse an einem Schulbesuch sowie am Lernen geweckt werden. (esf)

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Muslime beim Papst, Pilger in Moschee

Köln. Sie kamen zum Weltjugendtag nach Köln und wurden plötzlich zu einem kleinen Medienereignis: Gut 60 deutsche Pilger, die Mitte August 2005 in den Räumen der Türkisch-Islamischen Gemeinde in Niederkassel-Lülsdorf übernachtete - berichtete der Verband türkischer Industrieller und Unternehmern auf seiner Website (www.tusiad-de.org.). Dass zahlreiche Fernseh- und Radioteams sie dort erwarten würden, hätten Arthur, Johannes und die anderen Teenies aus Sindelfingen nicht gedacht. Auch für die Organisatoren vor Ort ist der Medienrummel eine Überraschung, wie Diakon Willy Löw gesteht. Doch schon bald entwickeln die jungen Katholiken eine gewisse Routine im Geben von Interviews. Und so lässt sich auch der 16-jährige Maurice Lunak nicht aus der Ruhe bringen, als eine Radioreporterin ihn mit dem Statement provozieren will: "Du bist zum Weltjugendtag gekommen und im Islam gelandet." Nein, meint der gläubige junge Katholik, das sei eine Herberge wie jede andere auch. Und er kontert mit einem Satz der Versöhnung: "Das hier zeigt den Islam, wie er wirklich ist." Genau dies ist auch das Anliegen der muslimischen Gemeinde. "Wir leben zusammen", betont Orhan Kangöz und weist auf das gute Miteinander der beiden christlichen und der islamischen Glaubensgemeinschaft in Niederkassel hin. Den Gästen zeigt die zum Islam konvertierte Ratsfrau Elisabeth Müller den Gebetsraum. Dabei verweist sie auf die gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Islam. Die zehn Gebote beispielsweise würden auch für einen gläubigen Muslim gelten, erklärt sie den neugierigen Zuhörern. Zum Abschluss der Führung sprechen die Pilger das "Vater Unser" im Gebetsraum der Moschee. Worauf der Imam der Gemeinde, Sefa Büyk Yilmaz seinerseits die Christen mit einem Gebet seiner Religion willkommen heißt. Von Berührungsängsten ist auf beiden Seiten also nichts zu spüren, kommentierte auch der Kölner-Stadt-Anzeiger.

Für das Treffen des Papstes am Samstag mit Vertretern der in Deutschland lebenden Muslime war nur eine Stunde Zeit angesetzt worden. Natürlich hätten die Muslime es lieber gesehen, wenn Benedikt - nach seinem Synagogenbesuch - auch eine Kölner Moschee betreten hätte, betonte die Islamische Zeitung (21.08.05). Doch war dies offiziell terminlich unmöglich gewesen. Es ging jedoch auch um Symbolik und Protokollfragen: So mussten die Muslime - als Gäste, nicht als Gastgeber - ins Erzbischöfliche Haus nach Köln kommen. Die Delegation wurde von der türkischsprachigen DITIB-Führung dominiert, was seitens der Islamischen Zeitung ebenfalls kritisch angemerkt wurde. So fehlten Vertreter des Islamrates, ein bosnischer oder ein deutscher Muslim.

Benedikt XVI. wusste jedenfalls die knappe Zeit zu nutzen: Niemals zuvor seit seiner Wahl vor vier Monaten äußerte er sich so ausführlich und klar zum Thema islamistischer Terrorismus - und zur traurigen Vergangenheit der Gewalt und des Hasses zwischen beiden Religionen. "Die Erinnerung an diese traurigen Ereignisse müsste uns mit Scham erfüllen." Dann ging er zur aktuellen Herausforderung über: "Pervers und grausam" sei der Terrorismus, mit Füßen trete er "die Fundamente jedes geordneten Zusammenlebens". Dagegen gebe es nur ein Mittel: Sich der Intoleranz entgegenzusetzen und "das Hassgefühl aus den Herzen auszurotten".

Natürlich haben auch die Muslime einige "Wünsche" artikuliert: Nach den Jahrhunderten des Hasses und der Kriege müsse nun aus Sicht der Muslime ein "Schlussstrich" gezogen werden. Nadeem Elyas vom Zentralrat der Muslime schlug vor, es solle ein weiteres "Mea Culpa" (Schuldbekenntnis) geben, ganz so wie es der Papst Johannes Paul II. im Jahr 2000 mit Blick auf die Judenverfolgungen gemacht hatte. Nach Meinung von Elyas "sollte auch die islamische Welt ihre historische Schuld bekennen und zu einem neuen konstruktiven Anfang bereit sein." (esf)

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Neues Internetportal für Türken

Unter dem Namen "www.tuerkcard.de" ist am 15. September 2005 ein neues Internetportal eröffnet worden, das sich an Türken in Deutschland richtet. Unter Nutzung eines Kartensystems können Produkte mehrerer Tausend Unternehmen online gekauft werden. Die Grundidee ist, dass sich hier Firmen exklusiv in einem großen Einkaufs-, Entertainment- und Erlebnis-Internetportal vorstellen und für ihre Produkte werben. Die Firmen präsentieren sich mit einem Werbeeintrag, wobei Kunden per Link direkt auf die jeweilige Homepage zugreifen können. Als offizieller Verbundpartner kann jedes beteiligte Unternehmen Inhabern einer entsprechenden Karte Vergünstigungen für den Einkauf im jeweiligen Geschäft bieten. (esf)

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"Kultursensible" Altenpflege-
ausbildung

Wiesbaden. Das Projekt "Qualifizierung von Migrantinnen in der Altenpflege", eine viermonatige Maßnahme im Rahmen des Stadtteilerneuerungsprogramms "Soziale Stadt", konnte im August 2005 in Wiesbaden-Biebrich für 15 Frauen erfolgreich abgeschlossen werden. Träger war der evangelische Verein für innere Mission in Naussau (Evim). Die zwischen 17 und 46 Jahre alten Frauen hatten die Fortbildung - im Zusammenhang mit regelmäßigem Deutschunterricht - besucht, um privat eigene Familienmitglieder zu pflegen oder waren auch beruflich ambitioniert. Der Hintergrund: Es besteht Mangel an Pflegepersonal, das die kulturellen und religiösen Bedürfnisse von Migrantinnen, die in Deutschland alt und pflegebedürftig geworden sind, kennt und darauf eingehen kann. Das vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem Bundesfamilienministerium finanzierte Projekt erfüllt somit gleich zwei gesellschaftliche Ziele.

Ferner beinhaltet ein kompletter Ausbildungsgang mit dem Abschlussziel "Altenpflegerin" bzw. "Altenpfleger" ein speziell auf Migrantinnen und Migranten zugeschnittenes Projekt "Kultursensible Altenpflegeausbildung", das an fünf hessischen Altenpflegeschulen angeboten wird (Kassel, Frankfurt, Wettenberg und Marburg). Das Projekt wird ebenfalls vom ESF mitfinanziert, weiterer Geldgeber ist unter anderem auch das Hessische Sozialministerium. (esf)

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Förderung türkischer Ausbildungs-
betriebe

Essen. "Die mangelhafte Ausbildungsbeteiligung türkischstämmiger Jugendlicher in Deutschland ist eines der drängendsten Integrationsprobleme" - darauf wies der Direktor der Stiftung Zentrum für Türkeistudien, Faruk Sen, im August 2005 hin. Unterdessen ist in der Bundesrepublik einer immer breiter werdende Schicht türkischer Unternehmer herangewachsen - rund 60.000 türkischstämmige Selbständige wirtschaften inzwischen in Deutschland. Aufgrund ihrer fortschreitenden Verbreitung auf die unterschiedlichsten Branchen kommen sie immer stärker als Ausbildungsbetriebe - nicht nur für türkische Jugendliche - in Frage. "Es gilt, dieses Potential im Sinne der Betriebe sowie der Ausbildung der Jugendlichen zu nutzen", betonte Sen weiter.

Das Zentrum für Türkeistudien hatte Ende der 90er Jahre als eine der ersten Institutionen den Handlungsbedarf erkannt und im Rahmen einer repräsentativen Studie die Ausbildungsbeteiligung der türkischen Unternehmen in Deutschland ermittelt. Von den türkischen Unternehmen bildeten nach einer Bestandsaufnahme des ZfT noch Ende der 90er Jahre nur rund 10% aus, obwohl schon damals die weit überwiegende Mehrheit tatsächlich die formalen Voraussetzungen für die Ausbildung erfüllte. In Reaktion auf dieses Defizit wurde das Projekt "Unternehmensfestigung durch Personalentwicklung in ausländischen Betrieben in Nordrhein-Westfalen" im Oktober 2002 im Auftrag des Ministeriums für Wirtschaft und Arbeit des Landes Nordrhein-Westfalen und der Europäischen Union in Ziel-2-Regionen für drei Jahre eingerichtet.

Seitdem engagiert sich das Projektteam für die Verbesserung der Aus- und Weiterbildungssituation und Qualifikationsstrukturen in ausländischen Betrieben. Es informiert türkische Arbeitgeber über die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Ausbildung, zeigt Möglichkeiten der Umsetzung auf und vermittelt den ausländischen Unternehmern, dass durch eigens ausgebildete Mitarbeiter langfristig der Unternehmenserfolg und infolge dessen auch die eigene Existenz gesichert werden kann. Die Schaffung dieser Ausbildungsplätze wurde durch die Information der Betriebseigner über die Möglichkeiten der Ausbildung, Vernetzung der Betriebe mit Unternehmerverbänden und IHK sowie die Schaffung der persönlichen Voraussetzungen der Betriebseigner für die Ausbildung erreicht.

Dabei ist die wirtschaftliche Stagnation nicht ohne Wirkung auf die Ausbildungsbereitschaft geblieben - in wirtschaftlich unsicheren Zeiten ist viel Überzeugungsarbeit in den Betrieben zu leisten, bis sie die Verantwortung für einen/eine Auszubildende/n übernehmen. "Gleichzeitig erweist sich aber, dass der Abbau von Zugangsschranken und Bürokratie - Stichworte AEVO und Handwerksordnung - das Ausbildungspotential und die Ausbildungsbereitschaft in Migrantenbetrieben durchgreifend erhöhen können", so ZfT-Direktor Faruk Sen.

Seit Projektbeginn konnten bisher insgesamt 319 Ausbildungsplätze sowie 101 Zusagen für Jugendliche in Nordrhein-Westfalen erhalten bzw. geschaffen werden, wobei der Schwerpunkt in der Ruhrregion liegt. Somit wurden im Rahmen des Projektes bisher 420 Ausbildungsplätze akquiriert. "Bis zum Projektende wird die Zahl von 500 überschritten", zeigt sich Sen optimistisch.

Dirk Halm, Stiftung Zentrum für Türkeistudien

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Integration und Fernsehen

Karlsruhe. "Integration und Fernsehen" heißt eine Mitte 2005 in Karlsruhe gegründete Bundesinitiative, die sich an junge Migranten wendet. Vor allem für Jugendliche sind Formate, Inhalte und Charaktere des Unterhaltungsfernsehens prägend. Deshalb sollen Migranten insgesamt eine stärkere personelle Präsenz in den verschiedenen TV-Formaten erhalten und dabei auch Rollen mit positiven Attributen einnehmen. Dadurch können den jugendlichen Migranten im Fernsehen "positive Lebensentwürfe und Orientierungshilfen" geboten werden. Im Mittelpunkt der Initiative steht die Zusammenarbeit von Akteuren aus Film und Fernsehen, kulturschaffenden Migranten und Vertretern der Forschung zugunsten einer stärkeren Verankerung von Integrationsthemen im Fernsehen. Mit der namhaften Unterstützung u.a. durch Tayfun Bademsoy, Hussi Kutlucan, Edzard Reuter und Dominik Wessely sollen so neue Impulse für Bildung und Integration vermittelt werden. Die Finanzierung in der Gründungsphase erfolgt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) des Ministeriums für Arbeit und Soziales Baden-Württemberg. (mg)

Infos: http://www.zkm.de 

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Plakataktion für Cigdem und Vera

Berlin. Die Toleranzkampagne "Cigdem ist lesbisch. Vera auch!" will für Respekt und Anerkennung gegenüber Homosexuellen werben. Vor allem in Gegenden mit einem hohen Migrantenanteil gibt es noch große Toleranzprobleme, wenn es um gleichgeschlechtliche Liebe geht. Die groß angelegte Aufklärungs- und Sensibilisierungskampagne startete Anfang des Jahres mit Postern, im Sommer folgten dann Großflächenplakate vor allem in Berliner Bezirken mit einem hohen Anteil von Bürgern mit Migrationshintergrund. Die Aktion soll Diskussionen in Schulen, Jugendeinrichtungen und Migrantenkreisen anregen. Unterstützt wird die Kampagne unter anderem von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Sport, von der Berliner Polizei, vom Türkischen Bund Berlin-Brandenburg (TBB) und dem Projekt LesMigras der Lesbenberatung. (mg)

Infos: www.miles.lsvd.de, berlin@lsvd.de 

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Integrations-
politisches Memorandum

Berlin. Marieluise Beck, die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, stellte Anfang September 2005 ihr Memorandum "Integrationspolitik als Gesellschaftspolitik in der Einwanderungsgesellschaft" vor. Beck sieht Integrationspolitik als Querschnittsaufgabe mit dem Ziel einer gleichberechtigten Teilhabe von Migranten am gesellschaftlichen Leben. Das Memorandum umreißt einige aktuelle und zentrale integrationspolitische Handlungsfelder, die laut Beck auf der Agenda jeder ernst gemeinten Integrationspolitik stehen müssen.

In Deutschland leben mittlerweile gut 14 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei dürften ebenso viele Deutsche wie Ausländer diesen Hintergrund besitzen. In einigen Ballungsgebieten stammen bereits heute schon 40 % der Jugendlichen aus Migrantenfamilien. Die Gesellschaft insgesamt und auch die Migrantenbevölkerung ist dadurch vielfältiger geworden und besitzt unterschiedlichste kulturelle, religiöse und politische Orientierungen.

Die Zukunft unserer Städte ist multiethnisch und interkulturell. Die gezielte Förderung von Integration ist somit eine zentrale Aufgabe für Städte und Gemeinden. Die Beauftragte wünscht sich von den Städten eine gezielte Integrationsförderung vor Ort sowie die Entwicklung von Leitbildern einer Einwanderungsstadt. Zur Zeit leben fast 40 % aller Ausländer in Städten mit mehr als 200.000 Einwohnern, viele von ihnen in Quartieren mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität. Auch diese problematischen Stadtquartiere müssen zu Orten sozialer Integration werden.

Die größte Herausforderung sieht die Beauftragte allerdings beim Bildungssystem. Vor allem dort muss der Umgang mit der wachsenden Pluralität erlernt werden. Da Bildung schon lange als ein Schlüsselfaktor für die Bekämpfung von Ungleichheit angesehen wird, soll vor allem in diesen Bereich investiert werden. Der enge Zusammenhang von sozialer Herkunft und Bildungserfolg verfestigt die Ausgrenzung vor allem auch der Migrantenkinder und -jugendlichen, deren Eltern oder Großeltern für einfache Tätigkeiten angeworben wurden. Derzeit besitzt rund ein Drittel aller Kinder und Jugendlichen in Westdeutschland einen Migrationshintergrund, Tendenz steigend. Fast jeder fünfte ausländische Jugendliche verlässt heute die Schule ohne Abschluss. Diese Problematik setzt sich auf dem Arbeitsmarkt fort: der Anteil der Arbeitslosen ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist bei den Ausländern mit über 70 % weit mehr als doppelt so hoch wie bei den Deutschen.

Damit Ausländer wirklich als Teil der Gesellschaft gelten können, müssen sie am politischen Prozess beteiligt sein. Bisher sind die Partizipationsmöglichkeiten im Rahmen des allgemeinen Wahlrechts beschränkt. Die Beauftragte fordert das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige mit längerem Aufenthalt, Migranten und ihre Vertretungen und Organisationen sollen in die kommunale Willensbildungsprozesse einbezogen werden. Neue Formen der politischen Beteiligung sollen entwickelt werden. Weiter sieht Beck eine zentrale Aufgabe der Parteien darin, die Neuwähler gezielt anzusprechen, damit sie auch von ihrem passiven Wahlrecht Gebrauch machen. (mg)

Bezug: www.integrationsbeauftragte.de 

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Zwischenbilanz zum Zuwanderungs-
gesetz

"Die neue Integrationspolitik des Zuwanderungsgesetzes. Eine Zwischenbilanz" - dies war der Titel einer Tagung, zu der die Friedrich-Ebert-Stiftung und der Bundesvorstand der Arbeiterwohlfahrt am 6. Juni 2005 in Berlin geladen hatten. Ziel war es, nach halbjähriger Startphase die Umsetzung der Integrationspolitik des neuen Zuwanderungsgesetzes kritisch zu beleuchten und über die Konzeption eines umfassenden Integrationsprogramms zu diskutieren. Referenten der Tagung waren Wilhelm Schmidt, Bundesvorsitzender der Arbeiterwohlfahrt und Mitglied des Bundestages, Veronika Kabis, Leiterin des Zuwanderungs- und Integrationsbüros der Landeshauptstadt Saarbrücken sowie Wolfgang Barth vom Bundesverband der AWO.

Positiv bewerteten die anwesenden Experten den breiten politischen Konsens, der das Zuwanderungsgesetz trägt. Weiterhin stimmten alle darüber ein, dass die nachholende Integration durch das Zuwanderungsgesetz deutlich aufgewertet wird. Dr. Albert Schmid, Präsident des Bundesamtes, betonte, dass das Zuwanderungsgesetz in seiner Gesamtheit ein "riesiger Fortschritt" sei. Angesichts der derzeitigen Zulassungszahlen sieht er keine Defizite bei der nachholenden Integration. Gleichzeitig forderte er, dass es in noch stärkerem Maße gelingen müsse, dass Fachöffentlichkeit, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft in Kommunikation treten. Dennoch wurden auch kritische Stimmen laut: Prof. Bade betonte, dass das Zuwanderungsgesetz nur ein Teil einer nachholenden Integrationspolitik sei - diese müsse nämlich nicht nur die sprachliche, sondern auch die kulturelle und ökonomische Integration umfassen. Das heißt, das Zuwanderungsgesetz kann als Einstieg in eine umfassende systematische Integrationspolitik verstanden werden, nicht jedoch als Ersatz für die gesellschaftliche Integration. Günther Piening, Beauftragter des Berliner Senats für Integration und Migration, stütze diese These: "Integrationspolitik fordert alle Akteure der Gesellschaft".

Als Manko der bisherigen Umsetzung wurde hervorgehoben, dass ein zielgruppenspezifisches Angebot allenfalls im Entstehen sei. Auch hier sind im weiteren Verlauf Optimierungen zu erwarten. (VF)

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