Ausländer in Deutschland 2/2002, 18.Jg., 30. Juni 2002

SCHWERPUNKT: 
DAS ZUWANDERUNGSGESETZ

Weitere Dokumente dieser Ausgabe zum Schwerpunkt 
"Das Zuwanderungsgesetz":
Neuregelungen im Überblick, Bildung, Medien, Harmonisierung europäischer Migrationspolitiken, Die AiD-Karte


Rau unterzeichnet

Berlin. Bundespräsident Johannes Rau hat am 20. Juni 2002 das Zuwanderungsgesetz unterschrieben und damit ermöglicht, dass es zum 1. Januar 2003 in Kraft treten kann. In einer Erklärung übte Rau deutliche Kritik an allen Parteien. Die Art und Weise, wie die Sitzung des Bundesrats am 22. März verlaufen sei, habe dem Ansehen von Staat und Politik Schaden zugefügt. Ob das Zuwanderungsgesetz rechtmäßig zustande gekommen ist, könne nur das Verfassungsgericht endgültig entscheiden. "Beide Seiten können gewichtige Gründe für ihren Standpunkt anführen", sagte Rau. Er selbst sei nicht zu der Überzeugung gekommen, dass "zweifelsfrei und offenkundig ein Verfassungsverstoß vorliegt". Deshalb habe er unterschrieben.

Während Bundeskanzler Gerhard Schröder Raus Entscheidung begrüßte, kündigte die Union an, in Karlsruhe zu klagen. Die CDU/CSU halte an der Ansicht fest, die Bundesratsentscheidung sei unrechtmäßig gewesen, da das Abstimmungsverhalten Brandenburgs uneinheitlich gewesen sei. Zu der Klage hat Rau die Union ausdrücklich ermuntert: "Ich hielte es sogar für wünschenswert, wenn das Bundesverfassungsgericht diese Frage klärte." Ein Urteil ist aber nicht vor der Bundestagswahl zu erwarten.

Bei der Abstimmung über das Zuwanderungsgesetz am 22. März 2002 hatte Bundesratspräsident Wowereit (SPD) die Stimmabgabe Brandenburgs als Zustimmung gewertet, nachdem Ministerpräsident Stolpe (SPD) dreimal Ja sagte. Innenminister Schönbohm (CDU) hatte einmal Nein gerufen, dann gesagt "Sie kennen meine Auffassung" und bei der dritten Nachfrage geschwiegen. Mit der Interpretation Wowereits, dass damit Brandenburg zugestimmt habe, war das Gesetz verabschiedet worden. Diese Interpretation der geforderten einheitlichen Stimmabgabe war insbesondere von der CDU/CSU als "verfassungswidrig" bezeichnet worden. (esf)

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Das Zuwanderungs-
gesetz

Struktur des Gesetztes:

Artikel 1

Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz- AufenthG)

Artikel 2

Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (Freizügigkeitsgesetz/ EU-FreizügG/EU)

Artikel 3

Änderung des Asylverfahrens- gesetzes

Artikel 4

Änderung des AZR-Gesetzes

Artikel 5

Änderung des Staatsangehörigkeits- gesetzes

Artikel 6

Änderung des Bundesvertriebenen- gesetzes

Artikel 7

Änderung des Gesetzes über die Rechtsstellung heimatloser Ausländer im Bundesgebiet

Artikel 8

Änderung des Asylbewerber- leistungsgesetzes

Artikel 9

Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch- Arbeitsförderung

Artikel 10

Änderung sonstiger sozial- und leistungsrechtlicher Gesetze

Artikel 11

Änderung sonstiger Gesetze

Artikel 12

Änderung sonstiger Verordnungen

Artikel 13

Rückkehr zum einheitlichen Verordnungsrang

Artikel 14

Bekanntmachungs- erlaubnis

 

Am 22. März 2002 hat der Bundesrat in formal stark umstrittener Weise das "Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern" (Zuwanderungsgesetz) verabschiedet. Kernstück des Gesetzes ist eine umfassende Neuregelung des Ausländerrechts. Zwar bleibt noch unklar, ob der Bundespräsident das Gesetz unterzeichnet, ob es anschließend zu einer Verfassungsklage kommt und wie diese entschieden wird. Klar ist aber: Tritt das Gesetz am 1. Januar 2003 in Kraft, müssen Praktiker der Integrationsarbeit schon jetzt genau wissen, was sich ändern wird.[1]

Aufenthaltsgesetz

Kernstück des Gesetzes ist eine umfassende Neuregelung des Ausländerrechts. Das geltende Ausländergesetz wird durch ein neues Gesetz über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (Aufenthaltsgesetz) ersetzt. In das neue Gesetz werden auch die wichtigsten Bestimmungen des Arbeitserlaubnisrechts aufgenommen. Zum ersten Mal werden damit die entscheidenden Bestimmungen des Aufenthaltsrechts und des Arbeitserlaubnisrechts für Ausländer in einem Gesetz zusammengefasst.

Die Zahl der Aufenthaltstitel wird auf zwei reduziert. An Stelle der Aufenthaltsbefugnis, der Aufenthaltsbewilligung, der befristeten und der unbefristeten Aufenthaltserlaubnis und der Aufenthaltsberechtigung sind nunmehr nur noch zwei Aufenthaltstitel vorgesehen: eine (befristete) Aufenthaltserlaubnis und eine (unbefristete) Niederlassungserlaubnis.
Zur besseren Verständlichkeit orientiert sich das neue Aufenthaltsrecht nicht mehr an Aufenthaltstiteln, sondern an den Aufenthaltszwecken. Hier werden vier unterschieden: Ausbildung, Erwerbstätigkeit, Familiennachzug oder Humanitäre Gründe.

Zuständigkeiten

Eine Reihe wichtiger Aufgaben wird dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zugeordnet, das als Neugründung aus dem bisherigen Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge hervorgehen wird. Es handelt sich im wesentlichen um folgende Bereiche: Koordinierung der Informationen über die Arbeitsmigration zwischen den Ausländerbehörden, der Arbeitsverwaltung und den deutschen Auslandsvertretungen; Durchführung eines optionalen Auswahlverfahrens im Punktesystem; Entwicklung und Durchführung von Integrationskursen für Ausländer und Spätaussiedler; Führung des Ausländerzentralregisters sowie Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung der freiwilligen Rückkehr.

Darüber hinaus wird mit dem neuen Bundesamt das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung als unabhängige wissenschaftliche Forschungseinrichtung organisatorisch verbunden.

Beim neuen Bundesamt wird ferner ein weisungsunabhängiger Sachverständigenrat für Zuwanderung und Integration eingerichtet. Er hat die Aufgabe, die innerstaatlichen Aufnahme- und Integrationskapazitäten sowie die aktuelle Entwicklung der Wanderungsbewegungen regelmäßig zu begutachten. Er soll ein jährliches Gutachten zur Migrationslage erstatten. Dieses soll auch Aussagen zum Erfordernis der Zuwanderung im Auswahlverfahren und gegebenenfalls eine Empfehlung zur Höchstzahl enthalten.

Neben dieser Schaffung neuer organisatorischer Strukturen und der Neuregelung des Ausländerrechts enthält das Zuwanderungsgesetz Änderungen in den Bereichen Arbeitsmigration, Familiennachzug, Humanitäre Aufnahme und Asylverfahren, Ausreisepflicht, Integration und Unionsbürger/Europäische Harmonisierung. Diese werden auf den folgenden Seiten dargestellt.


[1] Quelle: "Entwurf des Zuwanderungsgesetzes: Übersicht wichtiger Änderungen gegenüber dem geltenden Recht", Artikel der Internetredaktion des Bundesministeriums des Inneren, veröffentlicht am 25. März 2002.

Autor: Ekkehart Schmidt-Fink, isoplan

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Was ändert sich durch das Gesetz?

Vorher:

  • Asylverfahren dauern mitunter jahrelang.
  • Ausreispflichtige abgelehnte Asylbewerber reisen nicht aus; sie missbrauchen ihren Aufenthalt und belasten die Sozialkassen.
  • Jugendliche Ausländer ziehen ohne Sprachkenntnisse und verwertbare Ausbildung bis zum Alter von 16 Jahren zu ihren Angehörigen nach Deutschland.
  • Arbeitplätze für Hochqualifizierte bleiben dauerhaft unbesetzt.
  • Neue Arbeitsplätze werden nicht geschaffen.
  • Wirtschaft und Wissenschaft sind im internationalen Wettbewerb benachteiligt.
  • Zahlreiche Ausländer verfügen über keine oder unzureichende Sprachkenntnisse.
  • Integrationsleistungen, wie Spracherwerb, werden bei Migranten weder eingefordert noch hinlänglich gefördert.
  • Familienangehörige von Spätaussiedlern haben wachsende Integrationsprobleme.

Nachher:

  • Asylverfahren werden beschleunigt, Missbrauch beendet und die Ausreisepflicht durchgesetzt.
  • Zuwanderung wird insgesamt reduziert.
  • Arbeitskräfte besetzen Arbeitsplätze, für die im Inland kein Bewerber gefunden werden konnte.
  • Neue Arbeitsplätze werden geschaffen.
  • Sozialkassen werden entlastet.
  • Alle Zuwanderergruppen müssen erstmals systematisch Deutsch erlernen.
  • Zuwanderer können sich durch Kursprogramm schneller und besser integrieren.
  • Integrationschancen Jugendlicher werden durch Absenkung des Nachzugsalters erhöht.
  • Der Spätaussiedlerzuzug wird unter Integrationsgesichtpunkten reguliert und abgesenkt.

Quelle: "Fragen und Antworten zum Zuwanderungsgesetz", Artikel der Internetredaktion des Bundesministeriums des Inneren, veröffentlicht am 27. März 2002.

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