Integration in Deutschland 3/2006, 22.Jg., 30. September 2006

RECHT

*) Diese Beiträge wurden im Druck-Exemplar nicht veröffentlicht!


Gleichbehandlungs-
gesetz (AGG) begrüßt

 

Berlin. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist Mitte August 2006 im Bundsgesetzblatt veröffentlicht worden und am 18. August 2006 in Kraft getreten. Der Beauftragte des Senats von Berlin für Integration und Migration, Günter Piening, begrüßte, dass jetzt auch Deutschland ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz hat. "Das neue Gesetz", so Piening, "schafft für die Bürgerinnen und Bürger mehr Rechtssicherheit als bisher. Die Ausgestaltung der Antidiskriminierungsarbeit bekommt dadurch einen verlässlichen Rahmen." Mit dem neuen Gesetz bringe der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass in einem Rechtsstaat Diskriminierung und ungerechtfertigte Ungleichbehandlung von Menschen wegen ihrer Rasse oder ethnischen Herkunft, ihres Geschlechts, ihrer Religion, ihres Alters, ihrer Behinderung oder ihrer sexuellen Identität nicht nur inakzeptabel sondern auch rechtlich unzulässig sind und damit verfolgt werden können. "Diskriminierungen jeglicher Art," so Piening weiter, "sind kein Kavaliersdelikt. Ob am Arbeitsplatz oder in sonstigen Bereichen des täglichen Lebens (beim Einkauf, bei Verträgen, gegenüber Versicherungen etc.) - das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz bietet Schutz vor Ungleichbehandlung."

Der Senat von Berlin hat bereits Anfang 2005 eine Leitstelle gegen Diskriminierung aus ethnischen, religiösen und weltanschaulichen Gründen eingerichtet, an die sich Bürgerinnen und Bürger wenden können, die diskriminiert wurden oder sich diskriminiert fühlen. Das neue Gesetz wird die Arbeit der Leitstelle unter der Leitung von Frau Dr. Kroker-Stille erleichtern. Sie wird künftig eng mit der Gleichbehandlungsstelle des Bundes zusammenarbeiten. (esf)

Kontakt: Senatsleitstelle gegen Diskriminierungen aus ethnischen, religiösen und weltanschaulichen Gründen, 
c/o Integrations- und Migrationsbeauftragter,
Potsdamer Straße 65, 10785 Berlin, 
Tel.: 030/9017-2321, -2310, -2371,
www.berlin.de/lb/intmig/leitstelle/ 


Bücher zum Thema

Interessierte Fragen von Personalchefs wie "Wo kommen Sie her, wie ist es da so?" sind bei Bewerbern mit Migrationshintergrund bald ebenso problematisch wie Fragen nach einem Kinderwunsch bei Frauen. Bei einer Absage liegt der Vorwurf der Rassendiskriminierung nahe. Es darf höchstens nach einer Arbeitserlaubnis gefragt werden. Unter dem Titel "Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht - Das Gleichbehandlungsgesetz" ist im August 2006 beim Deubner Verlag ein aktuelles Fachbuch von Dr. Klaus Michael Ahlenfelder erschienen. Es vermittelt prägnant und anschaulich in diesen wie anderen Fragen die neuen Regelungen und gibt Ausblicke auf die rechtlichen Auswirkungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Arbeitsrecht. Es enthält Erläuterungen zu den Gesetzesänderungen und ihren Folgen in der anwaltlichen Praxis, Praxistipps und wichtige Hinweise für Rechtsanwälte und Personalreferenten sowie den Gesetzestext zum schnellen Nachschlagen der Gesetzesänderungen. Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Nordhessen für Wirtschaftsrecht. Die 150-seitige Publikation kostet 39 Euro (ISBN: 3-88606-622-3) und enthält zusätzlich eine CD-ROM.

Während sich Personalverantwortliche in Großunternehmen auf das AGG meist gut vorbereitet haben, unterschätzen viele Mittelständler, Selbstständige oder auch Vermieter die Auswirkungen. Noch immer versuchen etwa Inhaber kleiner Geschäfte mit Aushängen in ihren Schaufenstern, wie "Suchen junge, freundliche Bedienung" Personal anzuwerben. Auch die Auswirkungen des Gesetzes beispielsweise auf Kredit-, Leasing- oder Mietverträge werden unterschätzt. Mit einer Publikation des Rudolf Haufe Verlags soll ihnen geholfen werden, Klagen zu vermeiden und die positiven Auswirkungen des Gesetzes zu erkennen. Besonders Arbeitgeber müssen fortan darauf achten, dass in Stellenbeschreibungen und im Berufsalltag niemand wegen seines Alters, einer Behinderung, der ethnischen Herkunft, seines Geschlecht, der Religion oder seiner sexuellen Identität diskriminiert wird. Nach Meinung vieler Experten reduzieren viele Personalverantwortliche das Thema auf offensichtliche Äußerungen und eine explizite Wortwahl. Doch könnten Benachteiligungen auch subtil auftreten - zum Beispiel," wenn Frauen überwiegend wenig anspruchsvolle Aufgaben erhalten", warnt Michael Stuber, Autor der Neuerscheinung "Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz in der betrieblichen Praxis". Ausführlich geht er auf alle Bereiche des Arbeitsalltags ein und schildert, wie und warum Unternehmer eine Beschwerdestelle einrichten müssen. Zudem gibt er Tipps, wie Unternehmer vom neuen Gesetz profitieren können. Zusätzlich enthält das Buch eine CD-ROM mit Checklisten, Musterbriefen für Betriebsvereinbarungen und Gesetzestexten. Das 270-seitige Buch kostet 39,80 Euro. (esf)

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Kiel: Verbot religiöser Symbole

 

Kiel. Die Koalition von CDU und SPD in Schleswig-Holstein hat sich am 24. August 2006 auf ein generelles Verbot religiöser Symbole in den Schulen verständigt. Wie Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave mitteilte, sei davon nur der Religionsunterricht ausgenommen. Neben Kopftüchern sind auch christliche Symbole nicht erlaubt, wenn sie zu sehen sind. Ausgenommen sind Privatschulen. Das Verbot soll im neuen Schulgesetz festgeschrieben werden, das voraussichtlich am 1. Januar 2007 in Kraft tritt. In einem Kommentar heißt es dazu in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (F.A.Z. vom 25.08.06): "Schleswig-Holstein hat aus dem baden-württembergischen Kopftuchstreit gelernt. Es ist konsequent und richtig, ein Kopftuchverbot mit einem Verbot sämtlicher religiösen Symbole in der Schule zu verbinden". Weiter heißt es, Kiel habe im Unterschied zu Stuttgart freier entscheiden können, "weil es die Tradition der christlichen Gemeinschaftsschule nicht im Schulgesetz durch eine Berufung auf christlich-jüdische Wurzeln festgeschrieben hat". (esf)

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Gericht lehnt Kopftuchverbot ab

 

Stuttgart. Muslimische Lehrkräfte dürfen ihr Kopftuch während des Schuldienstes tragen, hat das Verwaltungsgericht Stuttgart am 7. Juli 2006 entschieden. Demnach verstößt das Kopftuch zwar gegen das Verbot religiöser Bekundungen im Klassenzimmer. Das Kopftuchverbot verletzt jedoch den Gleichbehandlungsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes, solange beispielsweise Nonnen in ihrer Ordenstracht unterrichten dürfen. Eine "Privilegierung christlicher Glaubensbekenntnisse" lehnte das Verwaltungsgericht ab. Bereits im April 2004 hatte das Bundesverwaltungsgericht die Gültigkeit des Schulgesetzes bestätigt, gleichzeitig aber eine Gleichbehandlung der Religionen eingefordert. Dagegen wehrte sich der baden-württembergische Bildungsminister Helmut Rau. Die Ordenstracht katholischer Nonnen sei nicht mit einem Kopftuch zu vergleichen, argumentierte er. Als "Ausdruck gelebter kultureller Pluralität" bezeichnete dagegen die Sprecherin der F.D.P.-Bundestagsfraktion, Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zugunsten des Kopftuches im Unterricht. (esf)

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Schäuble will Ausländerrecht ändern

 

Berlin/Brüssel. Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble will bis Ende des Jahres in einem umfangreichen Paket das Ausländer-, Asyl- und Staatsangehörigkeitsrecht ändern. Im Vordergrund steht dabei die Umsetzung mehrerer EU-Richtlinien zum Flüchtlingsschutz, zu Asylverfahren und zur Zuwanderung. Das kündigte Schäuble Mitte Juni 2006 bei einem Symposium zum Flüchtlingsschutz in Berlin an. Im Zusammenhang mit Schäubles Vorhaben wird auch das Zuwanderungsgesetz überprüft. Flüchtlingsorganisationen befürchten Verschlechterungen. Zum Tag des Flüchtlings starten Menschenrechtler zahlreicher Organisationen eine Kampagne gegen die Inhaftierung von Asylbewerbern und Einwanderern ohne gültige Papiere.

Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) forderte die EU auf, Schieflagen in der Asylpolitik zu korrigieren. "Die Neigung, sich in der europäischen Asylpolitik auf den jeweils kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen, war in den vergangenen Jahren unübersehbar", sagte der UNHCR-Regionalvertreter Gottfried Köfner in Berlin. In der EU sei die Zahl der Asylanträge auf den niedrigsten Stand seit 26 Jahren gefallen. Der sozialdemokratische Europaabgeordnete Wolfgang Kreissl-Dörfler (siehe Interview AiD 3/06) sagte, für Flüchtlinge werde der legale Zugang immer weiter beschränkt. Bei der Harmonisierung bestehe die Gefahr, "einen Wettbewerb um die niedrigsten Standards in Gang zu setzen".

Schäuble verteidigte die EU-Politik und nannte eine grundsätzliche Kritik kaum begründbar. Bei der Flüchtlingspolitik werde alles daran gesetzt, "dass kein Mensch schutzlos bleibt". Die anstehenden Umsetzungen der Richtlinien würden im deutschen Asylrecht nur zu kleineren Änderungen führen. Wesentliche Bestimmungen wie Regelungen für die nichtstaatliche und die geschlechtsspezifische Verfolgung seien bereits mit dem Zuwanderungsgesetz übernommen worden.

Amnesty International und Pro Asyl kritisierten, für die Bundesregierung schienen Flüchtlinge zunehmend unerwünscht. Langjährig Geduldete müssten ein Bleiberecht bekommen. In Deutschland lebten 200.000 Menschen mit einer Duldung, 130.000 von ihnen schon länger als fünf Jahre (vgl. Grafik AiD 3/06). Später kündigte Schäuble an, bei der Innenministerkonferenz im November - im Zusammenhang mit den Gesetzesänderungen - auch eine Einigung über die Lösung der "Altfälle" zu suchen. (esf)

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Abschiebung in Irak möglich

 

Leipzig. Ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Irak kann unter Umständen in seine Heimat abgeschoben werden, stellte das Bundesverwaltungsgericht am 27. Juni 2006 klar. Ausländerbehörden seien an eine Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge gebunden, das ein Abschiebungsverbot nach dem heutigen Aufenthaltsgesetz verneint. Ein Iraker, um dessen Fall es ging, war 1999 nach Deutschland eingereist. Sein Asylantrag war abgelehnt worden. Nach einem erfolglosen Prozess erhielt er auf der Grundlage von Abschiebestopp-Erlassen des bayerischen Innenministeriums fortdauernd Duldungen. Im Jahr 2003 beantragte er eine Aufenthaltsbefugnis und berief sich auf die prekäre Sicherheitslage im Irak, hatte damit jedoch keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof verneinte eine "unzumutbare Gefährdung" im Falle einer Rückkehr. Die Abschiebestoppregelungen würden nicht auf einer allgemeinen Gefahrenlage beruhen, sondern darauf, dass die Flugverbindungen in den Irak bis in die jüngste Vergangenheit unterbrochen waren (Az. 1 C 14.05). (esf)

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Seyran Ates gibt auf

Berlin. Fast zehn Jahre stritt die Berliner Rechtsanwältin Seyran Ates für das Recht jeder Frau auf Selbstbestimmung - vor Gerichten, in Talkshows und als Autorin (vgl. Interview in AiD 2/06). Nun hat die bundesweit bekannte Anwältin offenbar aufgegeben. Anfang August 2006 ist die Kanzlei am Berliner Hackeschen Markt aufgelöst worden. Die 42-Jährige verzichtet auf ihre Anwaltszulassung. Auch ihre Mitgliedschaft bei Terre des Femmes hat Ates gekündigt. Die Geschichte eines mutigen Kampfes scheint beendet. Auf ihrer Homepage begründet die Frauenrechtlerin ihre Entscheidung mit der alltäglichen Bedrohung in ihrem Beruf und dem zu geringen Schutz vor Übergriffen. So sei vor kurzem eine Mandantin im Gericht von deren Ex-Mann niedergeschlagen und Ates selbst massiv bedroht worden. Nach Angaben der taz hat Ates bei der Polizei nachfragen lassen, ob ihr Polizeischutz gewährt werden könne, dies sei aber abschlägig beschieden worden. Die Bedrohung habe für diese sehr aufwändige Maßnahme nicht ausgereicht.

Politikerinnen mehrerer Parteien haben den Rückzug bedauert und fordern Konsequenzen - so unter anderem bessere Präventivmaßnahmen im Gewaltschutz, eine Überprüfung des Zeugenschutzprogramms und Personenschutz für Ates. Der Juristinnenbund forderte "konkrete Zusagen seitens der zuständigen Behörden, wie sie Seyran Ates schützen werden, um ihr die Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu ermöglichen". Gemeinsam mit dem Berliner Anwaltsverein suche der Juristinnenbund eine Sozietät, die Seyran Ates aufnimmt, erklärte Pressesprecherin Anke Gimbal. (esf)

Infos: www.seyranates.de

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Böhmer fordert Bleiberecht

 

Berlin. Die Staatsministerin im Bundeskanzleramt und Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Prof. Dr. Maria Böhmer, hat anlässlich einer Sitzung von Innenpolitikern am 23. September 2006 zu einer Bleiberechtsregelung für in Deutschland geduldete Ausländer aufgerufen. Die Innenministerkonferenz soll darüber im November entscheiden. Viele der über Hunderttausend geduldete Menschen lebten schon länger als sechs Jahre in Deutschland und seien beruflich und gesellschaftlich integriert, sagte Böhmer. Die Menschen, die unser Rechts- und Wertesystem achten und Kinder haben, die hier zur Schule gehen, aber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in ihre Heimat zurückgeführt werden können, bräuchten jetzt eine tragfähige Bleiberechtsregelung. "Die Überlegungen und Vorschläge der Innenpolitiker begrüße ich nachdrücklich", sagte sie. "Sie bringen Integrationspolitik in Deutschland voran und folgen dem Leitgedanken des Förderns und Forderns von Integration". Aus ihrer Sicht setze das Bleiberecht gute Deutschkenntnisse voraus und die Betroffenen müssten selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Diejenigen, die bisher nicht arbeiten durften, müssten das Recht und die Pflicht haben, für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Kinder müssten die Schulpflicht erfüllen. Ferner sollte die Entscheidung über das Bleiberecht von einer Integrationsprognose abhängig sein. Böhmer sagte abschließend, sie setze darauf, dass die Innenministerkonferenz im November eine Bleiberechtsregelung beschließen werde. (esf)


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